Am Samstag, den 26. Oktober 2024, führte «Pro Ecclesia» in der Stiftskirche St. Leodegar in Luzern ihren alljährlich stattfindenden Einkehrtag durch. Für «Pro Ecclesia» war es ein besonderer Tag, konnte sie doch heuer den 40. Jahrestag ihres Bestehens feiern. Anlass zur Gründung war der im Juni 1984 unmittelbar vorausgegangene Pastoralbesuch von Papst Johannes Paul II. in der Schweiz. 400 Journalisten aus über 30 Ländern hatten über diesen Anlass berichtet – nicht nur wohlwollend. Gerade auch deshalb kam es zu einer Solidaritätsaktion: Das spontan gegründete Komitee «Wir begrüssen den Heiligen Vater» konnte innert kurzer Zeit über 30 000 Grussbotschaften für den Papst sammeln. Aus diesem Komitee entstand die Bewegung «Pro Ecclesia» – gegründet ausschliesslich von Laien.
Dabei, so Zentralpräsident Herbert Meier in seiner Begrüssungsansprache, war es nie das Ziel von «Pro Ecclesia», sich als Gegenpol zum Klerus zu verstehen – im Gegenteil. Dem «Klerikalismus-Geschwätz», so Herbert Meier wörtlich, erteilte er vielmehr eine klare Absage. Das fruchtbare Zusammenwirken von Klerus und Laien ist geradezu ein Markenzeichen dieser kirchlichen Bewegung. Vorbildliche Priester haben im Verlauf ihrer 40-jährigen Existenz immer wieder wichtige spirituelle Impulse vermittelt. Besondere Verdienste erwarben sich die Domherren Willy Studer, Christoph Casetti, Martin Bürgi und Chorherr Pius Sidler.
Galt es in den Anfangsjahren von «Pro Ecclesia», in den nachkonziliaren Wirren entwurzelten Gläubige in der Kirche wieder zu beheimaten, stellt die Gegenwart «Pro Ecclesia» vor neue Herausforderungen: Nun gilt es, die gerade in konservativen Kreisen nicht selten anzutreffende Wagenburg-Mentalität zu überwinden, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und die positiven Kräfte zu vernetzen.
Im Zentrum der von Pirmin Müller gewohnt souverän moderierten Jubiläumsveranstaltung stand das Referat von Martin Grichting. Es hatte «Die Sendung der Laien in Kirche und Welt» zum Thema: gerade vor dem Hintergrund der soeben zu Ende gegangenen Weltsynode höchst aktuell.
Der verlorene Schlüssel
Der ehemalige Generalvikar des Bistums Chur gewann die Aufmerksamkeit des Publikums gleich mit einer Anekdote: Der legendäre Dällenbach Kari hatte einst seinen Hausschlüssel verloren. Polizist Hämmerli half ihm bei der Suche – erfolglos. Wo er den Schlüssel den verloren habe, wollte der Polizist wissen. Irgendwo weit hinten. Warum suchen wir dann hier, fragte der Polizist weiter. Dort drüben ist es stockfinster, aber hier unter der Strassenlaterne gibt es Licht, antwortete Dällenbach Kari.
Martin Grichting zog eine Parallele: Die Kirche hat heute den Schlüssel, wie sie inmitten der Gesellschaft wirken kann, verloren, und sucht ihn nicht am verlorenen Ort, sondern woanders. Im Scheinwerferlicht der Medien stehen die Strukturen: der Modus des synodalen Weges, Machtteilung, Gleichstellung, Frauenpriestertum. Hier ist es leicht, nach dem Schlüssel zu suchen, aber hier ging er nicht verloren. Stattdessen ginge es vielmehr darum, den Laien eine Spiritualität zu vermitteln, dank der sie mitten in der Welt verkündende Kirche sein könnten.
Dabei stellt sich, so Martin Grichting, sogleich die Frage nach der eigentlichen Sendung der Laien in der Kirche und in der Welt. In den kirchenamtlichen Medien wird tagtäglich eine Debatte geführt, die im Grunde genommen eine Klerikalisierung der Laien zum Ziel hat: Was darf der Laie tun in der Liturgie, der Leitung der Pfarrei, des Bistums, beim Verwalten des Kirchenvermögens? Eine Debatte, die notgedrungen in einer Sackgasse münden wird.
Hier gilt es, den vom Zweiten Vatikanischen Konzil betonten Unterschied zwischen der durch das Weihesakrament begründeten Hierarchie und den Laien im Auge zu behalten. Dem Klerus ist demzufolge der Bereich der Seelsorge und die Leitung der Kirche anvertraut, den Laien das christliche Zeugnis in der Gesellschaft, wobei die beiden Bereiche nicht strikt getrennt sind, sondern sich auch überschneiden können.
Auch dazu äusserte sich das Zweite Vaticanum, demzufolge Laien die Befähigung zukommt, von der Hierarchie auch zu gewissen Ämtern beigezogen zu werden, die geistlichen Zielen dienen («Lumen Gentium» 33). Daraus folgt, so der Referent, dass Laien als Helfer, als «Assistenten» im Bereich der Seelsorge mitwirken können und nicht als Leiter. Genau um diesen Sachverhalt zu verschleiern, wurde, so Martin Grichting weiter, der zutreffende Begriff «Pastoralassistent» abgeschafft und durch den irreführenden Begriff «Gemeindeleiter» ersetzt. Dabei wird ignoriert, dass sich das Konzilsdekret «Lumen Gentium» in 88 Sätzen zur eigenständigen Sendung aller Laien in der Welt äussert, zu der sie nicht erst durch eine Beauftragung von Pfarrern oder Bischöfen befähigt sind, sondern kraft der Taufe und Firmung.
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Das Titelbild sagt viel aus über die Ursachen der Glaubenskrise.
Am obigen Artikel von Herrn Herzog überzeugt mich vor allem das von Martin Grichting betonte Engagement für den mündigen Laien, den es notabene zu allen Epochen des Katholizimus gegeben hat, zur Zeit der Reformation und Gegenreformation zum Beispiel den Humanisten Heinrich Loriti, genannt Glarean, zur Zeit des Kulturkampfes aber den Luzerner Rechtsgelehrten Philipp Anton von Segesser. Beide entwickelten indes als selbständig denkende Kultur-Katholiken eine Breite des Horizontes, so dass sie leider jeweils mit der Indizierung ihres Werkes bedroht wurden; Segesser, noch stark von Bischof Sailer beeinflusst, entrann derselben mit der Drohung, als Schweizer Katholikenführer sämtliche Ämter niederzulegen; bei Glarean liegt der bemerkenswerte Fall vor, dass sich Papst Pius V. in einem persönlichen Breve für die ungerechtfertigte Indizierung des u.a. bedeutendsten Schweizer Kirchenmusik-Schriftstellers aller Zeiten entschuldigte. Glarean blieb stets nach dem Katholizismus von Erasmus orientiert, dessen Hoffnungsträger bekanntlich der bedeutende holländische Kurzzeit-Papst Hadrian VI. war, dessen Versöhnungsversuch mit Zwingli leider zu spät erfolgte.