Louise Jaques (Bild: Public domain, da Wikimedia Commons)

Weltkirche

Auf dem Weg zur Selig­spre­chung von Schwes­ter Maria von der Hei­ligs­ten Drei­fal­tig­keit OSC

Am 29. Novem­ber 2024, am Fest Aller­hei­li­gen des Sera­phi­schen Ordens, hat der latei­ni­sche Patri­arch von Jeru­sa­lem, Pier­bat­tista Piz­za­balla OFM den Pro­zess zur Selig­spre­chung von Schwes­ter Maria von der Hei­ligs­ten Drei­fal­tig­keit OSC (Louise Jaques) eröff­net. Mehr als 80 Jahre nach ihrem Tod am 25. Juni 1942 im Kla­ris­sen­klos­ter in Jerusalem.

Das ausserordentlich interessante Leben von Louise Jaques begann am 26. April 1901 in Pretoria, Südafrika. Sie kam als viertes Kind eines Schweizer Ehepaares zur Welt. Drei Geschwister gingen ihrer Geburt voraus, ein Bruder und zwei Schwestern. Vater Numa war Pastor der reformierten Missionsgesellschaft «Mission Suisse de l’Afrique du Sud», die Mutter Elisa war vom gleichen Missionsgeist geprägt. Kurz nach Louisas Geburt starb ihre erst 36-jährige Mutter. Deren leibliche Schwester Alice übernahm die Erziehung der vier Halbwaisen. Nach dem Ende des Burenkrieges kehrte die Familie in die Schweiz zurück, wo sie in Morges am Genfersee ihren Wohnsitz nahm. Louise, seit ihrer Geburt in jeder Hinsicht sehr zart besaitet, litt unter chronischer Bronchitis und Asthma.

Auf der Suche
Das aufgeweckte und intelligente Mädchen wollte gerne studieren, doch wegen ihrer angeschlagenen Gesundheit nahm sie die Stelle einer Sekretärin an. Ihre schwächliche Konstitution holte sie auch da ein: drohende Tuberkulose. Die Achtzehnjährige musste zur Kur in den Höhenort Leysin im Kanton Waadt. Der siebenmonatige Aufenthalt war für sie eine wichtige Zeit. Hier lernte sie sehr viele Menschen kennen, unter anderen auch die Ärztin und Mystikerin Adrienne von Speyer, mit der sie eine starke Seelenverwandtschaft verband. Beide waren auf der intensiven Suche nach Gott, beide waren protestantisch. Später schrieb Adrienne von Speyer über diese Begegnung[1]:

«Diese Konferenzen wurden ganz eigenartige Stunden, unvergessliche Marksteine in meiner Existenz […] Die Zuhörer waren Arbeiterinnen, junge Krankenpflegerinnen und einige Studenten. Eine von ihnen war Louise Jaques. Sie war ungefähr 20 Jahre alt. Sie hatte grosse schwarze Augen, eine schlanke Gestalt, feine weisse Hände, eine etwas verschleierte Stimme. Sie begleitete mich nach Hause nach dem zweiten oder dritten Vortrag. Dort blieb sie bei mir, da ich mich niederlegen musste. ‹Du wirst mich noch dazu bringen, katholisch zu werden›, sagte Louise im Augenblick des Abschiednehmens. ‹Wieso das?› – ‹Gehorsam und Freiheit begegnen sich in der Einheit, wie du das darstellst – nur in Gott und in seiner Kirche.› Später wagte Louisa das Abenteuer; sie wurde katholisch.»
Adrienne von Speyer wurde später wie Louise Jaques ebenfalls katholisch.

Nach dem Kuraufenthalt arbeitete Louise erneut als Sekretärin, erlitt aber bald darauf einen Blutsturz, der sie wiederum für zwei Jahre zur Tuberkulosekur zwang.
Zur selben Zeit lernte sie einen verheirateten Arzt kennen und lieben. Sie trafen einander regelmässig. Louise beschloss nach einer bestimmten Zeit, diese Beziehung abzubrechen. Einige Monate darauf starb der junge Arzt. Louise machte sich deshalb grosse Vorwürfe und glaubte, indirekt am Tode ihres geliebten Freundes schuldig zu sein. Sie fühlte sich von dem Moment an von allen, selbst von Gott verlassen. Sie vertraute ihr Leid nur ihrer Freundin Bluette von Blairville an: «Ich hätte nie gedacht, dass ich ihn in Verzweiflung hätte stürzen können. Seine Liebe gab mir Leben. Warum war die meinige mit so schlimmen Folgen verbunden?»
 


