«Ihr seid das Salz der Erde. Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr, ausser weggeworfen und von den Leuten zertreten zu werden» (Mt 5,13).
Jesus sagt von sich selbst, dass er die Wahrheit ist und erklärte vor Pilatus, dass er in die Welt gekommen ist, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen (vgl. Joh 18,37) Seinen Jüngern verheisst er: «Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit einführen» (Joh 16,13).
So erklärt dann auch das Zweite Vatikanum, dass in der Kirche die Fülle der Wahrheit ist und «nach dem Willen Christi ist die Kirche Lehrerin der Wahrheit» («Dignitas humanae» 14).
In der heutigen Gesellschaft ist die Wahrheitsfrage umstritten. Einige erklären, dass die Wahrheit nicht erkannt werden kann (Deismus), andere leugnen den Glauben und die Wahrheit (Atheismus). Erkenntnistheoretisch herrscht heute der Relativismus vor, d. h. die Relativierung theologischer und philosophischer Wahrheiten und zugleich der Wahrheitsfähigkeit des Menschen. Gleichzeitig treten neue Ideologien auf, die «oft im Widerspruch zum von ihnen vertretenen Relativismus einen Wahrheitsanspruch stellen». Wir sind auf dem Weg zu einer neuen Diktatur.
Ein Glaube unter vielen
Dieser Relativismus ist auch in die Kirche eingedrungen – eine jahrhundertelange Entwicklung, die dann durch das Zweite Vatikanum beschleunigt wurde, so Dr. Ignaz Steinwender. Indem Jesus Christus bewusst zu «einem religiösen Genie unter anderen» relativiert wird, ist er nicht mehr der lebendige Gott, zu dem ich eine persönliche Beziehung haben kann. Dadurch wird die Kirche verdunkelt – sie ist eine unter anderen – und ihre übernatürliche Wirklichkeit relativiert. Damit werden aber auch ihre Glaubwürdigkeit, ihre Zeugniskraft und die Wirksamkeit der Kirche relativiert. «Man nimmt Brauchbares und Nützliches vom Glauben der Kirche an, sofern es einem einleuchtet oder dem eigenen Lebensstil nicht zuwiderläuft, aber es ist nicht mehr das Wort Gottes, das durch die Kirche die Herausforderung bildet, den Willen Gottes anzunehmen und zu tun.» Die Menschen haben keinen Grund, sich für den Glauben einzusetzen, keine Notwendigkeit zur Glaubensvertiefung.
In der logischen Konsequenz wird Mission durch den Dialog ersetzt, die Verkündigung durch unverbindliches Reden, das Apostolat verliert an Bedeutung. Die Sakramente werden konsumiert, aber nicht mehr gefeiert, nicht mehr daraus Kraft geschöpft. Priester werden zu Zeremonienmeister; sie sind nicht mehr Vermittler, sondern Funktionäre, die gewisse Bedürfnisse erfüllen sollen. Das Salz verliert seinen Geschmack.
Welches sind die Auswirkungen für die «Speise» (Gesellschaft), wenn das Salz seinen Geschmack verliert?
Die Demokratie verliert ihre Voraussetzungen, die sie sich nicht selbst geben kann, denn die Demokratie setzt eine Moral voraus, die Moral jedoch kommt vom lebendigen Glauben an die Wahrheit. Wenn Gott einer von vielen ist, ist auch die Moral beliebig. Die daraus folgende Ablehnung der Naturrechtlehre führt zu einem radikalen, willkürlichen Freiheitsdenken. Dies zeigte sich im Zusammenhang mit «Humanae vitae», in deren Diskussion selbst unter Bischöfen Uneinigkeit herrschte. «Man berief sich auf das Gewissen gegen die Lehre der Kirche und öffnete dadurch das Tor dafür, auch in anderen ethischen Fragen das autonome Gewissen gegen die Morallehre der Kirche setzen zu können.» Dr. Steinwender führt aus, dass durch die Mentalität der Verhütung die Mentalität der Abtreibung gefördert wurde und heute bereits von einem Recht auf Abtreibung gesprochen wird. «Dieser Dammbruch wird heute wirksam in der Frage der Euthanasie, Gentechnik, in der Auseinandersetzung mit der Genderideologie und LGBT.» Diese moralische Beliebigkeit hat zu einem Zerfall geführt. Das Salz hat seinen Geschmack verloren und wird von den Menschen zertreten.
Und was geschieht, wenn die Kirche sich selbst relativiert? Wenn ihr nicht mehr bewusst ist, dass sie die Fülle der Wahrheit besitzt und Lehrerin der Wahrheit ist?
Gemäss Dr. Ignaz Steinwender sind die Konsequenzen: Spaltungen, Verlust ihrer Wirkkraft, die Kirche kann leichter missbraucht werden für Ideologien, sie getraut sich nicht, in wichtigen Fragen die katholische Lehre zu vertreten, vermehrt Kirchenaustritte und schliesslich ihre Verfolgung, die in subtiler Form schon da ist.
Die Spaltungen sind heute offensichtlich. Lehramtstreue Priester und Gläubige haben einen schweren Stand. Man ist für alles offen, ausser für den sogenannten Rechtgläubigen in den eigenen Reihen. Dieser ist der neue Feind.
