Wer sind Sie, woher kommen Sie?
1949 geboren, bin ich in Ramsen, das zum reformierten Kanton Schaffhausen gehört, aufgewachsen. Das Gebiet gehörte bis unter der Regierung von Kaiserin Maria Theresia zu Österreich. Maria Theresia legte bei der Übergabe an Zürich fest, dass die katholische Konfession erhalten und geschützt werden soll. Deshalb war unser Dorf geprägt von einer lebendigen, tiefen Volksfrömmigkeit mit viel kirchlicher Tradition. Das prägte meine Kinder- und Jugendzeit.
Zuerst erlernte ich bei der Firma +GF+ Schaffhausen den Beruf eines Maschinenzeichners. Stets kirchlich engagiert, spürte ich die Berufung, Priester zu werden. Der Weg war nicht einfach, aber das Ziel machte den Weg aus. Über Weiterbildungen und Berufsmatura begann ich schliesslich die theologische Ausbildung am Katechetischen Institut und an der Theologischen Fakultät in Luzern und setzte sie an der Theologischen Hochschule Chur fort. Anfangs 1979 wurde ich zum Diakon und am 19. Oktober desselben Jahres zum Priester geweiht. Meine Primiz durfte ich in der Heimat-Pfarrkirche St. Peter & Paul feiern, wo ich bereits getauft wurde und die hl. Firmung empfangen hatte.
Zunächst war ich Pfarrhelfer in der Pfarrei Alpnach und im Teilpensum auch mitarbeitend in Lungern. Meine erste Pfarrstelle im Bistum Chur war Altendorf SZ; es folgten Vals GR und zuletzt ebenfalls in Graubünden die Pfarrei Arosa. Bis zum 55. Lebensjahr war ich Feldprediger, Hauptmann der Schweizer Armee, als Seelsorger auf den Waffenplätzen in Thun und später in Chur. Als Mitglied des Päpstlichen Laienordens "Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem" diente ich während zwölf Jahren als Prior der Komturei Zürich im Rang eines Komturs. Nebenbei begleite ich alljährlich die Lourdes-Wallfahrt, dazu gelegentlich Wallfahrten zur hl. Rita und Pilgerreisen an Marienwallfahrtsorte in Bayern und Österreich. 3 Jahrzehnte war ich mitarbeitend bei der Monatsschrift "Rita Rosen". Da ich gerne schreibe, kamen auch ein paar wenige Bücher heraus: Ein Rita-Bildband 1989; eine Biographie des heiligmässigen Priesters Spiritual Hans Amstalden; ein Buch über das Kirchenjahr mit dem Titel "Wie ein Windrad - Statik und Dynamik im Kirchenjahr"; zuletzt eine Neufassung über die heilige Rita von Cascia (alle beim Paulus Verlag).
Was sind die Gründe, welche Sie bewogen, Priester zu werden?
Grundlegend für meine Berufungsgeschichte war das katholische Milieu, in das ich hineingewachsen bin. Besonders unsere Mutter vermittelte uns den Glauben sehr "locker"; locker, im Sinn von unverkrampft mit viel Freude am Glauben, an der Kirche. Dann hatte ich das Glück, einen sehr guten Priester zu erleben, der vier Jahrzehnte als unser Pfarrer segensreich wirkte, wofür er mit dem Titel eines Ehren-Domherrn ausgezeichnet wurde. (Mein Buch "Wie ein Windrad" über das Kirchenjahr ist eine Würdigung an diesen Priester, der uns das Kirchenjahr so eindrücklich und nachhaltig erleben und erfahren liess).
Ganz nah erlebte ich auch die verschiedenen Spirituale, welche im ansässigen Institut "Maria Hilf" in Ramsen-Wiesholz den priesterlichen Dienst versahen. Sie alle, P. Benedikt, P. Jakob, P. Adelrich - Mönche des Klosters Einsiedeln -, haben meinen Weg als gute Beichtväter begleitet. Auch die Kapuziner damals aus dem Kloster Wil, die häufig zur Aushilfe kamen, waren mir gute Vorbilder. Ausserdem beeindruckten mich die ehrwürdigen Schwestern aus der Kongregation des hl. Josef zu St. Trudpert im Schwarzwald, die in unserer Nachbarschaft das Altersheim führten und die ambulante Krankenpflege ausübten. Da erfuhr ich schon früh einen Zugang zum geistlichen Leben. Im dankbaren Rückblick darf ich sagen: Ich habe - im Gegensatz zum Missbrauchs-Geschrei unserer Tage - nur gute Erfahrungen gemacht mit Personen im geistlichen Stand.
