Auf der britischen Insel waren unter der römischen Herrschaft die ersten Menschen zum Christentum übergetreten, doch trennte die nachfolgenden angelsächsischen Invasionen ab dem 5. Jahrhundert die britische Kirche jahrhundertelang vom europäischen Christentum. In Cornwall, Wales und Schottland war das Christentum in Form der iroschottischen Kirche präsent, die sich inhaltlich von der römischen Kirche unterschied, in England herrschte das Heidentum vor.
Æthelberht I. († 616 oder 618) war König des angelsächsischen Königreichs Kent (England). Er heiratete 580 die christliche Tochter des Frankenkönigs Charibert I. und schloss damit ein Bündnis mit dem mächtigsten Staat des damaligen Westeuropas. Die Eheschliessung mit Bertha war an die Bedingung geknüpft, dass sie ihre Religion ausüben durfte. So brachte sie Bischof Liudhard als ihren Kaplan mit nach England. Æthelberht liess für Bertha eine ehemalige römische Kirche in der Nähe von Canterbury wieder aufbauen. Sie wurde dem heiligen Martin von Tours geweiht – dies vermutlich aufgrund der Tatsache, dass Bertha in der Nähe von Tours aufgewachsen und er einer der Hauptpatrone der fränkischen Königsfamilie war. Diese erste angelsächsische christliche Kirche steht heute noch. Sie ist von der UNESCO als die älteste Kirche im englischsprachigen Raum anerkannt, in der seit 580 ununterbrochen christliche Gottesdienste abgehalten wurden.
Æthelberht blieb zunächst Heide, hinderte aber Bertha wie versprochen nicht an der Ausübung ihres Glaubens. Ein möglicher Grund für sein formelles Festhalten am Heidentum kann darin bestanden haben, dass seine Bekehrung unter dem Einfluss des fränkischen Hofes als ausdrückliche Anerkennung der fränkischen Oberherrschaft über das Königreich Kent gewertet worden wäre.
Papst Gregor der Grosse hatte ein Interesse an der Re-Missionierung Englands und stand im Briefkontakt mit Bertha. Er verlangte von Bertha, ihren Mann zum Christentum zu bekehren und tadelte sie, weil sie dies scheinbar nicht tat.
Im Jahr 596 schickte der Papst den Prior des Klosters St. Andreas in Rom, Augustinus, als Missionar zur Wiederherstellung des Christentums nach England. Zuvor bat er Königin Bertha in einem Brief, das Herz ihres Mannes für dieses Werk zu öffnen. Die Historiker sind sich nicht einig, ob die Idee zu dieser Missionierung von Papst Gregor dem Grossen selbst stammte oder ob Æthelberht unter dem Einfluss seiner Frau den Papst um die Entsendung von Missionaren bat, wie dies ein Biograf schrieb.
597 landete eine Gruppe von fast vierzig Mönchen unter der Führung von Augustinus auf der Insel Thanet in Kent. Es war geplant, dass Augustinus weiterziehen sollte, doch der König nahm ihn aufgrund der Intervention seiner Frau Bertha wohlwollend auf. Er schenkte ihm Land und erlaubte den Missionaren zu predigen. So beschloss Augustinus zu bleiben. Damit war einer der Grundsteine des englischen Christentums gelegt.
Der Überlieferung nach soll Augustinus den König an Pfingsten 597 (andere Quellen geben 601 an) getauft haben, 10 000 Angelsachsen sollen innerhalb weniger Monate seinem Beispiel gefolgt sein.
König Æthelberht wies die Missionare an, neue Kirchen zu bauen und die alten Kirchen, welche die Christen zur Zeit der Römer benutzt hatten, wieder herzurichten.
Es ist nicht sicher überliefert, wie gross der Einfluss von Königin Bertha auf ihren Mann war. Sie war sicher eine sehr gebildete Frau: Papst Gregor der Grosse lobte sie in einem seiner Briefe für ihren Glauben und ihre Kenntnis der Schrift. Es heisst, dass sie inbrünstig für die Bekehrung ihres Mannes und des Volkes von Kent gebetet habe. Durch seine Taufe wurden Æthelberht und Bertha das erste christliche Königspaar des Landes. Bertha unterstützte den heiligen Augustinus aktiv in seinem Missionsauftrag und trug zur Gründung von Klöstern und Kirchen bei.
Der Königshof in Canterbury wurde zu einem Zentrum der christlichen Kultur und zog Gelehrte, Theologen und religiöse Führer an. Das Paar förderte die Bildung und setzte sich für die Verbreitung christlicher Grundsätze in seinem Königreich ein. Æthelberht legte Wert darauf, dass niemand zum christlichen Glauben gezwungen wurde; ihm war die Gewissensfreiheit wichtig.
Æthelberhts gewann politisch immer mehr Einfluss. Um 602/603 liess er – vermutlich unter der Mitwirkung von Augustinus – ein Gesetzbuch in der Volkssprache niederschreiben. Dabei integrierte er auch die Kirche ins angelsächsische Rechtssystem. Æthelberht I. gelang es, sowohl seinen Neffen Sæberht als auch den König von East Anglia, Rædwald, vom Christentum zu überzeugen. Er starb am 24. Februar 616 und wurde neben seiner Frau Bertha beigesetzt, die bereits früher (vermutlich im Jahr 612) gestorben war.
Obwohl Bertha von Kent von der Katholischen Kirche nicht offiziell heiliggesprochen wurde, wird sie aufgrund ihres vorbildlichen Lebens und ihres Beitrags zur Verbreitung des Christentums weithin als Heilige verehrt. Ihr Festtag wird am 1. Mai gefeiert.
Æthelberht wurde später wegen seiner Rolle bei der Einführung des Christentums unter den Angelsachsen als Heiliger betrachtet. Sein Festtag war ursprünglich der 24. Februar, wurde aber auf den 25. Februar verlegt. An diesem Tag verehrt ihn auch die orthodoxe Kirche als Heiligen.
Aus der Ehe von Æthelberht und Bertha gingen der Sohn Eadbald und die Tochter Æthelburg hervor. Der christlichen Legende nach soll auch Eadburh, Äbtissin von Liming, ihre Tochter gewesen sein. Æthelburg, die ebenfalls als Heilige verehrt wird, heiratete Edwin, den König von Deira (Northumbria). Dieser bekehrte sich zum Christentum und setzte sich für die Christianisierung seines Herrschaftsgebietes ein. Er starb als Märtyrer. Sein Gedenktag ist der 12. Oktober.
Wenn Bertha nicht Königin von Kent gewesen wäre und ihren Mann nicht davon hätte überzeugen können, den heiligen Augustinus und seine Missionare in Canterbury willkommen zu heissen, wäre die Welt heute vielleicht eine ganz andere. Die Unterstützung der Missionsarbeit durch das Königspaar war ausschlaggebend für die frühe Etablierung des lateinischen Christentums in England.
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