Der Begriff Synodalität ist heutzutage ein Lieblingswort kirchlicher Exponenten geworden. So gehört die Synodalität für den Bischof von Basel, Felix Gmür, zur DNA der Kirche.[1] Auf der anderen Seite gibt es Bischöfe, Priester und Theologen, die glauben, der Begriff untergrabe die Autorität der Amtsträger. Persönlich gehöre ich weder zu der Gruppe, die nun alle Hoffnungen auf synodale Prozesse setzt, noch zu der Seite, die im Bestreben, Synodalität zu erreichen, eine Gefahr für die Kirche verortet. In 2000 Jahren Kirchengeschichte gab es immer eine Zusammenarbeit und einen Austausch zwischen Klerus und Laien. Es gehört gerade zum Wesen des Katholizismus – daher ist hier Bischof Felix zuzustimmen – dass es durch den Zölibat keine Priesterklasse gibt, die abgehoben vom Rest der Bevölkerung die Geschicke der Kirche bestimmt. Jeder Priester, jeder Bischof und jeder Papst wird in eine Familie von Nicht-Klerikern hineingeboren, ist in seinem Leben auf Laien angewiesen und steht daher in regem Kontakt mit der Welt. Diejenigen, welche den Zölibat so bekämpfen, sollten sich daher überlegen, welche Folgen seine Abschaffung gerade für den Wunsch hätte, eine synodale Kirche zu verwirklichen.
Man kann es als eine seit der Aufklärung grassierende abendländische Krankheit bezeichnen, dass jeder gesellschaftliche Zustand vor allem nach dem Grad der Institutionalisierung beurteilt wird. Dieses Weltbild führt dazu, dass man der Monarchie des Mittelalters und der frühen Neuzeit sowie allen gegenwärtigen Systemen, die nicht Demokratien westlichen Zuschnitts sind, eine Alleinherrschaft unterstellt, während man im eigenen politischen System eine Volksherrschaft verwirklicht sieht. Dass die Katholische Kirche durch diese Betrachtungsweise Zielscheibe der Kritik wird, ist selbstverständlich.
Das Kirchenrecht gibt dem Papst und den Bischöfen eine scheinbar uneingeschränkte Machtfülle. Die Frage, inwiefern dieser gegenwärtige Blick auf Macht ein Trugbild darstellt, soll nicht Gegenstand dieses Artikels sein. Es sollte aber reflektiert werden, ob die Katholische Kirche mit dem Zölibat, der die Herausbildung einer vererbbaren Priesterklasse verunmöglicht, sowie dem obersten Rechtsgrundsatz, welches das Heil der Seelen zum wichtigsten Ziel des kirchlichen Handelns erklärt, bessere Voraussetzungen für eine echte Volksherrschaft aufweist als viele moderne Verfassungsstaaten.
Pfarreirat als Inbegriff der Synodalität
Wenn wir uns jedoch diese auf Institutionen fixierte Sichtweise zu eigen machen, tritt ein Paradox zutage, welches in der Diskussion rund um den synodalen Prozess nicht thematisiert wird. Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, sondern haben in der Ortskirche bereits eine Institution, welche die Synodalität verkörpert: Den Pfarreirat. Die Pfarreiräte wurden aufgrund der Beschlüsse des Zweiten Vatikanums gebildet, das die Beteiligung der Laien an der Sendung der Kirche fördern wollte. Der frühere Basler Bischof Anton Hänggi hat die Aufgaben dieses Gremiums wie folgt umschrieben:[2]
«Der Pfarreirat steht im Dienst der Seelsorge. Er berät und unterstützt die in der Seelsorge stehenden Priester und Laien. Er wirkt initiativ an der Erfüllung der Pfarreiaufgaben mit und ist verantwortlich für die Ausführung seiner eigenen Beschlüsse.
Während der Kirchgemeinderat (Kirchenpflege, Kirchenvorsteherschaft, Kirchenrat) für die finanziellen und administrativen Grundlagen einer zeitgemässen Pastoration besorgt ist, kommt dem Pfarreirat eine spezifisch pastorale Aufgabe zu. Bei Entscheiden, welche die Seelsorge betreffen, soll sich der Kirchgemeinderat auf die Erfahrungen und Kenntnisse des Pfarreirates stützen; der Pfarreirat wiederum soll auf die finanziellen Möglichkeiten der Kirchgemeinde Rücksicht nehmen. Gegenseitige Information und Zusammenarbeit sind daher unerlässlich.
Die Mitglieder des Pfarreirates stehen im Dienst der Meinungsbildung in der Pfarrei. Sie haben daher die Aufgabe, Anregungen und Wünsche seitens der Pfarreiangehörigen zur Sprache zu bringen. Andererseits haben sie die Pfarreiangehörigen über die Belange der Pfarrei und die Arbeit des Pfarreirates zu informieren.»