Das waren die "horizontalen" Beweggründe, mich in die engere Nachfolge Christi zu wagen als Priesteramtskandidat. Ebenso wichtig waren die "vertikalen" Beweggründe, der Bezug zur glorreichen Kirche im Himmel. Wesentliche Wegweiser waren mir diesbezüglich die Heiligen. Die Mutter vermittelte uns eine tiefe Verehrung der Jungfrau und Gottesmutter Maria. Als ich als junger Erwachsener um die Berufung rang, begab ich mich gerne in die kleine Institutskirche "Maria Hilf" im Weiler Wiesholz. Wenn es die Zeit erlaubte, begab ich mich gerne über die "grüne Grenze" durch den Wald auf den Schienerberg (D). Dort, bei der "Schmerzensmutter von Schienen", fällte ich schliesslich den klaren Entscheid für den Priesterberuf. Auch die Verehrung des heiligen Bruder Klaus war mir seit der Schulzeit wichtig. In unserer Bauernstube hing ein grosses Portrait von Bruder Klaus, was schon früh mein Interesse weckte an diesem grossartigen Heiligen.
Der Beginn Ihres Theologiestudiums zu Beginn der 70-er Jahre stand im Zeichen nachkonziliarer Umbrüche und Verunsicherungen. Der damalige Regens des Priesterseminars St. Beat in Luzern gab den Seminaristen zu verstehen, am Ende ihres Studiums sei das Thema des Zölibats kein Thema mehr. Wie haben Sie persönlich diese Zeit erlebt?
Ja, das war eine spannungsgeladene Zeit für mich persönlich. Aus behütetem Elternhaus, wo Glaube und kirchliche Strukturen nie hinterfragt wurden, tauchte ich in eine ganz andere Welt ein von Hinterfragen, Veränderungen, Forderungen. Trotzdem, mein Glaube kam nicht ins Wanken, weil ich auch einige vorbildliche Priester kennenlernte, die als Dozenten auch Glaubensfreude und Berufserfüllung ausstrahlten. Unter ihnen begegnete ich auch meinem späteren Geistlichen Vater, durch den ich die heilige Rita kennenlernen durfte und zu ihrer Verehrung geführt wurde. Für mich war immer klar: Mit der Christus-Nachfolge als Priester ist ein zölibatäres Leben verbunden.
Sie sind Initiant und Organisator der nunmehr seit 30 Jahren stattfindenden Einsiedler Wallfahrt zu Ehren der heiligen Rita von Cascia. Die Resonanz über all die Jahre ist andauernd gross. Wie erklären Sie sich diese Erfolgsgeschichte?
Die Erklärung liefert die heilige Rita selbst als "Helferin in aussichtslosen Anliegen". Ihr schicksalsschweres Leben als Ehefrau, Mutter, Witwe berührt die Menschen. Viele geprüfte Frauen und Männer können sich mit der Heiligen aus Cascia identifizieren im Tragen ihres Kreuzes und erfahren nach wie vor Hilfe durch ihre Fürsprache. Ausserdem hat Papst Johannes Paul II. zum Millennium 2000, das zugleich 100-Jahr-Jubiläum der Heiligsprechung der seligen Rita von Cascia war, ihr den zusätzlichen Titel verliehen als "Heilige der Familien". Ich hatte das Glück, immer hervorragende Geistliche zu gewinnen für die alljährliche Rita-Feier in Einsiedeln, welche durch die würdige Feier des Festgottesdienstes und der Predigt begeistern konnten. Unter ihnen waren Erzbischof Wolfgang Haas (Bischofsweihe an einem St. Rita-Tag); Kurt Kardinal Koch (damals noch Bischof von Basel); der Schweizer Bischof in Rio de Janeiro, Dr. Karl Josef Romer; unser vormaliger Nuntius, Erzbischof Thomas Gullickson; der Erzabt von Beuron (D) Tutilo Burger OSB; der alt Bischof von Würzburg, Msgr. Friedhelm Hoffmann usw. und zuletzt der langjährige Sekretär von Papst Benedikt XVI., Erzbischof Dr. Georg Gänswein. Die prominente Besetzung hat beigetragen zur Resonanz: "Wir kommen wieder!" Es ging mir immer darum, gläubigen Menschen eine Wallfahrt wahrer, katholischer Glaubensfreude zu vermitteln, die mit gesunder Lebensfreude Hand in Hand geht.
