(Grafik zVg)

Hintergrundbericht Pro Life

Bun­des­rat stützt sich auf frag­wür­dige Eva­lua­tion des Fortpflanzungsmedizingesetzes

Das Par­la­ment hat den Bun­des­rat beauf­tragt, die gesetz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für die Zulas­sung der Eizel­len­spende zu schaf­fen. Er nimmt die­sen Auf­trag zum Vor­wand, im Fort­pflan­zungs­me­di­zin­ge­setz (FMedG) wei­tere frag­wür­dige Neue­run­gen ein­zu­füh­ren. Kon­kret geht es um die belie­bige Pro­duk­tion von Embryo­nen und deren Tief­ge­frie­rung über mehr als ein Jahr­zehnt. Dar­über hin­aus wird auch die Kos­ten­über­nahme durch die Kran­ken­kas­sen in Erwä­gung gezogen.

Was die geplante Zulassung der Eizellenspende angeht, bemüht der Bundesrat das Argument der Gleichbehandlung von Mann und Frau, weil die Samenspende bereits zugelassen ist. Er lässt dabei ausser Acht, dass die Eizellenspende im Gegensatz zur Samenspende mit gravierenden gesundheitlichen Risiken verbunden ist.

Insbesondere nicht thematisiert wird einmal mehr der gefährliche schwangerschaftsinduzierte Bluthochdruck als Nebenwirkung bei den Empfängerinnen durch die Übertragung einer fremden Eizelle. Darüber hinaus gibt es damit zusammenhängende Veränderungen bei der Plazenta, die zum Verlust des ungeborenen Kindes führen können. Eine umfangreiche Studie im «American Journal of Obstetrics & Gynecology» (2019;220:195.e1-12) zeigt, dass Frauen, denen eine fremde Eizelle eingepflanzt wurde, ein bis zu fünf Mal höheres Risiko für schwerwiegende gesundheitliche Komplikationen haben als Frauen nach spontaner Schwangerschaft.

In ihrer Stellungnahme 41/2022 zur Eizellenspende erwähnte die «Nationale Ethikkommission» (NEK) erst im rechtlichen Teil «ein erhöhtes Risiko für die Eizellenempfängerinnen» obwohl das im medizinischen und ethischen Teil detailliert hätte behandelt werden müssen (NEK 41/2022, S.21). Die Befürworter der Zulassung der Eizellenspende klammern diesen Sachverhalt geflissentlich aus. Immerhin werden im Bericht «Summative Evaluation des Fortpflanzungsmedizingesetzes» (SEval-FMedG), der Ende August 2024 ohne Medienmitteilung online gegangen ist, die Gefahren genannt, welche bei einer Eierstocküberstimulation im Rahmen einer In-Vitro-Fertilisation (IVF) zu erwarten sind: «Starke Schmerzen; Übelkeit und Erbrechen; Ablagerung von Wasser im Bauchgewebe; Störungen der Blutgerinnung bis hin zu Thrombosen, Lungenembolie oder Hirnembolie oder Nierenversagen» (SEval-FMedG, S. 32). Von diesem Risiko – das muss betont werden – sind auch Eizellenspenderinnen betroffen. Davon ist in der Medienmitteilung des Bundesrates vom 29. Januar 2025 keine Rede. Das gleichzeitig veröffentlichte Faktenblatt zur Revision des FMedG geht darauf nicht im Detail ein, sondern versteckt diesen Sachverhalt unter dem Begriff «gefährliche Überstimulation».

