(Bild: freestocks/Unsplash)

Mit spitzer Feder

Bischof Bon­ne­main kriegt Geschenke

«Friede den Men­schen auf Erden»: So heisst es an zen­tra­ler Stelle in der bib­li­schen Bot­schaft zu Weih­nach­ten. Und aus­ge­rech­net in die­ser Zeit hat ein bis vor weni­gen Jah­ren in der Schweiz unge­bräuch­li­ches, aus dem gros­sen Kan­ton über­ge­schwapp­tes Wort gera­dezu Hochkonjunktur.

Als ich mich vor Weihnachten in der Orell-Füssli-Buchhandlung an der Zürcher Bahnhofstrasse nach einem passenden Geschenk umsehe, drängelt ein Mann an mir vorbei direkt zur Verkäuferin: «Ich krieg ein Buch!». Letztere reagiert ob dieser ultimativen Forderung sichtlich verdutzt. «Mona kriegt ein Baby» heisst ein bekannter Film des holländischen Regisseurs Ben Verbong. Ab so viel «Kriegerei» will natürlich auch Zeitgeistsurfer Bischof Joseph Maria Bonnemain nicht hintanstehen. Auf die Frage vom «SonntagsBlick» am 25. Dezember 2022: «Geben Sie privat Geschenke?» antwortet der Gottesmann: «Sehr wenige. Und ich kriege auch nicht viele Geschenke.»
Ich gestehe: Gerade angesichts des realen Krieges mitten in Europa geht mir der fast inflationäre Gebrauch dieses Begriffs wider den Strich, ja sollte eigentlich zum Unwort des Jahres 2022 erklärt werden. Denn von Schicksalsschlägen, Naturkatastrophen und eben auch Kriegen sind unzählige Menschen ganz real betroffen – mit all dem damit verbundenen Leid. Da sollten wir nicht für alltägliche Verrichtungen auch noch unsere Sprache mit diesem Begriff martialisch aufladen. Wie die Sprachphilosophie erkannt hat, ist ja Sprache nicht einfach ein Medium, um unsere Gedanken und Gefühle auszudrücken. Sprache prägt vielmehr ganz wesentlich auch unser Bewusstsein, das sich wiederum auf unser Verhalten auswirkt.
Deshalb: Kehren wir wieder zu unserem vertrauten Wort «bekommen» zurück – tönt und ist doch viel friedlicher und angenehmer. Und ich bin überzeugt: Auch im nächsten Jahr wird Bischof Bonnemain zwar nicht viele, so doch wieder einige Geschenke kriegen, pardon bekommen.


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

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Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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Bemerkungen :

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    Martin Meier 30.12.2022 um 13:35
    Wenn dieser kleine sprachliche Ausrutscher - so es denn überhaupt einer ist - alles wäre, was einen in Bezug auf unsern Bischof stutzig machen könnte, wären wir gut bedient.
    • user
      Heinz Meier 02.01.2023 um 19:06
      Natürlich gibt es immer gute Gründe, einem Priester oder Bischof ( oder Papst) seine Fehler vorzuhalten. Die Öffentlichkeit ist als erster Schritt dafür meistens wenig geeignet, siehe dazu die „Gemeinderegel“ Mt 18,15ff oder die „goldene Regel“ Mt 7,12. Es ist kein gutes Zeugnis für christliche Gemeinschaft, seinen Unmut primär und dominierend medial vor sich herzutragen. Die Kirchenkolumnisten übergehen dabei die „camere caritatis“ nicht ohne eigenen Schaden zu nehmen.
  • user
    Heinz Meier 30.12.2022 um 10:32
    Über die Kriterien, welche hier zur „Spitzen Feder“ führten, kann man nur mutmassen. Denn „kriegen“ ist hochdeutsch gebräuchlich für „bekommen, erhalten“ und hat mit bekriegen nur den Wortstamm gemein. Die Ironie in der „spitzen Feder“ kann darum eher nachvollziehen, wer eine mögliche Antipathie zum erwähnten Bischof teilt.
    • user
      Nicole Büchel 30.12.2022 um 11:37
      Gut reflektiert, Herr Meier. Der Kommentar sagt mehr über den Kommentator als ihm vielleicht lieb ist.
      • user
        Heinz Meier 30.12.2022 um 13:08
        Die Wahrheit hat noch nie jemandem geschadet. Aber es gilt auch:“Nur die Wahrheit verletzt“, (Georges Bernanos). Dieses Risiko trägt jeder Schreibende.
  • user
    Ferdi22 27.12.2022 um 22:43
    "kriegen" gilt als umgangssprachlich, aus dem mittelhochdeutschen "bekriegen", "erkriegen" in die Gegenwart gekommen; "bekommen" hat einen positiven Grundklang, man sagt ja auch von einer guten Sache, sie sei "bekömmlich". Krawalljournalismus ist unbekömmlich. "Ein Kind bekommen" und ein "Kind (be)kriegen" zeigt im Unterschied den Widersinn! Danke für diesen Artikel mit feiner Ironie!