Eine Kirche, die ihren Geltungsanspruch nicht mehr aufrechterhält, verliert an Bedeutung. So getrauen sich heute kirchliche Vertreter oft nicht mehr, zu sogenannten heissen Eisen Stellung zu nehmen. Lieber äussern sie sich zu politischen Fragen, die eigentlich zu den autonomen Sachbereichen gehören wie z. B. den Klimaschutz. Hier lassen sie sich gemäss Dr. Steinwender benützen und «vor den Karren gewisser Strömungen spannen». Als Beispiel nennt er die österreichischen Bischöfe, die mehrfach Verständnis für die «Klimakleber» gezeigt haben, während ein Bischof zu einer Demonstration von Lebensschützern meinte, sie würden besser reden statt demonstrieren.
Eine weitere Wirkung des Geschmackverlust ist das Kreisen um sich selbst, die innerkirchliche Selbstfixierung, die sich besonders in endlosen Sitzungen und unzähligen Gremien zeigt. Der synodale Prozess steht aktuell in der Gefahr, dieser Gefahr der Selbstfixierung zu erliegen. Zudem sieht die Synodenversammlung die Wahrheit nicht mehr als Geschenk Gottes, sondern als ein Ergebnis eines Dialogprozesses.
Salz, das seinen Geschmack verliert, wird weggeworfen: Die Kirche verliert an Bedeutung, dient heute oft nur noch als «Servicestation» für bestimmte Anliegen, die Gläubigen treten aus, die Kirche verschwindet aus der Öffentlichkeit.
Doch Salz wird auch zertreten, aktuell von den eigenen Leuten durch die Zerschlagung von Strukturen, die über Jahrhunderte gewachsen sind. «Es wird im Innern der Kirche das Wesentliche eliminiert.»
Gibt es Rettung für die Kirche?
Kann man das Salz wieder schmackhaft machen?
Es leuchtet jedem ein, dass der Mensch schal gewordenes Salz nicht wieder salzig machen kann. Doch für Gott ist nichts unmöglich! Niemand kann die Kirche zerstören, solange wir Christus in den Mittelpunkt stellen. Denn er ist das Zentrum und der Stifter der Kirche. «Wenn wir alles von Gott erwarten, wenn er das Zentrum ist, dann ist die Kirche sein Werk, dann ist es seine Kirche, dann ist die Kirche nicht zerstörbar, weil der Herr selbst ihr Geschmack ist und ihr Geschmack verleiht.»
Es braucht die Umkehr zu Gott. Sowohl in der Liturgie als auch in der Lebensgestaltung muss Gott den Vorrang haben. Das Heil kommt nicht durch Strukturänderungen, sondern allein von Gott.
Die Umkehr bedeutet Gott und die Wahrheit wieder anzunehmen und somit auch an der Fähigkeit des Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit festzuhalten.
Die Wahrheit muss der Christ bekennen, weitergeben und verteidigen – und bereit sein, für die Wahrheit zu leiden. Der Kampf gehört zum Christsein: «Kämpfen um die Liebe, um eine lebendige Gottesbeziehung, um den Erwerb von Tugenden und um das Bestehen in Versuchungen.» Doch der Christ muss auch bereit sein, in weltanschaulichen Fragen mitzureden, sich für den Glauben, die Familie, den Lebensschutz usw. einzusetzen. Wer kämpft, stärkt seinen Glauben.
Der Christ, die Kirche soll ein Zeichen des Widerspruchs sein: «Weh, wenn euch alle Menschen loben» (Lk 6,26). Der Christ soll sich weder um Lob noch Tadel kümmern, sondern sich einzig vom Heiligen Geist leiten lassen.
Dabei soll er die Sakramente, das Wort Gottes, das Gebet, das Tugendstreben und die Sakramentalien als Kraftquellen neu entdecken, durch die Gott uns wieder salzig macht.
Dieser Kampf scheint bereits verloren, doch Christus hat schon gesiegt! Die Offenbarung berichtet vom ungleichen Kampf zwischen dem Drachen und der wehrlosen Frau. Dr. Steinweder zitiert hier Johannes Paul II., der im Schreiben «Ecclesia in Europa» dazu schreibt: «Der wirkliche Sieger aber wird das von der Frau geborene Kind sein. In diesem Kampf steht eines sicher fest: Der grosse Drache ist bereits besiegt.»
Wer kämpft, ist schon Sieger. «Bedrängnis bewirkt Geduld, Geduld aber Bewährung, Bewährung Hoffnung. Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen» (vgl. Röm 5,3f).
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Im Jahre 2005 sagte der verstorbene Papst Benedikt XVI: Es entsteht eine Diktatur des Relativismus, die nichts als endgültig anerkennt und als letztes Maß nur das eigene Ich und seine Gelüste gelten läßt. Wir haben jedoch ein anderes Maß: den Sohn Gottes, den wahren Menschen. Er ist das Maß des wahren Humanismus.
Heute relativiert man selbst in der Kirche sehr viel. Die Juden muss man nicht mehr missionieren, die Ökumene führt man nicht mehr so, dass die getrennten Brüder und Schwestern zur Arche der Kirche zurückkommen müssen, und eine universelle Brüderlichkeit ohne Taufe wird verkündet. Dort wo der Glaube klar und unverkürzt verkündet wird, dort sind die Kirchen voll, dort wo er relativiert wird sehen wir leere Kirchenbänke.