Mit viel Herzblut führen Sie auch die Gedenkfeiern an den seligen Kaiser Karl und seine Gemahlin Zita durch. Was verbindet Sie mit diesem letzten Kaiserpaar der Habsburger Monarchie ganz besonders?
Während meiner Studienzeit in Chur lernte ich Kaiserin Zita kennen, Witwe des letzten Kaisers von Österreich und Königs von Ungarn. Ihre Majestät besuchte gelegentlich die Messfeiern in der Seminarkirche St. Luzi, sowie jeweils an Hochfesten auch das Pontifikalamt in der Kathedrale in Chur, wo wir Priesteramtskandidaten den Ministrantendienst bei Bischofs-Messen versahen. Aus dem - einst - habsburgischen Ramsen stammend, interessiert mich die Geschichte des Hauses Habsburg-Lothringen von Jugend an. Die letzte Kaiserin kennenzulernen, war ein grosses Geschenk der Vorsehung für mich. Ihr freundliches Wesen, ihre Bescheidenheit, ihre Wachsamkeit und Intelligenz beeindruckten mich. Eine Zeitzeugin der Vergangenheit mit enormem Wissen! Durch Kaiserin Zita lernte ich nicht nur nach und nach die ganze Familie (Töchter, Söhne, Schwiegertöchter und einige Enkel) kennen, sondern erfuhr auch Vieles aus dem Leben des Kaisers, den sie - noch fernab als Thronfolger - kennen und lieben gelernt hatte. Die gebürtige Prinzessin von Parma aus dem Hause der Bourbonen war eine tiefreligiöse Frau, ein Vorbild im Glauben und im Vertrauen auf Gott. Ich pflegte mit ihr den Kontakt ab 1974 bis ca. ein Jahr vor ihrem Tod (+1989) mit 97 Jahren.
Durch die letzte Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn wurde ich zum Verehrer von Kaiser Karl. Ich vertiefte mich in seine Biographie und lernte dadurch einen tiefgläubigen Katholiken kennen, der nichts anderes suchte als Frieden in Europa und die Bewahrung des Glaubens. Seine innige Herz-Jesu-Verehrung bestärkte mich in meiner persönlichen Spiritualität. Schon mehrmals habe ich sein Grab aufgesucht auf dem "Monte" in Funchal auf der Insel Madeira. Im April 2022 durfte ich am Triduum dabei sein und mitfeiern, als gut 150 Nachfahren des Kaiserpaares, Verwandte und Kaiser-Karl-Verehrer/-innen auf Madeira seines 100. Todestages gedachten. Kaiserin-Witwe Zita darf inzwischen als "Dienerin Gottes" verehrt und angerufen werden. Ihr Seligsprechungsprozess ist vorangeschritten. So wird sichtbar, was der junge Erzherzog Karl seiner Braut Prinzessin Zita am Tag vor der Hochzeit versprochen hat: "Von nun an werden wir uns gegenseitig helfen, in den Himmel zu kommen!" Aus dieser Perspektive des Ehesakramentes legte Johannes Paul II. den 21. Oktober als liturgischen Gedenktag fest mit der Vision, an diesem Tag irgendwann ein seliges (oder gar heiliges) Ehepaar verehren zu dürfen. Meine persönliche Freude: Der 21. Oktober ist auch mein Primiztag (1979).
