St. Ursenkathedrale in Solothurn. (Bild: Bild JoachimKohlerBremen, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons)

Kommentar

Bas­ler Bis­tums­kon­kor­dat: Neu­ver­hand­lung oder Kündigung?

Das Bas­ler Bis­tums­kon­kor­dat ist aus der Zeit gefal­len, stammt es doch aus dem Jahre 1828. Nun ist die Zeit gekom­men, den Revi­si­ons­be­darf auszuloten.

Aufgrund der baldigen Bischofswahl im Bistum St. Gallen ist das Bistumskonkordat immer wieder Thema in den Medien. Bekanntermassen beruht das St. Galler Verfahren auf einer Mischung aus päpstlicher Bulle, nicht ratifiziertem Bistumskonkordat sowie – vom Vatikan bestrittenem – Gewohnheitsrecht.

Im grössten Bistum der Schweiz, dem Bistum Basel, ist die Sachlage ähnlich, wenn auch wohl noch kritischer: Hier wurde das Bistumskonkordat von beiden Seiten ratifiziert und es kommt ihm unbestrittenermassen völkerrechtliche Gültigkeit zu. Nicht erst seit Erscheinen der Missbrauchsstudie kommt es von politischer Seite immer wieder zur kritischen Auseinandersetzung mit diesem Konkordat. Doch warum verteidigt es die (landes)kirchliche Seite so vehement? Hierfür müssen wir ein wenig in der Geschichte der Schweiz zurückblättern.

Im Verlaufe des 19. Jahrhunderts kam es innerhalb der katholischen Stände zu heftigen Kulturkämpfen zwischen dem papstfeindlichen Freisinn und den papstfreundlichen Ultramontanen. Aufhebung von Klöstern und des Fürstbistums Basels, Absetzung des Bischofs Eugene Lachat sowie Gründung der serbelnden Christkatholischen Kirche sind nur einige wesentliche Beispiele aus diesem lang anhaltenden Konflikt.

Inmitten dieses Kulturkampfes wurde – wohl auch auf Druck der katholischen Bevölkerung – das Bistum Basel 1828 durch ein Konkordat zwischen den Kantonsregierungen und dem Heiligen Stuhl errichtet. Dabei musste der Heilige Stuhl den freisinnigen Regierungen umfangreiche Zugeständnisse machen, sicherte sich aber im Gegenzug die Finanzierung des Bischofs und seiner Domherren. Pro memoria: Durch die Auflösung des Fürstbistums Basel im Jahre 1802 waren der Kirche sämtliche Vermögenswerte entzogen worden!

Wesentliche Merkmale dieses Konkordates sind:

  • Festlegung der territorialen und personalen Struktur des Bistums;
  • Festlegung der bischöflichen Residenz;
  • Festlegung der Konstitution des Domkapitels;
  • Festlegung des Bischofswahlrechts durch das Domkapitel;
  • Festlegung der Gründung eines Priesterseminars in Solothurn, weitere Neugründungen nur durch Zustimmung der Kantonsregierungen;
  • Regelung und Begrenzung der Finanzierung von Bischof, Domkapitel & Priesterseminar durch die Kantone;
  • Festlegung des Ablaufes des Wahlverfahrens der Domherren: Mitspracherecht der Kantonsregierungen durch Streichung nicht genehmer Kandidaten (maximal drei von sechs Kandidaten);
  • Festlegung des passiven Wahlrechtes für die Domherren: Beispielsweise muss der neue Domherr bereits mindestens vier Jahre im Herkunftskanton gewirkt haben. Ferner muss der neue Bischof ein Domherr des Bistums sein. Der Kandidat muss zwingend ein Weltpriester sein (Ordensangehöriger wären somit dem Wortlaut nach nicht wählbar);
  • Festlegung eines vom neugewählten Bischof zu leistenden Eids an die Kantonsregierungen (wurde später auf ein Versprechen reduziert);

Obwohl das Konkordat kein Wahlverfahren und keine Wahlvoraussetzungen für die Bischofswahl vorsieht, berufen sich die Kantone (inklusive Landeskirche) nach wie vor auf die ergänzende Regelung im sogenannten «Langenthal-Luzerner Gesamtvertrag», welcher im Jahre 1828 ohne Mitwirkung und Wissen der päpstlichen Kurie zwischen den damaligen Diözesanständen abgeschlossen wurde und eine entsprechende Anwendungsregel vorsieht: Der zukünftige Bischof muss aus dem Diözesanklerus stammen und den Kantonsregierungen genehm sein.