Der Weg nach Hause
Am 13. Februar 1936 besuchte sie ihre Freundin Bluette in La-Chaux-de-Fonds und verbrachte eine Nacht bei ihr. Später schrieb Louise über das entscheidende Ereignis dieser Nacht:

«‹Es gibt keinen Gott› […] die Nacht war noch nicht ganz dunkel, weil draussen Schnee lag. Ach, ich kannte die Not der Verzweiflung: sterben, sterben […]Und da, im Augenblick, als ich mir wiederholte: ‹Es gibt keinen Gott›, sah ich durchs Fenster, wie wenn es eine Glastüre wäre, eine Erscheinung eintreten, rasch, geräuschlos […] Und schon befand sie sich in geringer Entfernung von meinem Bett, ohne es zu berühren. Sie hatte lange Ärmel gekreuzt. Das Gesicht konnte ich nicht sehen. Es schien mir, als hätte sie eine Kapuze über den Kopf gezogen, etwas, das ich nie gesehen hatte. Sie hatte wohl einfach den Schleier herunterfallen lassen. Sie war gross und schlank […] Es schien mir, als hätte sie einen einfachen Strick als Gürtel. Sie war ohne Mantel. Ihr Kleid, das gradlinig hinabfiel, schien mir dunkelbraun […].»

P. Alain Duboin OFM schrieb in der französischen Ausgabe ihrer Biographie dazu:
«Diese Erscheinung ist kein Traum. Louise besteht auf diesem Punkte. Sie ereignete sich, als sie wach war. War es wohl eine Wirkung des Unterbewusstseins? Was könnte man angeben als Stütze für diese Vermutung? Diese nächtliche Person erhört kein Gebet, sie bewirkt einen Einbruch in ihr Leben und widerspricht selbst der Tiefe ihres Denkens. Auch ist sie unfähig, sie zu identifizieren, und versucht es auch gar nicht. Sie hat wie eine ‹Ordensperson› ausgesehen in einem Gewande, das sie nicht kennt, das sie aber wiederzuerkennen glaubt im Kleid der Klarissen. Die Erscheinung bringt keine Botschaft, sie spricht nicht. Nach dem Schrecken des ersten Augenblickes erahnt Louise in der Erscheinung eine wohlwollende Beschützerin, die herbeigeeilt ist, um über sie zu wachen. Der Eindruck ist schliesslich nicht eine Verwirrung, sondern Friede.»

Fortan hatte Louise die Gewissheit, dass sie eines Tages in ein Kloster eintreten werde. Das war allerdings noch ein langer, ein dornenvoller Weg.

Nach gut zwei Jahren Kuraufenthalt fand Louise 1925 eine Stelle als Erzieherin in Mailand. Sie hatte hier viel Zeit für sich. So besuchte sie verschiedenste Kirchen der Stadt und kam auf diese Weise mit der katholischen Glaubenswelt in Berührung. Immer mehr hatte sie das Verlangen nach der heiligen Kommunion. Diese zu empfangen liess ihr keine Ruhe. Nun hörte sie, dass es üblich sei, vor der Kommunion zu beichten. Sie tat dies. Der Beichtvater spürte ihre Sehnsucht und schickte sie zu einer Ordensschwester zum Konvertitenunterricht.
Am 18. März 1928 empfing Louise überglücklich die Taufe, Kommunion und die Firmung. «Jesus ist in mein Leben eingetreten», sagte Louise nach dem erstmaligen Empfang des heiligen Leibes Christi. Kurz danach konvertierte auch ihre beste Freundin Bluette von Blairville.

Ihre Angehörigen waren schmerzlich berührt, als sie erfuhren, dass Louise katholisch geworden ist. Noch schmerzhafter war für sie ihr Wunsch, in ein Kloster einzutreten.
 


Beschwerlicher Weg
Für Louise begann ein besonders schwieriger Weg. Wo, in welchem Kloster wollte Gott sie haben? Die «Schwestern von der Himmelfahrt Mariens» nahmen sie nicht auf, weil sie erst konvertiert hatte; die «Schwestern vom Guten Hirten» forderten eine zu grosse Mitgift. Bei den «Franziskanerinnen von Ägypten» konnte sie zwar eintreten, wurde aber nach einem halben Jahr aus gesundheitlichen Gründen entlassen. Der Eintritt bei den «Franziskanerinnen vom Kinde Jesu» scheiterte am Arztzeugnis.