Was motiviert Sie generell zu Ihrem unermüdlichen Einsatz? Warum sind Sie gerne katholischer Priester?
Grundsätzlich die Freude am Glauben und die ungebrochene Bindung an die Kirche. Es gibt nichts Schöneres, als Jesus Christus zu verkünden in der Feier der heiligen Messe im Dienst am Wort und am Sakrament. Mein Primizspruch von damals lautet: "Auf dein Wort hin, Herr!" Auf sein Wort hin (an Petrus) wage ich, trotz meiner menschlichen Fehler und Schwächen, Christus zu bezeugen und ihn unter die Menschen zu bringen, soweit es meine Möglichkeiten zulassen. Die eigentliche Motivation liegt in einem geregelten geistlichen Leben durch die Feier der heiligen Messe; durch das treue Verrichten des Stundengebetes; Vertiefung in die Heilige Schrift und weitere geistliche Lesungen; die Anbetung vor dem Allerheiligsten; das Gebet des Rosenkranzes und nicht zuletzt durch den regelmässigen Empfang des Busssakramentes in der persönlichen Beichte. Spiritualität motiviert mich, weiterzugeben, zu teilen, was ich im aus dem Reichtum unserer Glaubenswelt selbst empfangen darf. Kurz "Dem Gottesdienst nichts vorziehen!" gemäss der Regel des heiligen Benedikt von Nursia. Zusammen mit dem heiligen Augustinus ist Ordensvater Benedikt mein geistlicher Begleiter.
Ja, ich bin gerne katholischer Priester. Ich liebe die Kirche wie sie ist, wie ich sie von Kindheit an erfahren habe. Erneuerung sehe ich nicht im Einreissen von Strukturen und Abschaffen von gesunden Traditionen. Erneuerung braucht die Kirche immer. Doch diese beginnt im eigenen Herzen und nicht mit utopischen Forderungen und Ansprüchen. Da halte ich es mit der heiligen Mutter Teresa von Kalkutta. Als sie gefragt wurde, wo sie mit Änderungen und Erneuerungen beginnen würde, wenn sie Papst wäre, antwortete die bescheidene Ordensfrau aus Albanien: "Bei mir selbst!"
Ich bin nach wie vor gerne Priester, auch wenn es durchaus schwere, leidensvolle Wegstrecken gab. Anfeindungen, ja Verleumdungen blieben nicht aus. Doch in dieser Situation kam das Wort des Bischofs bei der Priesterweihe zum Tragen: "...und stelle dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes!" Unter dem Kreuz stehend, an der Stelle des Johannes und nahe bei der Mutter Maria, bekam ich die Kraft zum Verzeihen. Wie der Herr vom Kreuz her sprach: "Vergib ihnen, den sie wissen nicht was sie tun!"
Ungebrochen gerne Priester zu sein, trotz mancher Enttäuschungen, ist ein Geschenk, eine Gabe des Himmels. Gabe ist immer auch Aufgabe! So danke ich der Allerhöchsten Dreifaltigkeit für das Geschenk der Berufung. Ich freue mich über jeden Tag, wo ich priesterliche Dienste in verschiedenen Pfarreien übernehmen darf. Der Reichtum unserer katholischen Liturgie und vieler Andachtsformen nährt meine Freude am Priesterberuf. Deshalb gebe ich mit Glaubensfreude, die gepaart ist mit Lebensfreude, gerne weiter, was ich täglich neu empfangen darf! Ich scheue mich nicht, junge Menschen auf die Möglichkeit der engeren Nachfolge Christi im Priester- und/oder im Ordensstand hinzuweisen, wenn ich eine Eignung, Neigung, Berufung zu spüren glaube. Einfach aus Freude und Dankbarkeit über den eigenen Weg!
Auf Dein Wort hin, Herr, will ich die Netze noch einmal auswerfen (Lk 5,5)
In unserer Sommerserie 'Warum ich gern katholisch bin' spricht Bernhard Schneider über seinen Weg zum Priestertum sowie seine enge Beziehung zum Kaiserpaar Zita und Karl und der heiligen Rita von Cascia.
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