Die hier staatsvertraglich festgelegten Punkte greifen massiv in verschiedene Grundrechte (u. a. Glaubens- und Gewissensfreiheit, Wirtschaftsfreiheit, Vereinigungsfreiheit, Niederlassungsfreiheit) der betroffenen Katholiken ein und sind auch nicht mit den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils vereinbar. Ferner ist die Anzahl der Katholiken im Bistum von Basel seit Jahren im Sinken begriffen und die neue Schweizer Bundesverfassung kennt keinerlei Einschränkungen mehr, was die Katholische Kirche betrifft.

Bisher hat der Heilige Stuhl solche Konkordate stillschweigend toleriert. Interessanterweise stammen die Rufe zur Kündigung fast ausschliesslich von Vertretern der linken Parteienlandschaft, also dem Spektrum, welches dieses die Freiheit der Kirche beschneidende Konkordat weltanschaulich gesehen eher begrüssen müsste. Ob dies mit der Verkennung der juristischen Situation oder der blossen Reduktion auf die Frage der Finanzierung zu tun hat, muss an dieser Stelle leider offenbleiben.

Auf (landes-)kirchlicher Seite existiert nach wie vor kaum Kritik an diesem Konkordat. Im Gegenteil: Sämtliche Rufe aus der Politik nach einer Abschaffung wurden von kirchlichen Vertretern zurückgewiesen. Aus weltkirchlichen Sicht müsste dies verwundern: Warum sollen sich kirchliche Amts- und Würdenträger für die Beibehaltung eines überwiegend kirchenfeindlichen Konkordats einsetzen? Im Gegensatz zu den Konkordaten, die in Deutschland und Österreich im 20. Jahrhundert abgeschlossen wurden, garantiert das vorliegende Konkordat der Katholischen Kirche kaum Privilegien, die beispielsweise dem (im Bistum Basel nicht vorhandenen) kirchlichen Schulwesen oder dem kirchlichen Arbeitsrecht zu Gute kommen würden.

Die Antwort ist relativ einfach: Das Konkordat garantiert primär, dass es dem Papst unmöglich gemacht wird, frei über die Ernennung eines neuen Bischofs entscheiden zu können. Ferner garantiert das Konkordat der Landeskirche das Privileg, das Bistum zu finanzieren. Dies deswegen, da die Kantone mittlerweile das Bistum nicht mehr direkt, sondern über das Konstrukt der parakirchlichen Landeskirche finanzieren. Weder die Domherren noch Bischof noch Organe der Landeskirche haben ein wirkliches Interesse daran, dass sich an diesem Zustand etwas ändert, da sie sowohl aus finanzieller wie auch aus weltanschaulicher Sicht von diesem Konkordat enorm profitieren.

Neuverhandlung oder Kündigung?
Nun stellt sich aber die Frage, wie denn vorzugehen wäre, sollte eines Tages doch auf einer der beiden Seiten die Absicht vorhanden sein, das Konkordat neu zu verhandeln oder gar aufzukündigen.

Das vorliegende Konkordat enthält keine Kündigungsklausel, womit davon ausgegangen werden kann, dass die Vertragsparteien das Konkordat auf unbestimmte Zeit schliessen wollten. Eine einseitige (Teil-)Kündigung ist somit im Prinzip ausgeschlossen, sofern beide Konkordatsparteien ihren Teil ordnungsgemäss erfüllen. Es bestünde aber die Möglichkeit zu prüfen, ob durch den völkerrechtlich anerkannten Rechtsgrundsatz «clausula rebus sic stantibus» ein Anspruch besteht, das Konkordat in Gänze oder in Teilen neu zu verhandeln oder – sofern diese Verhandlungen ergebnislos verlaufen – es aufzukündigen.