Bei einem weiteren Erholungsaufenthalt in Neuchâtel lernte sie die Gesellschaft der «Töchter des Herzens Mariae» kennen, eine aktive Ordensgemeinschaft, die vor allem im Schuldienst tätig ist. Hier trat nun Louise am 22. Februar 1931 mit grosser Freude ins Postulat ein. In dieser Zeit konnte sie das Lehrerdiplom erwerben. Obwohl sie ihre Sehnsucht nach einem kontemplativen Orden nie losliess, legte sie 1935 ihre einfachen Gelübde ab und erhielt den Ordensnamen Schwester Monika Katharina vom Guten Hirten. Mit grosser Hingabe widmete sie sich nun dem Schulunterricht der Kleinen. Leider erschien auch hier wieder ihr Bluthusten. Mit einem Gewicht von nur 41 Kilo schwer wurde sie nach Leysin zur Erholung gesandt. Nach Neuchâtel zurückgekehrt, schien es ihr immer mehr, dass Gott sie nicht für einen aktiven Orden berufen hatte. Ihr geistlicher Begleiter bestätigte es. Mit seiner Unterstützung fand sie dann ein Klarissenkloster in Evian am Genfersee in Frankreich.

Am 1. September 1936 trat sie in dieses Kloster ein. Das war für sie kein leichter Schritt, denn sie liebte ihre ehemaligen Mitschwestern. Ihnen hatte sie auch viel zu verdanken. Doch sie sagte sich: «Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen!»
Das Leben der Klarissen in Evian war äusserst streng. Dazu kam, dass die Nahrung sehr karg und das Kloster im Winter kaum geheizt war. Das war für ihre angeschlagene Gesundheit alles andere als förderlich. Im April 1937 wurde sie denn auch mit fadenscheinigen Gründen entlassen: Gesundheit lässt zu wünschen übrig, zu selbstständig, kein besonders guter Geist …

Mit diesem Klosterausschluss brach in ihr eine Welt zusammen. Nach Exerzitien nahm sie wieder eine Arbeit als Erzieherin an. Danach ging sie für einen längeren Urlaub ins Tirol und Südtirol. Auch hier suchte sie ihr «Klosterglück» vergebens. Absagen über Absagen.

Jetzt war für Louise der Augenblick gekommen, zu den Eltern (der Vater hatte wieder geheiratet) nach Südafrika zu reisen. Dort arbeitete sie bei jüdischen Familien als Gouvernante. Sie schaute sich in dieser Zeit nach einem Karmelitinnenkloster um, den Mut zum Eintritt fand sie allerdings nicht mehr. Nun wollte die Enttäuschte eine Pilgerfahrt ins Heilige Land unternehmen. Jerusalem wurde ihr letztes irdisches Reiseziel!

Endlich am Ziel
Bereits am zweiten Tag ihres Aufenthaltes in Jerusalem ging Louise zu den Klarissen. Von diesem Kloster wusste sie eigentlich nicht sehr viel, ausser dass Charles de Foucauld hier gelebt hatte.

Am 24. Juni 1938 am Fest des Herzens Jesu kniete die junge Schweizerin vor dem ausgesetzten Allerheiligsten in der Klosterkapelle. Da klopfte ihr jemand auf die Schultern. Es war Sr. Angela: «Wollen sie Klarissin werden? Wollen Sie mit der Ehrwürdigen Mutter sprechen?» – «Ja, sehr gern», war ihre Antwort.

Acht Tage später trat Louise ein und begann das Postulat als Klarissin. Der Geist dieses Klosters war ein ganz anderer als in Evian. Trotz ihrer schwachen Gesundheit befolgte sie täglich mit grosser Hingabe die Tagesordnung der Gemeinschaft. Nach der damaligen Tradition des Klarissenordens stand sie für die Matutin jede Nacht auf. Das Kloster war sehr arm. Da gab es absolut keinen Komfort. Im Haus hatte es kein fliessendes Wasser; jede Schwester holte sich der Reihe nach das Wasser mit der Handpumpe aus der Zisterne im Innenhof. Von Heizung kann auch keine Rede sein, obwohl es im Winter in Jerusalem bei 800 Meter über Meer manchmal bitterkalt sein kann. All das hatte wenig mit klösterlicher Romantik zu tun.

In der Gemeinschaft lebten damals ungefähr zwanzig Nonnen mittleren Alters. Der grösste Teil von ihnen war an harte Handarbeit gewohnt. Schwester Maria von der Heiligsten Dreifaltigkeit – wie Louise nun hiess – versuchte mitzuhalten, so gut sie nur konnte. Da sie aber in praktischen Arbeiten eher ungeschickt war, fiel ihr das nicht immer leicht. Sie blieb aber ruhig und geduldig.
 