Der Etikettenschwindel mit dem Kindeswohl
In der Medienmitteilung des Bundesrates heisst es in Bezug auf die geplante Revision des FMedG: «Im Vordergrund stehen dabei der Schutz der Eizellenspenderinnen und das Kindeswohl.» Aus dem Bericht zur Evaluation des FMedG und den Resultaten aus Befragungen der Bewilligungsinhaber geht m. E. klar hervor, dass die Reproduktionsmediziner das Wohl des Paares, das ihre Dienste beansprucht, in manchen Fällen über das Kindeswohl stellen. Im Bericht SEval-FMedG wird der Anspruch an das Kindeswohl wie folgt formuliert: «Entscheidend ist, ob eine erhebliche Gefahr besteht, dass das Kindeswohl nicht gewährleistet ist. Zu prüfen ist z. B. das Risiko einer schweren Gesundheitsschädigung des Kindes aufgrund des Gesundheitszustands oder Alters der Mutter. Als Massstab für die Frage, ob das Paar für das Kind sorgen kann, nennt die NEK den Entzug der elterlichen Sorge aus Gründen gemäss Art. 311 Abs. 1 ZGB (Unerfahrenheit, Krankheit, Gebrechen, Abwesenheit, Gewalttätigkeit, ...) und stellt klar, dass Mindesterfordernisse und nicht gesellschaftliche Ideale den Beurteilungsmassstab bilden sollen. Sie stellt in allgemeiner Hinsicht klar, dass voraussichtlich beide Partner in der Lage sein müssen, einen Beitrag zur Pflege und Erziehung zu leisten, aber dass sie gemeinsam und nicht je einzeln die Voraussetzungen erfüllen müssen» (SEval-FMedG, S. 12).

Weiter heisst es im Bericht: «Gemäss Art. 3 Abs. 2 Bst. b FMedG müssen die Paare «auf Grund ihres Alters und ihrer persönlichen Verhältnisse voraussichtlich bis zur Volljährigkeit des Kindes für dessen Pflege und Erziehung sorgen können» (Seite 9).

Zitierte Befragungen der Bewilligungsinhaber relativieren dieses Anforderungsprofil noch weiter: «Zwei Befragte äusserten Zweifel, ob es richtig sei, dass beide Partner bis zur Volljährigkeit für das Kind sorgen müssten, eine Person bezeichnete dies als Ausdruck eines überholten Familienbilds.» Weil die Behandlungen für die IVF-Zentren ein einträgliches Geschäft sind, wundert es nicht, dass der gesetzliche Auftrag unterschiedlich wahrgenommen, wenn nicht gar vernachlässigt wird.

Erfüllen 80- bis 90-jährige Väter das Vaterideal für Teenager?
Unlängst hat der utilitaristische Ethiker Eran Fish in der NZZ vom 6. Februar 2025 folgende Aussage zum Besten gegeben: «Was hingegen die Elternschaft betrifft, ist mir keine Forschung bekannt, die besagt, dass jüngere Eltern besser seien als ältere. Eine Frau kann je nach Gesundheitszustand auch in höherem Alter noch Mutter sein.» Er stellt somit die bisherige, an sich völlig vernünftige Regelung in Frage. Diese wird jetzt schon mit Füssen getreten. Offensichtlich gehen die IVF-Zentren mit dieser gesetzlichen Anforderung sehr locker um. Das zeigt eine Grafik im SEval-FMedG auf (Seite 11).
 


Das höchste Alter der Frau, die in den Jahren 2017–2022 «erstmalig» in einem IVF-Zentrum der Schweiz behandelt wurde, bewegt sich zwischen 47 und 51 Jahren, jene eines Mannes zwischen 65 und 75. Ausreisser nach oben sind die Jahre 2015 und 2016, in denen der älteste Mann sogar über 80 Jahre alt war. Sollte die Behandlung erfolgreich sein, wird sich ein 95-jähriger Vater um einen 15-jährigen Teenager kümmern müssen – falls er noch lebt. Man müsste das entsprechende IVF-Zentrum eruieren und die Betriebsbewilligung entziehen. Dies wird aber bewusst verhindert, weil die Statistiken der assistierten Fortpflanzungsmedizin unnötigerweise gemäss der Verordnung des Bundesrates von den kantonalen Kontrollbehörden anonymisiert gemeldet werden müssen. Ob Mütter im Grossmutteralter ihren Erziehungsaufgaben angemessen nachkommen können, darf ebenfalls bezweifelt werden.

