Teresa Mkytaryan, Mgs. Goossan Aljanian und ein Laie nach dem Gottesdienst. (Bild: Kathrin Benz)

Kirche Schweiz

Arme­ni­sche Kir­che grün­det Ver­ein im Tessin

Mit einem Got­tes­dienst fei­erte die armenisch-​apostolische Gemeinde im Tes­sin am Sonn­tag, 15. Juni, in der katho­li­schen Kir­che Pambio-​Noranco (Lugano) die Grün­dung eines Komi­tees der Arme­ni­schen Kir­che Tes­sin. Die Arme­nier sind die älteste christ­li­che Nation welt­weit und wer­den immer wie­der Opfer von Ver­fol­gun­gen und Geno­zi­den. Aktu­ell ist der Bergkarabach-​Konflikt von 2023 Thema in der Schwei­zer Regie­rung. Als Nach­bar­land des Iran steigt die Sorge der Arme­nier, wie­der in einen Krieg hin­ein­ge­ris­sen zu werden.

Armenien ist das älteste christliche Land der Welt und pflegt noch immer uralte Riten aus dem 4. Jahrhundert. Die «Heilige, Apostolische, Orthodoxe Kirche Armeniens» ist die älteste «eigenberechtigte» Kirche der Welt. Unmittelbar nach Christi Tod wurde die Region von den beiden Aposteln Judas Thaddäus und Bartholomäus missioniert, aber erst 301 (neuere Forschungen sprechen von 314, also nach der konstantinischen Wende) konnte der heilige Gregor der Erleuchter den armenischen König zum Christentum bekehren. Seither ist das Christentum Staatsreligion. Wie die anderen altorientalischen Kirchen spaltete sich die armenische Kirche anlässlich des Konzils von Chalcedon 451 ab, dessen Dogmen zur Zweinaturenlehre Christi sie nicht anerkannte.

Für den Nachmittags-Gottesdienst bei brütender Hitze in der katholischen Peterskirche in Lugano reiste der «Locum Tenens» der Diözese Schweiz, Mons. Pater Goossan Aljanian, aus Genf an. Er brachte schwere Kleider und eine Krone mit, wie es die Tradition will. Der Gottesdienst mit seinen orientalischen Melodien wurde von einem Vorsänger und den Zelebranten wie in den Ostkirchen üblich fast durchwegs gesungen, wobei der Bischof – übrigens ein ausgebildeter Tenor – die rund dreissig Besucher aufforderte mitzusingen. Aber das Kirchenvolk war zu schüchtern.

«Das Leben der Armenier ist vermutlich wie kein anderes Volk vom Glauben durchdrungen», erklärt Teresa Mkytaryan aus Lugano, die zu den Gründern des fünfköpfigen Komitees der Armenischen Kirche im Tessin gehört. Die Investmentbankerin lebt im Tessin, arbeitet in Zürich und reist mehrmals jährlich in ihre Heimat, wo sie unzählige humanitäre Projekte lanciert hat: «Im Westen wird den Menschen vorgegaukelt, dass jeder für sein eigenes Glück verantwortlich ist, dabei ist Individualismus in Wahrheit trügerisch und macht krank. Wir Armenier hingegen sind uns bewusst, dass der Mensch Beziehungen braucht, sowohl mit Gott als auch mit den anderen. Du machst mich glücklich, und ich mache dich glücklich. Nur in der Gemeinschaft funktioniert das Leben.»
 


Der Tessiner Verein will den Zusammenhalt unter den rund 200 Armeniern im Kanton stärken und den Familien helfen, ihren Glauben und ihre Kultur an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben. Eine starke Identität isoliere nicht, sondern schaffe im Gegenteil solide soziale Grundlagen, die allen zugutekommen, meinte Teresa Mkytaryan. «Echter Glaube macht uns für alle offen und färbt auch auf die Schweizer ab, mit denen wir zusammenleben. Er fasziniert, bringt die anderen zum Nachdenken und letztlich dazu, dass auch die Schweizer ihre eigene religiöse Tradition wiederentdecken.»

In der Schweiz leben nach Angaben von Mons. Aljanian zwischen 8000 und 10 000 Armenierinnen und Armenier, hauptsächlich in der Romandie, viele sind bereits nach der ersten Vertreibungswelle von 1915 gekommen. Bis 1992 unterstand die armenische Kirche der Schweiz einem Bischof in Paris, doch dann konstituierte sie sich als Diözese mit Hauptsitz in Troinex bei Genf, wo die Gläubigen ein eigenes Gotteshaus bauten. Das Oberhaupt ist der Katholikos-Patriarch von Etschmiadsin unweit der der armenischen Hauptstadt Jerewan.

Die politische Geschichte Armeniens ist von vielen grausamen Verfolgungen geprägt. 1915 ermordeten die Osmanen 1,5 Millionen Armenier, die sich weigerten, zum Islam überzutreten. Später kam das Land unter die Kontrolle der Sowjetunion. Die viel diskutierte Region Bergkarabach liegt im Osten Armeniens und gehört völkerrechtlich eigentlich zu Aserbaidschan, wurde aber hauptsächlich von christlichen Armeniern bewohnt. Nach der Auflösung der Sowjetunion erklärte die Region Bergkarabach (auch Arzach genannt) die Unabhängigkeit, die jedoch international nicht anerkannt wurde. Vielmehr griff Aserbaidschan Bergkarabach mehrfach an und eroberte es 2023 zurück. Alle rund 120 000 christlichen Bewohner wurden ausgehungert und vertrieben. Menschenrechtsorganisationen sprechen von einer «ethnischen Säuberung».

In Bern haben Ende Mai 2025 Parlamentarierinnen und Parlamentarier ein parteiübergreifendes Komitee gegründet, das eine Friedensinitiative für Bergkarabach fordert. Die Schweiz solle sich dafür einsetzen, dass die vertriebenen Armenierinnen und Armenier in ihre alte Heimat Bergkarabach zurückkehren könnten und dazu ein internationales Dialog-Forum ins Leben rufen. National- und Ständerat haben die Motion angenommen, der Bundesrat ist skeptisch und argumentiert, eine Friedenskonferenz zu organisieren ohne einen ausdrücklichen Antrag der Konfliktparteien könne kontraproduktiv sein.


Kathrin Benz


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