Kommentar

«Fall Hauke»: Es gilt die Schuldvermutung

Die Reak­tion der Uni­ver­si­tät der ita­lie­ni­schen Schweiz wie auch von Tei­len der Medien auf den Frei­spruch von Pro­fes­sor und Pries­ter Man­fred Hauke zeigt: Frei­spruch ist nicht gleich Frei­spruch – es soll wei­ter die Schuld ver­mu­tet werden.

Wohl am besten können die Errungenschaften unserer Rechtskultur an Schlüsselbegriffen des Strafrechts verdeutlicht werden: «Keine Strafe ohne Gesetz»; «Im Zweifel für den Angeklagten»; «Es gilt die Unschuldsvermutung». Tatsächlich wird mit keinem Rechtsprinzip so viel Schindluderei getrieben wie mit der Unschuldsvermutung. Kaum ein medialer Aufschrei, der nicht mit dieser zur Floskel verkommenen Vokabel garniert wird. Getreu dem Motto «Ich habe ja weiss Gott nichts gegen die Juden, aber …» wird diese salvatorische Klausel dazu instrumentalisiert, um ungehemmt über die als Übeltäter ausgemachte Person herziehen zu können.

Exemplarisch für diese Geisteshaltung steht ein Artikel des geborenen Deutschen Simon Spengler in einem Newsletter der «Katholischen Kirche im Kanton Zürich» («Hier zeigt sich einmal mehr die furchtbare Fratze klerikaler Frauenfeindlichkeit»).
Obwohl weder ein Strafbefehl geschweige denn ein Gerichtsurteil vorliegt, holt Spengler zum Rundumschlag aus gegen den «verhaltensauffälligen Priester» und die Churer Bistumsleitung, welche diesen Gottesmann in ein Nonnenkloster abgeschoben habe, selbstredend nicht ohne die Phrase nachzuschieben: «... wobei selbstverständlich (sic) bis zu einem Urteil die Unschuldsvermutung gilt».

Was in diesem Kontext besonders ins Auge sticht: Geht's gegen katholische Priester, wird mit zweierlei Mass gemessen, gelten ansonsten unbestrittene Rechtsgrundsätze und journalistische Sorgfaltspflichten plötzlich nicht mehr. Es spricht Bände: Das in diesem Kontext völlig unverdächtige, links-liberale Medienportal «infosperber.ch» machte auf einen Fall aufmerksam, bei dem die Staatsanwältin den Medien verboten hatte, das Umfeld des wegen sexuellen Missbrauchs eines Buben angeklagten Mannes bekannt zu geben. Auf Beschwerde der NZZ hin hob das Zürcher Obergericht dieses Verbot wieder auf. Es handelt sich beim Beschuldigten um einen Angehörigen der orthodoxen jüdischen Gemeinde in Zürich. Zu Recht kritisierte Urs Peter Gasche, der Gründer von «infosperber.ch», es könne nicht sein, dass katholische Priester regelmässig genannt werden, in vergleichbaren Fällen jedoch die Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften ebenso regelmässig verschwiegen werden müssten.

Die NZZ hat sich mit der Durchsetzung des Prinzips «Gleiches Recht für alle» zweifelsohne Verdienste für die Meinungsäusserungsfreiheit und Rechtsgleichheit erworben. Aber auch sie erliegt immer wieder der Versuchung, in catholicis zweierlei Mass anzuwenden. Dem NZZ-online-Bericht vom 22. April 2024 über Professor Manfred Hauke, der sich vor dem Strafgericht Bellinzona wegen des Vorwurfs der Diskriminierung und Aufstachelung zur Homophobie verantworten musste, ist überdeutlich der Widerwille anzumerken, statt über eine Verurteilung über einen Freispruch schreiben zu müssen. Da wird explizit über Imbarco Immediato, der Partnerorganisation von Pink Cross und deren grosse Enttäuschung über dieses Urteil referiert. Ausführlich kommt der Bericht auch auf die von der Universität der italienischen Schweiz und der Theologischen Fakultät Lugano gemeinsam nur wegen dieses Strafverfahrens eingesetzte «Ad hoc-Kommission» zu sprechen. Obwohl Professor Hauke freigesprochen wurde, soll laut Medienmittteilung überprüft werden, ob der «Sachverhalt, der zum Freispruch von Professor Hauke vor dem ordentlichen Gericht geführt hat, dennoch gegen die Gründungsprinzipien der Universität verstösst. Dieses Verfahren wird fortgesetzt.»

Universitätsrektorin Luisa Lambertini sattelt noch einen obendrauf: Die «Ad hoc-Kommission» soll verpflichtet werden, eine «strenge Bewertung» des Verhaltens von Professor Hauke vorzunehmen. Wie bitte? Eine solche Kommission hat nicht mit der Vorgabe ans Werk zu gehen, einen besonders strengen Massstab anzuwenden, sondern hat ihre Aufgabe vorurteilslos und ohne Befangenheit wahrzunehmen. Dies gilt umso mehr, als im Strafverfahren einzig und allein ein in der von Professor Hauke herausgegebenen Zeitschrift «Theologisches» publizierter Artikel einer Drittperson Gegenstand des Strafprozesses bildete. Aber eben, es geht bei der wohlfeilen «Jagdtrophäe» – zum wiederholten Mal – um einen katholischen Priester.

Es ist Professor Hauke hoch anzurechnen, dass er selbst noch vor dem Prozess einen Antrag auf Suspendierung seiner Lehrtätigkeit gestellt hatte, um so den enormen, auf die Theologische Fakultät ausgeübten Druck abzufedern. Diese ist juristisch gesehen kein Teil der Universität wie andere Fakultäten, sondern seit 2021 ihr lediglich «affiliert». Noch so gerne hätten einschlägige Kreise der Uni-Szene und darüber hinaus dieses Strafverfahren zum Vorwand genommen, um die Theologische Fakultät wieder aus dem Campus hinauszubugsieren. Der Freispruch hat nun dieses Ansinnen fürs Erste durchkreuzt. Aber vielleicht solls nun die auf die Schnelle eingesetzte «Ad hoc-Kommission richten – ganz nach der Maxime: Es gilt die Schuldvermutung.


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

E-Mail

Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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  • user
    Martin Meier-Schnüriger 24.04.2024 um 15:21
    Da es sich bei Prof. Manfred Hauke um einen hoch angesehenen Theologen handelt, der halt nicht, wie viele seiner Fachkollegen im Schlepptau von Küng & Co., die Theologie dazu benutzt, das Lehramt auszuhebeln, sondern es zu stützen, ist es für die Mainstream-Medien verlockend, ihn zu Fall zu bringen. Dass die Universitätsrektorin dabei mitmacht, ist besonders bitter.