Weiter erklärte der Ethiker Eran Fish in der NZZ: «Die Gesetzgeber müssten empirisch nachweisen, dass das Wohl des Kindes gefährdet ist, wenn es von einem alleinerziehenden Elternteil geboren wird. Eine solche Erkenntnis ist mir aus der Forschung nicht bekannt.» Dazu braucht es keine Forschung und komme sie noch so wissenschaftlich daher. Vielmehr reichen der gesunde Menschenverstand und die negativen Erfahrungen, welche Vollwaisen durchmachen, völlig aus, um die Absicht, die assistierte Fortpflanzungsmedizin Alleinerziehenden zugänglich zu machen, strikte abzulehnen.

Öffnung für neue Familienmodelle?
Der Bericht SEval-FMedG nennt einige Stossrichtungen, auf welche derzeit diskutierte Vorschläge abzielen. Die Auflistung auf Seite 76 ist äusserst bedenklich, wobei sie «nicht abschliessend» sein soll:

  • «Zulassung bisher nicht erlaubter Technologien wie Eizellenspende (Gesetzgebungsauftrag bereits erteilt), Embryonenspende oder Leihmutterschaft.
  • Erweiterung der Arten von Familien, welche Fortpflanzungsverfahren beanspruchen dürfen: unverheiratete Paare bei der Samenspende; alleinstehende Frauen (single «mother» by choice) oder Personen mit anderer Gender-Identität bei allen Fortpflanzungsverfahren; homosexuelle Paare.
  • (Frauenpaare via Samenspende, Männerpaare via Leihmutterschaft).
  • Weitergehende Liberalisierung der Koppelung von genetischer, «schwangerschaftsbegründeter» biologischer und sozialer Elternschaft, z. B. durch Zulassung der gerichteten Samenspende und Eizellenspende (gezielte Auswahl des Spenders oder der Spenderin statt Anonymität) und damit Öffnung für neue Familienmodelle.
  • Sozial gerechterer Zugang durch Unterstellung der Fortpflanzungsmedizin unter die obligatorische Krankenpflegeversicherung, sowohl bei Gefahr der Übertragung einer Erbkrankheit als auch bei Unfruchtbarkeit und auch für Frauenpaare.»

Lässt sich das alles überhaupt gesetzlich regeln? Da würde ich lieber bei der bisherigen, nicht zufriedenstellenden Version des FMedG bleiben. Das Beste wäre – ein ketzerischer Gedanke – das unkontrollierte Treiben der geld- und prestigegetriebenen Reproduktionsmediziner ganz zu verbieten.

Verlängerung der Kryokonservierungsdauer
Für die Tiefgefrierung von Embryonen bei -196 °C Kryokonservierung, gilt derzeit eine fünfjährige Frist, die auf Antrag noch einmal um fünf Jahre verlängert werden kann. Der Bundesrat prüft eine weitere Verlängerung dieser Frist.

Ein Blick in den Evaluationsbericht zeigt, dass selbst nach Aussagen der IVF-Zentren (Bewilligungsinhaber) dafür kein Handlungsbedarf besteht. Da heisst es nämlich: «Elf von zwölf befragten Bewilligungsinhaber gaben an, dass sie es noch nicht erlebt haben, dass sie sich aber Fälle vorstellen können, in denen die zehn Jahre nicht mehr reichen.» Weiter lieferte die Befragung noch folgendes Argument: «In einzelnen Interviews bezeichneten Bewilligungsinhaberinnen und -inhaber die Dauer als zu kurz. Sie könne dazu führen, dass potenzielles menschliches Leben vernichtet werden müsse» (S. 38). Es sind just dieselben IVF-Zentren, die bei ihrer alltäglichen Arbeit zwangsläufig in viel grösserem Umfang Embryonen zeugen, von denen sie ganz genau wissen, dass die überwiegende Mehrzahl als «potenzielles menschliches Leben», wie sie selber sagen, früher oder später vernichtet wird oder dem schleichenden Reagenzglastod zum Opfer fällt. Auf dieses Lamento der Betreiber der IVF-Kliniken darf der Bundesrat wirklich nicht hereinfallen.

