Der Montmartre («Hügel der Märtyrer») ist eine christliche Keimzelle von Paris: jener Hügel, wo der heilige Dionysius, Märtyrerbischof um 250, auf dem Richtplatz sein abgeschlagenes Haupt genommen und damit sechs Kilometer Richtung Norden gegangen sein soll. Wo er sich schliesslich niederlegte, erhebt sich heute die gotische Basilika Saint-Denis, Bischofskirche und Grablege französischer Könige. Auf dem Montmartre-Hügel liess die heilige Genoveva um 475 eine Kapelle zu Ehren von Dionysius bauen. Im 12. Jahrhundert entstand hier eine bedeutende Königsabtei der Benediktinerinnen, die 1794 in der Französischen Revolution zerstört wurde; die letzte Äbtissin endete auf dem Schafott.
Am 15. August 1534 hatte der heilige Ignatius von Loyola zusammen mit dem heiligen Franz-Xaver und weiteren Gefährten in der Krypta der Kirche die ersten Gelübde abgelegt – die Geburtsstunde des Jesuitenordens.
Montmartre behielt seinen dörflich-ländlichen Charakter, bis das von Städteplaner Georges-Eugène Haussmann (1809–1891) entfachte Baufieber die Armen von Paris zunehmend an die Stadtränder verdrängte. Die Nordseite des Montmartre mit dem sogenannten Maquis (Gestrüpp), mit seinen Höfen, Baracken und Elendsbehausungen wurde Rückzugs- und Wohnort für Diebe, Prostituierte und Kleinkriminelle.
Seit den 1880er-Jahren siedelten sich immer mehr Künstler der sogenannten Bohème hier an: Der Montmartre wird das legendäre Vergnügungsviertel von Paris.
Eucharistische Anbetung statt Absinth und Promiskuität
Dieses Klima von Absinth, Armut und Promiskuität barg ein starkes sozialrevolutionäres Potenzial. Im März 1871, nach der Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg, entzündete sich der Aufstand der Pariser Kommune gegen die Übergangsregierung just am Montmartre; rund 30 000 Tote gab es durch Gewalt oder Hinrichtungen. Auch danach blieb das Viertel eine Brutstätte linksextremer, vor allem marxistischer Ideologien.
Der neue Pariser Erzbischof Joseph Hippolyte Guibert sah in der militärischen Niederlage von 1871 eine Strafe Gottes für Frankreichs Sünden. Ab 1872 verfolgte er die Idee einer nationalen Sühnekirche, geweiht dem «heiligsten Herzen Jesu» (sacré coeur).
Erzbischof Guibert griff damit die Visionen der Salesianerin Margareta Maria Alacoque (1647–1690) auf. Vor ihrem Tod hatte die Ordensfrau den Sonnenkönig Ludwig XIV. gebeten, ganz Frankreich dem Herzen Jesu zu weihen und dafür in Paris eine Kirche zu errichten. Nun, 200 Jahre später, sollte dieser Auftrag mit der nationalen Sühnebasilika in Erfüllung gehen.
Der Gedanke einer «christlichen Rückgewinnung» des Märtyrerhügels wurde vom Parlament ausdrücklich unterstützt. Damals war noch nicht abzusehen, dass 1905 in Frankreich eine strikte Trennung von Staat und Kirche gesetzlich verankert werden würde.
Allerdings erwies sich der lehmige Untergrund als nicht tragfähig genug. Die Stabilisierung verschlang Unsummen. So musste zur Finanzierung des Bauprojekts der Pilgerbetrieb praktisch unmittelbar, das heisst 1876, beginnen; zunächst mit einer provisorischen Kapelle.
Kommentare und Antworten
Sei der Erste, der kommentiert