Die «Unterweisung» durch den Bischof während der Priesterweihe. (Bilder: Rosmarie Schärer/swiss-cath.ch)

Kirche Schweiz

Eine Pries­ter­weihe von aus­ser­ge­wöhn­li­cher Symbolkraft

Am gest­ri­gen Sams­tag, 20. April 2024, wurde Agil Raju in der Kathe­drale in Chur zum Pries­ter geweiht. Ein aus­ser­ge­wöhn­li­ches Ereig­nis im dop­pel­ten Sinn: Dies, weil eine Pries­ter­weihe hier­zu­lande sel­ten gewor­den ist und sie in einem uns unbe­kann­ten Ritus voll­zo­gen wurde.

Die Priesterweihe von Agil Raju fand im syro-malankarischen Ritus statt, in dem Ritus also, in dem er auch getauft worden war. Die Syro-malankarische Kirche ist im Süden Indiens verbreitet; seit 2010 resp. 2016 gibt es auch die Eparchie St. Mary Queen of Peace für die USA und Kanada.[1] Da der Heimatbischof von Agil Raju nicht kommen konnte, wurde er durch Thomas Mar Eusebius, Bischof der Eparchie Parassala, geweiht.

Die Liturgie der Syro-malankarischen Kirche ist voller Symbolik. Dabei spielen zum Beispiel die Farben eine Rolle, aber auch Handlungen, die das Gesagte unterstreichen und verdeutlichen. Die Priesterweihe wurde den Verhältnissen in der Schweiz leicht angepasst, dauerte aber immer noch fast drei Stunden.

Eucharistie als Urquell geistlichen Lebens
Nach dem Einzug begann die heilige Messe direkt mit der Gabenbereitung, da die Eucharistie der Urquell des geistlichen Lebens und somit auch der Priesterweihe ist. Bischof Thomas Mar Eusebius bat um das Gebet der Gläubigen, damit er «würdig befunden werde, das heilige und lebendige Opfer für die ganze Kirche darzubringen». Es folgten ein Lobpreis Gottes durch das Volk und Heiligrufe. Ungewohnt für uns war der starke Einbezug des Volkes, das immer wieder durch Amen- respektive Kyrie-Rufe das Gesagte bekräftigte oder im Wechsel mit dem Zelebranten Gebete sprach. Auffallend war, dass mehrere Priester ein schwarzes liturgisches Gewand trugen. «Diese Priester haben nicht konzelebriert», erklärte Agil Raju später. «Sie haben während der Messe mir gedient, deshalb durften sie kein weisses Gewand tragen.»

Die Lesung war aus dem Zweiten Korintherbrief (2 Kor 12,1–10). Darin schreibt Paulus von seiner Schwachheit und einem Stachel im Fleisch. «Dreimal habe ich den Herrn angefleht, dass dieser Bote Satans von mir ablasse. Er aber antwortete mir: Meine Gnade genügt dir; denn die Kraft wird in der Schwachheit vollendet.» «Meine Gnade genügt dir», wählte Agil Raju dann auch als Spruch auf seinem Gedenkbildchen.

In seiner Homilie betonte Bischof Bonnemain, dass das Leben des Priesters ein eucharistisches Leben ist, eine Proexistenz, ein Leben für die vielen, wie das Leben Jesu. Die Weihe im syro-malankarischen Ritus «zeigt uns, wie weltumspannend unsere Kirche ist. […] Die Kirche kennt keine Ausländer. Alles ist für uns Heimat und wir alle sind Heimat für alle.»

Nach verschiedenen Gebeten folgten das Glaubensbekenntnis, Friedensgebet, Sanctus und der Einsetzungsbericht, zu dem das Volk stand, sowie Anamnese und Epiklese.
Erst jetzt wurden die Fürbitten vorgetragen. Die Fürbitten für den Papst und Bischöfe – hier erweitert für Priester, Diakone, Ordensleute und die ganze Kirche – die Notleidenden und Regierenden kennen wir auch im römisch-katholischen Ritus. Danach wurden Maria, der heilige Thomas, die Apostel, Propheten, Evangelisten, Märtyrer und Bekenner angerufen, damit ihre Gebete ein Bollwerk für uns sein mögen. Auch die Väter, «die den einen unbefleckten, wahren und apostolischen Glauben bewahrt und überliefert haben», wurden um ihr Gebet angefleht. Die letzte Fürbitte galt wie bei uns den Verstorbenen.

Nach der Brotbrechung betete die Gemeinde das Vaterunser. In der «Erhebung der heiligen Mysterien» wurde die Heilige Dreifaltigkeit angerufen. Die Verehrung der Dreifaltigkeit durchzog die ganze Liturgie: Immer wieder erfolgte die Anrufung von Vater, Sohn und Heiligem Geist, immer wieder bekreuzigten sich die Gläubigen.
 


Ungewohnt für die zahlreichen Gläubigen war, dass unmittelbar vor dem Kommunionempfang die heilige Messe «unterbrochen» wurde: es folgte die Priesterweihe von Agil Raju.