Fatale Auswirkung der 12er-Regel im Jahr 2017
Der Evaluationsbericht schlägt allen Ernstes vor, die seit der letzten Revision geltende 12er-Regel aufzuheben. Ihr zufolge dürfen bei einem frischen Zyklus maximal 12 Embryonen entwickelt werden. Der Wechsel von der 3er zur 12er-Regel für die gewöhnliche IVF war völlig unnötig und hat zu einer Verdoppelung der erzeugten Embryonen geführt. Von diesen wird etwa ein Drittel tiefgefroren. Die Zahl der vernichteten Embryonen hat sich seit 2016 mehr als Verfünffacht. Der Evaluationsbericht plädiert für eine Aufhebung der 12er-Regel mit dem Argument, es würden nur etwa 8 % mehr Embryonen erzeugt. Auf die verheerende Auswirkung der letzten Revision, die am 1. September 2017 in Kraft getreten ist, wird gar nicht eingegangen.
 

Kostenübernahme durch die Krankenkassen?
Im Faktenblatt wird ein Thema aufgegriffen, das in der Medienmitteilung des Bundesrates fehlt. Es geht um die Kostenübernahme der assistierten Fortpflanzungsmedizin durch die Obligatorische Krankenpflegeversicherung. Einige Behandlungen werden jetzt schon übernommen:

  • Diagnostische Abklärungen für den Mann und die Frau bei einer Unfruchtbarkeit.
  • Die Hormonbehandlung der Frau; bis zu 12 Stimulationszyklen oder eine ganzjährige Behandlung.

Sollten alle weiteren Behandlungen, wie die In-vitro-Fertilisation, die Präimplantationsdiagnostik (PID) und die damit verbundenen Untersuchungen neu durch die Obligatorische Krankenpflegeversicherung übernommen werden müssen, dürfte das für die Prämienzahler jährlich mindestens 64 Millionen Franken Mehrkosten verursachen. Es wäre ausserdem mit einem Boom zu rechnen, da sich wenig vermögende Paare die In-vitro-Fertilisation auch leisten könnten und Paare würden unter Umständen weniger lange zuwarten, um ein Kind auf natürliche Weise zu bekommen. Damit würden die schon ohnehin explodierenden Krankenkassen-Prämien zusätzlich steigen.

Leider hat dazu das Parlament nichts zu sagen. Massgebendes Kriterium für diese Behandlungen ist deren Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit, welche durch eine Kommission abgeklärt wird. Das «Eidgenössische Departement des Innern» lässt sich durch diese Kommission beraten und entscheidet letztlich im Alleingang über eine obligatorische Leistungspflicht.

Das Vernünftigste wäre, wenn der Bundesrat die Revision des FMedG abbrechen würde und es wenigstens beim Status quo bliebe.

 

Quellen
Faktenblatt Fortpflanzungsmedizingesetz vom 30. Januar 2025: https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/91607.pdf

«Summative Evaluation des Fortpflanzungsmedizingesetzes» des Fortpflanzungsmedizingesetzes (SEval-FMedG), veröffentlich am 29.8.2024:
https://www.bag.admin.ch/dam/bag/de/dokumente/e-f/evalber-biom-forsch/2024-summative-evaluation-fmedg-schlussbericht.pdf.download.pdf/2024-schlussbericht-summative-evaluation-fmedg-d.pdf

NZZ vom 6. Februar 2025: https://www.nzz.ch/schweiz/es-gibt-ein-recht-darauf-eine-familie-zu-gruenden-sagt-der-ethiker-eran-fish-ein-gespraech-ueber-den-kinderwunsch-und-wie-weit-man-dafuer-gehen-darf-ld.1868825


Roland Graf
swiss-cath.ch

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Dr. Roland Graf ist Pfarrer in Unteriberg und Studen (SZ). Er hat an der Universität Augsburg in Moraltheologie promoviert und war vor seinem Theologiestudium als Chemiker HTL tätig.


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