Nun konnte sie endlich das leben, was sie sich schon lange ersehnt hatte. Hier hörte sie in ihrem Innern immer wieder die Stimme des Herrn und erhielt von ihm Wegweisung. Das Wesentliche zeichnete sie auf und legte es ihrem Beichtvater und geistlichen Begleiter, dem belgischen Franziskaner Silverius van den Broek OFM vor. Ihr bescheidenes und verborgenes Leben wäre wohl ganz unbekannt geblieben, wenn er ihr nicht verordnet hätte, ihr Leben und ihre inneren Eingaben aufzuzeichnen.

So begann Sr. Maria im Januar 1940 in einem kleinen Heft die inneren Worte des Herrn zu notieren. 14 Abschnitte waren es im Jahre 1940. Im darauffolgenden waren es mehr als 180, und im Sterbejahr, das nur ein halbes Jahr dauerte, waren es bereits 480.

Mit diesen Aufzeichnungen hat sie uns ein wertvolles Dokument ihrer tiefen Geistigkeit hinterlassen. Dadurch fanden und finden nicht wenig Menschen im Kloster und in der Welt geistliche Nahrung. Sie beschreibt darin ihren Berufungsweg und ihre Offenbarungen Jesu.

Hören auf den Herrn
Sie befand sich in ihrem verborgenen Klosterleben in einem ständigen Hören. Hier lag der Schlüssel ihres Lebens: im Hören und Handeln, im «Schema Israel». Dazu schrieb Hans Urs von Balthasar im Vorwort der Ausgabe ihrer Biographie von 2020:

«Ihr fundamentales Thema ist das des ‹Inneren Hörens› auf die Stimme des Herrn. Dieses Hören ist ein zentraler Akt der christlichen und biblischen Kontemplation […] Gott spricht in sanfter Weise […] Er kann auch, wie es in den Heften von Sr. Maria von der Heiligsten Dreifaltigkeit gesagt ist, ohne Klang der Stimme sprechen, im Schweigen, und doch versteht die Seele, was Gott sagen will […] Die geistliche Intensität jedoch, mit der diese Stimme ertönt, lässt unser Ohr aufmerken, sicherlich nicht nach aussen, sondern zu unserem eigenen Inneren, wo sie auf dieselbe Weise spricht.»

Sr. Maria von der Heiligsten Dreifaltigkeit befand sich in ihrem kurzen, aber intensiven Klosterleben in einem ständigen Hören: Hören auf Gottes Stimme in seinem Wort, in der Eucharistie, in den Mitmenschen, in ihrem eigenen Herzen.
In ihrem einfachen klösterlichen Alltag war Sr. Maria eifrig bestrebt, den Willen Gottes herauszuhören und ihn auch zu tun. Davon sind ihre Tagebuchaufzeichnungen ein Beweis. Ihre Aszese und ihre Frömmigkeit blieben stets vernunftgeleitet. Durch das Mitwirken der Gnade Gottes überwand die Dienerin Gottes mehr und mehr verschiedenste Hindernisse in ihrer Seele und schuf so weiten Raum und Möglichkeit für eine wachsende Fülle des Lebens und des Wirken Gottes. Ihre Aufzeichnungen sind dafür ein wertvolles Dokument. Sie geben Klosterleuten und Laien Bestätigung ihrer christlichen Berufung in der heutigen Welt.

3. Aufzeichnung
«Meine kleine Braut, mache Mir zum Geschenk: jedes überflüssige Wort, das du verschweigst, jeden Gegenstand, der nicht unentbehrlich ist, auf den du jedoch verzichtest, obwohl er erlaubt wäre, jede Müdigkeit und jedes Leiden, das die anderen nicht ahnen und das du verbirgst, um mir deine Liebe zu beweisen, und weil Ich so sehr deiner Gaben bedarf!»

Nach ihrer ersten Profess am 29. August 1940 (5. Aufzeichnung)
«Du bist Mein; – du bist ganz Mein […] Geh nicht fort. Bleibe bei Mir, in Mir, Ich verlasse dich nie. Ich habe so lange auf dich gewartet.
Die einzige Wirklichkeit ist: Ich liebe dich und Ich behüte dich. Für jetzt und ewig. Alles andere muss man mit Sanftmut und Geduld ertragen. Es sind nur flüchtige Bilder, die an dir vorüberziehen. Aber Ich bleibe. Ich liebe dich und Ich behüte dich.»

Sr. Maria war sich selbst gegenüber sehr kritisch. Ja, sie zweifelte oft daran, dass diese innere Stimme wirklich von Jesus komme. Ihr geistlicher Begleiter zweifelte aber nicht daran. Ja, er machte ihr Mut, auf diese Stimme zu lauschen und ihr zu folgen.