Aussagekräftige, symbolreiche Handlungen
Nach der Vorstellung des Kandidaten kniete sich dieser vor Bischof Thomas Mar Eusebius. Der Bischof unterwies ihn in seine Aufgabe als Priester. In der anschliessenden Befragung versprach Agil Raju, den rechten Glauben zu bewahren, die demütige Unterwerfung unter den Bischof sowie den Zölibat.[2] Sein Ja bezeugte er mit einem Kreuzzeichen, das er dem auf einem Blatt festgehaltenen Treueversprechen hinzufügte. Um diesem Versprechen auch sichtbaren Ausdruck zu verleihen, schnitt der Bischof dem Weihekandidaten die Haare in Kreuzform ab. Damit sollte auch verdeutlicht werden, dass der Weihekandidat nun losgelöst von weltlichen Verstrickungen frei für den priesterlichen Dienst ist. In einem weiteren symbolischen Akt führte der Bischof ihn an der Hand zum Altar. Nun trug Agil Raju selbst eine Lesung vor, bevor er sich zum Evangelium vor den Bischof kniete. Dieses handelte vom Erscheinen des Auferstandenen vor seinen Jüngern am Osterabend. Bei den Worten: «Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!» (Joh 20,22), hauchte der Bischof den Weihekandidaten drei Mal an, anschliessend legte er ihm das Evangeliar auf den Kopf. Es folgten weitere Gebete. Nach der Epiklese legte ihm der Bischof die Hände auf, anschliessend wurde Agil Raju mit dem Priestergewand bekleidet.

Nach weiteren Gebeten folgte die Kommunion. Mit grosser Dankbarkeit und Freude stimmten die Gläubigen in das Lied «Grosser Gott, wir loben dich» ein. Diese Dankbarkeit und Freude strahlte Agil Raju aus, als er sich in persönlichen Worten an die Gläubigen richtete. Sein erster Dank galt Jesus, der ihn berufen und diesen Weg geführt hat.
Dank einer Übertragung per Livestream konnten auch seine Familie und Freunde aus Indien und anderen Ländern die Priesterweihe mitverfolgen, und der Neupriester richtete in seiner Muttersprache einige Worte an seine Familie. Der eindrückliche Gottesdienst endete mit dem Primizsegen und dem österlichen Entlassungsruf.

Freude über neuen Priester und die wahrhaft katholische Kirche
Unter den Gläubigen herrschte grosse Freude über den neuen Priester. Luis Varandas, Generalvikar von Zürich-Glarus, strahlte. «Ich freue mich für Agil, dass er heute zum Priester geweiht wurde, und ich freue mich, dass er unser Bistum verstärken wird im Einsatz für die Menschen und für Gott.»
Vikar Michael Fent, dessen eigene Weihe noch nicht lange zurückliegt, freut sich ebenfalls sehr über den neuen Mitbruder. Er zeigte sich fasziniert von dessen Gehorsam. Agil Raju kam nicht auf eigenen Wunsch in die Schweiz, sondern weil ihn sein Bischof geschickt hatte. «Man sah, dass sich Agil bemühte, sich immer besser einzugliedern, einzubinden, hier anzukommen. Er hat ein grosses Herz und wird ein guter Priester.»
 


Die Liturgie selbst bot viel Gesprächsstoff. Der ehemalige Regens und jetzige Redaktionsleiter von «Radio Maria», Martin Rohrer, war von ihrer Symbolsprache und den tiefgründigen Formulierungen beeindruckt. «Der Gedanke, den Priester aus der Eucharistie zu weihen – einfach wunderschön!»
Fabio Theus, ehemaliger Mitstudent des Neupriesters und begeisterter Organist, fiel vor allem der Unterschied in der musikalischen Gestaltung auf, so etwa der häufige Antwortgesang, den wir in unserer Liturgie wenig kennen. Doch auch die Symbolhandlungen berührten ihn. «Die Herabrufung des Heiligen Geistes auf den Weihekandidaten wurde mit den Händen verdeutlicht, das hat mir grossen Eindruck gemacht.»

Dass die Liturgie in Richtung Osten, mit dem Gesicht zum auferstandenen Christus, dem wahren Licht, gefeiert wurde und demzufolge mit dem Rücken zum Volk, kritisierte niemand. Es schien gar nicht aufgefallen zu sein. Hinterfragt wurde von einzelnen, ob es sinnvoll war, einen Bischof extra für diese Liturgie im wahrsten Sinne des Wortes einzufliegen.

Doch gerade durch die Priesterweihe im syro-malankarischen Ritus, auch durch die verschiedenen Sprachen, wurde die Universalität der Katholischen Kirche deutlich. Dies gefiel Donata Bricci, der Kanzlerin des Bistums gut. «Zu sehen, dass Kirche wirklich Heimat ist für alle Völker, alle Kulturen. Das gefällt mir sehr!» Diese Meinung teilte auch David Pollak, der als Priesteramtskandidat für das Bistum St. Gallen in Chur studiert. «Generell sind Priesterweihen immer schön, einfach, weil es ein freudiges Ereignis ist, und Agil ist ein ganz toller Mensch. Seine Priesterweihe freut mich für ihn, freut mich für sein Bistum. Und heute war es eine ganz besonders schöne Weihe, weil die Weltkirche erfahrbar wurde.»

 

Weitere Fotos der Priesterweihe auf der Webseite des Bistums Chur.

 


[1] Das 2010 errichtete Apostolische Exarchat wurde 2016 in den Rang eine Eparchie erhoben.
[2] Im römisch-katholischen Ritus verspricht der Priesteramtskandidat den Zölibat bereits bei seiner Diakonenweihe.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

E-Mail

Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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