Wenn es Bischof Felix und anderen Verantwortungsträgern der Kirche ernst ist mit der Aussage, dass die Synodalität zur DNA der Kirche gehöre, dann müsste sich dies in der Förderung und Stärkung der Pfarreiräte zeigen. Als Laie, der zehn Jahre lang in einem Pfarreirat gewirkt hat, ist mir seit längerem aufgefallen, wie dieses Gremium in den Pfarreiblättern und sonstigen kirchlichen Medien immer mehr von der Bildfläche verschwindet. Für diesen Artikel habe ich für meinen Heimatskanton einen Synodalität-Check gemacht, indem ich die Webseiten aller Pfarreien bzw. Kirchenzentren auf der Suche nach einem Pfarreirat durchforstet habe. Der historisch durch den Kulturkampf geprägte Kanton Aargau scheint mir für das Bistum Basel sehr repräsentativ zu sein, da er fast einen Fünftel der Katholiken des Bistums Basel umfasst und Bischof Felix Aarau zweimal als Ort wählte, um über seine Erfahrungen mit dem Synodalen Prozess zu berichten.
Ergebnisse der Untersuchung
Die Ergebnisse der Untersuchung sind jedoch mehr als ernüchternd. In den 24 bestehenden Pastoralräumen gibt es 118 Pfarreien bzw. Kirchenzentren, von denen nur 40 einen Pfarreirat haben (teilweise haben zwei Pfarreien bzw. Kirchenzentren einen gemeinsamen Pfarreirat). Dies entspricht einer Quote von nur 34 Prozent. Betrachtet man die Pastoralräume als Ganzes, so lässt sich nur bei 7 (29 Prozent) eine wirkliche Pfarreiratskultur ausmachen, bei der die Mehrheit oder zumindest die Hälfte der Pfarreien einen Pfarreirat besitzen. Noch schlimmer steht es um die Pastoralraumräte, die pfarreiübergreifenden Pfarreiräte in den Pastoralräumen. Nur drei Pastoralräume weisen einen solchen auf, wobei nur im Pastoralraum Aare-Rhein ein Pastoralraumrat besteht, der sich nicht mehrheitlich aus Angestellten der Pfarreien rekrutiert. Die Aussage von Bischof Felix, die Synodalität gehöre zur DNA der Kirche, steht zumindest im Kanton Aargau im krassen Widerspruch zur pastoralen Realität. Auch die Personalpolitik von Bischof Felix lässt nicht den Schluss zu, dass ihm die Synodalität sehr wichtig ist. In der ehemaligen Wirkungsstätte des von Bischof Felix ernannten Weihbischofs Josef Stübi sieht es äusserst trist aus, was die Pfarreiräte anbelangt. Auf der Homepage der Kirchgemeinde Baden-Ennetbaden wird ein einziger Pfarreirat aufgeführt, derjenige von Rütihof (Stadtteil von Baden, der bis in die 60er-Jahre ein eigenes Dorf war). Ansonsten ergibt sich folgendes Fazit
Baden-Zentrum: Bis auf Weiteres sistiert
Dättwil: Aufgelöst
Ennetbaden: Aufgelöst per 31.12.2016
Mariawil (Kappelerhof): Aufgelöst per 31.12.2024
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Der PfarreiRAT eine lokale Verkörperung echter, im Sinn und Geist der Weltsynode geforderter, Synodalität? Von wegen! Pfarreiräte sind überholt! Denn getaufte und gefirmte Christinnen und Christen, Laiinnen und Laien, sind nicht berufen, nur zu RATEN und zu BERATEN, sondern sich aktiv zu beteiligen am Aufbau des Reiches Gottes, das Leben in einer Pfarrei aktiv mitzugestalten, indem sie mitBESTIMMEN und mitENTSCHEIDEN
Kurt Bucher, Wallisellen
«Da riefen die Zwölf die ganze Schar der Jünger zusammen und erklärten: «Es ist nicht recht, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen und uns dem Dienst an den Tischen widmen. Brüder, wählt aus eurer Mitte sieben Männer von gutem Ruf und voll Geist und Weisheit; ihnen werden wir diese Aufgabe übertragen. Wir aber wollen beim Gebet und beim Dienst am Wort bleiben.» (Apg 6,2-4)
Zu Deutsch: Es ist nicht recht, wenn die Kirche ihre ganze Kraft für eine bessere Welt hier und jetzt einsetzen und dabei die Sorge um das ewige Heil des Menschen vernachlässigt. Ihr Auftrag ist die Verkündigung der frohen Botschaft von der Erlösung aus Sünde und Schuld durch unseren Herrn Jesus Christus. Je mehr Menschen aus diesem Glauben heraus leben und sich erlösen lassen, desto mehr wird sich auch der Zustand unserer Welt verbessern.
«Wir aber wollen beim Gebet und beim Dienst am Wort bleiben.» muss auch für unsere heutige Kirche wieder gelten.
Und das schlimmste, man fragte bei alledem viel zu wenig nach Gottes Willen.
Damit wären wir bei der Hauptursache des aktuellen Zustandes, den Paradigmenwechsel von gottzentriert zu menschzentriert.