Ein solcher Vorgang wäre zulässig, wenn sich die Ausgangslage seit dem Abschluss des Konkordates wesentlich verändert hat, dies für die Vertragsparteien beim Abschluss nicht vorhersehbar war, es wesentliche Umstände betrifft und das Ausmass der sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen aufgrund der Veränderung wesentlich umgestaltet wird. Eine Anwendung dieses Rechtsgrundsatzes ist nicht anwendbar auf Abkommen, die geographische Grenzen festlegen oder wenn die Änderung durch eine Vertragspartei völkerrechtswidrig (z. B. durch einen Angriffskrieg) herbeigeführt wurde.

Ob diese Voraussetzungen beim Bistumskonkordat vorliegen, müsste durch versierte Staatsrechtler vertieft geprüft werden. Es liegen aber Anhaltspunkte vor, welche das Vorliegen der Voraussetzungen eher bejahen: So verzichtete die Luzerner Kantonsregierung kürzlich auf einen Grossteil der ihr zustehenden Pfarrwahlrechte, da diese nicht mehr zeitgemäss seien. Ferner wurde vom Recht der Streichung eines Kandidaten durch die Kantonsregierungen bei der letzten Bischofswahl keinen Gebrauch gemacht. Auch herrscht mittlerweile in verschiedenen kantonalen Parlamenten ein fraktionsübergreifender Konsens, dass das Bistumskonkordat aus der Zeit gefallen sei. Auf der anderen Seite verzichtet die Katholische Kirche spätestens seit dem letzten Konzil auf weltliche Machtansprüche jeglicher Art und anerkennt ausdrücklich die Existenz von Menschenrechten und hierbei insbesondere die Glaubensfreiheit.

Es wäre in der Praxis auch schwer vorstellbar, was eine Kantonsregierung oder ein Kantonsparlament im Falle eines kirchlichen Verstosses gegen das Konkordat juristisch unternehmen könnte: Bei allen ihren Handlungen müssten sie verhältnismässig agieren und die Grundrechte respektieren, ferner muss ein öffentliches Interesse an einer Grundrechtseinschränkung vorhanden sein. Auf der anderen Seite könnte sich das Bistum bei einem Verstoss auf Seiten der Kantone, abgesehen von diplomatischem und öffentlichem Protest, kaum juristisch wehren, da das Konkordat keine entsprechenden Rechtsfolgen vorsieht und der Vatikan auch nicht Mitglied des «Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge» ist. Es könnte sich aber – gestützt auf die Grundrechte – jederzeitig organisatorisch und finanziell emanzipieren.

Das Konkordat könnte hingegen jederzeit in gegenseitigem Einvernehmen neu ausgehandelt oder aufgelöst werden. Dies würde dem Grundsatz «Una sancta catholica et apostolica ecclesia» zu Gute kommen, denn es ist aus weltkirchlicher Sicht stossend, dass wesentliche Grundsätze der Katholischen Kirche – wie beispielsweise die Freiheit der Bischofswahl – im Bistum Basel nicht zum Tragen kommen.

Folglich verkommt das Bistumskonkordat zu einem zahnlosen Tiger, das primär nur noch dazu dient, dem diözesanen und landeskirchlichen Kader – ungestört von Rom – seine Pfründen zu sichern. Aus Sicht von katholischen Gläubigen wäre es zu begrüssen, wenn das Konkordat insofern neu verhandelt würde, als dass die einschränkenden Bestimmungen entfallen würden. Damit wäre das Bistum Basel wieder im Einklang mit der Weltkirche.
 

Gastkommentare spiegeln die Auffassungen ihrer Autorinnen und Autoren wider.


Alexander Schmid

BSc in Wirtschaftsrecht und Vorstandsmitglied des Vereins «Vera fides».


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Bemerkungen :

  • user
    Stefan Fleischer 20.09.2024 um 07:47

    Ob ein im "Einklang mit der Weltkirche" von der modernen "Kirche Schweiz" überhaupt gewünscht wird oder ob in den Hinterköpfen nicht vielmehr eine von Rom unabhängige Kirche herum schwirrt, das ist die Frage.