Priester Oscar Tassé. (Bild: Niklaus Herzog/swiss-cath.ch)

Weltkirche

«Bil­dung ist Sünde»

Boko Haram: Die­sen Begriff haben wohl die meis­ten von uns schon gehört, seine Bedeu­tung dürfte aber nur weni­gen bewusst sein: «Bil­dung ist Sünde» – das heisst Boko Haram auf Deutsch übersetzt.

Im Rahmen der vom Hilfswerk «Kirche in Not» unlängst durchgeführten «RedWeek» (Rote Woche) kam auch Bischof Bruno Ateba aus Kamerun in die Schweiz zu Besuch. Er gehört der Gemeinschaft der Pallottiner an und wurde 2014 von Papst Franziskus zum Bischof der Diözese Maroua-Mokolo im Norden Kameruns ernannt, also genau dort, wo der Terror der islamistischen Organisation Boko Haram besonders intensiv wütet. Vertreibung, Hungersnöte und Krankheiten sind zwangsläufig die Folgen der Strategie von Boko Haram, die alles, was auch nur entfernt mit europäischer Kultur zu tun hat, besonders aber das Christentum, ausrotten will.

Szenenwechsel: Der aus Kamerun stammende, in der Pfarrei St. Laurentius in Wülflingen-Winterthur wirkende Priester Oscar Tassé sitzt mir nur kurz nach dem WM-Fussballmatch Schweiz – Kamerun in seinem Arbeitszimmer gegenüber. «Kamerun hat zwar das Spiel mit 0:1 verloren, aber», so hält er mit einem verschmitzten Lächeln fest, «trotzdem gewonnen, denn das Siegestor hat ein waschechter Kameruner geschossen: Breel Embolo.» Diesem Argument kann ich schwerlich widersprechen. «Die Jugend im Landesinnern von Kamerun», so ergänzt Oscar Tassé, «ist genauso fussballverrückt wie in Europa; ja, der Sport ist geradezu zu einer Art Ersatzreligion geworden. Die Buben spielen barfuss überall, wo es nur irgendwie geht, basteln sich die Fussbälle aus Stoffresten selbst. Auch auf ihren T-Shirts haben sie die gleichen Nummern wie in Europa: jene von Eto, Messi und Rinaldo.»

Zurück zur Realität an den Landesgrenzen Kameruns – und damit zur Frage, weshalb es so schwierig ist, die Terrororganisation Boko Haram wirksam zu bekämpfen. Oscar Tassé: «Kamerun ist elf Mal so gross wie die Schweiz. Boko Haram gehört zur Ethnie der ‘Peuhl’ mit eigener Sprache, die länderübergreifend vor allem in den Grenzregionen der Länder Kamerun, Tschad, Nigeria und der Zentralafrikanischen Republik ansässig ist. Die Grenze zwischen diesen Ländern zieht sich über Hunderte von Kilometern hin und verläuft weitgehend durch Dschungelgebiet, was die Abwehr terroristischer Angriffe massiv erschwert. Werden Boko Haram-Plünderer von Regierungstruppen zurückgeschlagen, ziehen sie sich in nigerianisches Gebiet zurück – und umgekehrt. Boko Haram praktiziert einen militanten, fundamentalistischen Islam, der die Scharia wortwörtlich umsetzen will. Arabisch ist die einzige Sprache, die gelernt werden darf. Mädchen wird die Bildung komplett verweigert. Weil alles, was westlich oder vermeintlich westlich ist, des Teufels ist, werden auch Spitäler und Schulen systematisch zerstört. Mit Vorliebe entführt Boko Haram Europäer, weil sie diesen besonders hohe Lösegelder abpressen und so ihren Krieg finanzieren können.»

Für die Zukunft ist Priester Oscar Tassé gleichwohl vorsichtig optimistisch, denn viele Dörfer beginnen nun, ihre Verteidigung selbst zu organisieren, bauen sie gleichsam zu Wehrburgen um. Womit können wir Europäer die leidgeprüfte Bevölkerung in Kamerun am besten unterstützen? Dazu Priester Oscar Tassé: «Die wirkungsvollste Unterstützung leisten kirchliche Hilfswerke, weil sie in aller Regel am wenigsten korruptionsanfällig sind.»

 

In der Pfarrei St. Laurentius in Wülflingen-Winterthur hat das Hilfswerk «Kirche in Not» im Kirchenraum eine Ausstellung zum Thema «Weltweit verfolgte Christinnen und Christen» organisiert. Die Ausstellung dauert noch bis zum 27. November 2022.


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

E-Mail

Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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