Es gibt noch viele offene Wunden in der Gesellschaft, berichtet der bosnische Priester Šimo Maršić. Ein tiefes Misstrauen herrscht oftmals zwischen den muslimischen Bosniaken, katholischen Kroaten und orthodoxen Serben, und es ist schwierig, durch die religiösen Feindseligkeiten hindurch zueinander zu finden. In diesem Prozess spielt die Katholische Kirche eine wichtige Rolle im Land, erzählt Šimo Maršić. Sie versucht, die alten Wunden zu heilen und die Menschen unabhängig des religiösen Bekenntnisses zusammenzubringen. So entstand 2016 mitten in Sarajewo das Jugendzentrum «Johannes Paul II.», das allen Volksgruppen offensteht. «Wir sind froh», erklärt Šimo Maršić, der im Zentrum wirkt, «damit einen Ort für interkulturelle Begegnung, Bildung und geistige Entwicklung für junge Menschen anbieten zu können und hoffen, damit langfristig zum Erhalt des Friedens in unserem Land beitragen zu können.»

Jugendliche im Zentrum Johannes Paul II. (Bilder: «Kirche in Not (ACN)»)
Bosnien und Herzegowina – Aufbruch in die Zukunft
Die Bilder des belagerten, zerbombten und von Brutalität heimgesuchten Sarajewo haben sich in das Geschichtsbewusstsein Europas eingebrannt. Auch dreissig Jahre nach dem Bürgerkrieg ist die Lage in Bosnien und Herzegowina angespannt.

Ein Land im Übergang
Bosnien und Herzegowina ist ein Land mit vielen Problemen, Fragen und Herausforderungen, so Maršić. Man befinde sich noch immer im Übergangsprozess vom Kommunismus zur Demokratie. Er nimmt im Land eine grosse Perspektivlosigkeit wahr. Der Krieg hat ein tiefes Misstrauen zwischen den verschiedenen nationalen und religiösen Gruppen gesät. Korruption ist allgegenwärtig; die beruflichen Perspektiven oft gering. Aus all diesen Gründen sehen viele junge Menschen ihre Zukunft nicht im Land. Sie wandern aus und so gehen dem Land viel Potenzial, Ideenreichtum und Lebendigkeit, die man bitternötig hat, verloren.

Der Einsatz der Katholischen Kirche
Die Katholiken sind mit 15,4 Prozent die kleinste der drei grossen Bevölkerungsgruppen und besitzt nur wenig politische Macht. Etwa die Hälfte der Katholikinnen und Katholiken waren im Krieg gezwungen zu fliehen und nun verlassen jährlich weitere 10 000 wegen Armut, Perspektivlosigkeit und Diskriminierung das Land. Genau hier will die Katholische Kirche ansetzen und dazu beitragen, die Jungen zu befähigen, in Bosnien und Herzegowina eine Zukunft zu gestalten und zum Fortschritt im Land beizutragen.

Ein wichtiges Projekt in diesem Prozess ist das Jugendzentrum «Johannes Paul II.» in Sarajewo. «Begegnung, Versöhnung, gemeinsam Frieden und Zukunft gestalten – das ist unsere Mission für die jungen Menschen», erklärt Šimo Maršić. Rund 10 000 Jugendliche ab 10 Jahren nehmen jedes Jahr an Aktivitäten im Zentrum teil. 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und über 300 Freiwillige gestalten das vielfältige Programm. Hier begegnen sich die verschiedenen Volksgruppen, die sonst kaum Kontakt pflegen. Man hofft, dass die jungen Menschen diese Erfahrung in ihre jeweiligen Gemeinschaften zurücktragen. Über ethnische und religiöse Schranken hinweg kommen hier Menschen zusammen, lernen sich kennen und arbeiten so gemeinsam an einer friedlichen Zukunft. Das Hilfswerk «Kirche in Not (ACN)» unterstützt das Wirken der Kirche in Bosnien und Herzegowina. 2021 wurden rund CHF 850 000 zur Verfügung gestellt.

Besuch aus Bosnien und Herzegowina
Auf Einladung von «Kirche in Not (ACN)» weilt Šimo Maršić vom 15. bis 23. April in der Schweiz. In dieser Zeit wird er in verschiedenen Pfarreien Gottesdienste feiern und Vorträge über seine Heimat halten. Er möchte diese Gelegenheit nutzen, um den Schweizerinnen und Schweizern für ihre bisherige Unterstützung zu danken, gemeinsam Gottesdienst zu feiern und über den gegenwärtigen Stand zu informieren. Zudem möchte er alle dazu ermutigen, sich mit dem Bestreben der Menschen in Bosnien und Herzegowina zu beschäftigen, für sie zu beten und sich mit ihnen solidarisch zu zeigen.
Die Termine der Gottesdienste mit Pfr. Šimo Maršić finden Sie hier.
Folgen des Bosnienkrieges für die Kirche
Durch den Zerfall der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien wuchsen 1990/91 die Spannungen zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen. Ab Ende des Jahres 1991 kam es zu einem Bürgerkrieg, der erst 1995 unter der Federführung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und durch die Vermittlung der USA mit dem sogenannten Dayton-Abkommen beendet werden konnte. Mit diesem Abkommen wurden die Staatsgrenzen und der Aufbau des Staatsapparates festgelegt. Der Bundesstaat Bosnien und Herzegowina umfasst 51,197 km2 und zählt 3,5 Mio. Einwohner. Dem Bürgerkrieg sind etwa 100 000 Menschen zum Opfer gefallen. Die Situation ist jedoch insbesondere infolge der Sezessionsbestrebungen des serbischen Bevölkerungsteils immer noch sehr angespannt. Der Sicherheitsrat der UNO hat deshalb das Mandat für die 700 Mann starke Friedenstruppe verlängert. Ihr gehört auch ein kleines Schweizer Kontingent an. Rund die Hälfte der katholischen Kroatinnen und Kroaten war gezwungen, das Land zu verlassen. Die Zahl der Katholiken wird auf 380 000 geschätzt und ist rückläufig.
«Kirche in Not (ACN)» ist ein internationales katholisches Hilfswerk päpstlichen Rechts, das 1947 als «Ostpriesterhilfe» gegründet wurde. Es steht mit Informationstätigkeit, Gebet und Hilfsaktionen für bedrängte und Not leidende Christinnen und Christen in ca. 130 Ländern ein. Seine Projekte sind ausschliesslich privat finanziert. Das Hilfswerk wird von der Schweizer Bischofskonferenz für Spenden empfohlen. Webseite
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