Die Opferseele
Am Schluss der jährlichen Exerzitien erhielt sie am 8. Dezember 1941 von ihrer Äbtissin die Erlaubnis, das «Gelübde der Opferseele» abzulegen. Gerade dieses Gelübde könnte bei uns Heutigen Widerstand wecken. Dazu meint Hans Urs von Balthasar in seinem Vorwort:

«Gegen Ende der Hefte wird immer drängender auf ein ‹voeu de victime› (Opfergelübde) hingewiesen als auf das, was der Herr vor allem wünscht. Und zwar, wie an einer Stelle ausdrücklich gesagt wird, nicht allein in kontemplativen Klöstern, sondern in allen Ständen, mitten in der Welt. Der Begriff ‹Opferseele› macht uns misstrauisch. Betrachtet man näher, was in diesen Heften damit gemeint ist, so kann unser Misstrauen schwinden. Es geht nicht um die freiwillige Übernahme eines Höchstmasses an sühnendem Leiden, sondern an einem Höchstmass an Bereitschaft und Widerstandslosigkeit für alle Verfügungen Gottes. Der Mensch gelobt nicht (wie es zuweilen geschah), immer das Vollkommenere zu tun, sondern immer – (wie das Jawort Marias es meinte) –geschehen zu lassen, was Gott will, und was natürlich das Vollkommenste ist.»

Immer wieder wurde Sr. Maria von ihrer gebrechlichen Natur eingeholt. Wie sie damit umging, zeigt, dass sie eine wahrhafte Schülerin des heiligen Franz und der heiligen Klara war: kein Jammern, kein Hadern.

Am 17. Juni 1942 musste sie erneut das Bett hüten. Sie sprach vom baldigen Tode. In ihrem Tagebuch schrieb sie zum letzten Mal: [Jesus, der zu ihr spricht:] «Ich kann dich heilen, sobald Ich will, wenn Ich es will; aber Ich habe dich gerufen, willst du?» Ihre Antwort: «Ja, mein Herr Jesus, ja!»

Am 25. Juni hatte sie eine schwere Nacht. Die Schwestern riefen ihren Beichtvater, der ihr die Sterbesakramente spendete. Bei vollem Bewusstsein empfing sie diese und diktierte zwei kurze Briefe, einen an ihren Vater, den anderen an ihre Schwester Alice. Ihr «Transitus»[2] war ohne jeglichen Todeskampf.


«Selig, die im Frieden alles leiden, von dir o Höchster werden sie gekrönt.» Diese Worte ihres Ordensgründers Franziskus haben sich an ihr in besonderer Weise bewahrheitet. Sie starb um 14.30 Uhr. «Ja, mein Herr Jesus, ja!» Ihr Leben in der Verborgenheit des Klosters zu Jerusalem war wahrhaft im Leiden und Opfern ein stellvertretendes Sein für all die vielen Menschen, die Christus und seine Kirche noch nicht kennen. Ihr Leben und Sterben war ein Ganzopfer für die Rückkehr aller Christen zur Einen Kirche. Ihr Leben war wie ein Weizenkorn. Nun in die Erde gelegt, wird es zu seiner Zeit Frucht bringen.

 

JESUS - HÖRT IHN! Sr. Maria von der Heiligsten Dreifaltigkeit OSC – Jerusalem 1938–1942 – Autobiographie und Aufzeichnungen. Herausgegeben von P. Gottfried Egger OFM und Jeanne F. Sartoretti mit einem Vorwort von Hans Urs von Balthasar. FE-Medienverlag Kisslegg 2021. 496 Seiten, mit 16-seitigem Farbbildteil, ISBN 978-3-86357-323-2. Link

Die Autobiographie und die Aufzeichnungen von Sr. Maria von der Heiligsten Dreifaltigkeit aus dem Französischen übersetzt ist zum Teil in mehreren Auflagen in die italienische, flämische, englische, ungarische, japanische und arabische Sprache übersetzt worden. Die deutschen Auflagen erfolgten 1951, 1957 und 1978 durch P. Fidelis Butter OFM.
Das Buch erhielt die kirchliche Druckerlaubnis durch den bischöflichen Administrator von Chur, Bischof Peter Bürcher, und durch den Ordensoberen der Franziskaner der Schweiz 2020.

 

 


[1] Adrienne von Speyer, «Aus meinem Leben», Johannes-Verlag Einsiedeln, 2. Aufl. 1984, 164.
[2] Transitus meint: Hinübergang, Heimgang in den Himmel. In der franziskanischen Familie wird am Sterbetag der heiligen Franziskus und Klara dieser Transitus feierlich begangen.


P. Gottfried Egger OFM


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