Reformationsdenkmal in Genf. (Bild: Paul Landowski, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Mit spitzer Feder

Cal­vin und seine Erben

Unser­ei­ner glaubt, sich in eine moder­ni­sierte Ver­sion des KKK, sprich des «Kate­chis­mus der Katho­li­schen Kir­che», ver­irrt zu haben, wim­melt es doch da nur so von theo­lo­gi­schen Kern­be­grif­fen. Da ist die Rede vom «Auto, die Sünde des Vol­kes». Denn «wer sich des ver­pön­ten Fort­be­we­gungs­mit­tels bedient, pus­tet C02 in die Luft – ver­sün­digt sich mit­hin gegen den Kli­ma­schutz, gegen die Umwelt und Mit­welt, gegen das grosse Gebot der grü­nen Reli­gion – der grün­lin­ken Kir­che, der man, ohne unge­recht zu sein, die Zür­cher Stadt­re­gie­rung zurech­nen darf».

Doch wer sich da seinen heiligen Zorn über die modernen Umweltapostel von der Seele schreibt, ist kein geringerer als der Gottvater der Ringier-Medien, Frank A. Meyer himself. Und seine geharnischte Sonntagspredigt will kein Ende nehmen: «Wer aber sind die Pfaffen der grünlinken Erweckungsbewegung? Sind es gelernte Schreiner, Metzger, Mechaniker, Pflegerinnen, Putzkräfte, Kellnerinnen, Coiffeusen – also Werktätige, Lohnarbeiterinnen? Es sind Politolog*innen, Soziolog*innen Genderforscher*innen, Akademiker*innen, beschäftigt mit der kulturellen Machtübernahme an den Universitäten, in den Verwaltungen, in Expertengruppen, in den NGOs, in den Kirchen – subventioniert durch öffentliche Zuwendungen, finanziert durch Steuergelder.»

«Calvin City» nennt Frank A. Meyer seine Kolumne im «SonntagsBlick» und legt damit zielgenau die Spur zum Ursprung dieser rigorosen Verbotspolitik. In der Tat hatte Jean Calvin die gesamte damalige Bevölkerung einem äusserst rigorosen Moral-Regime unterworfen, dem sich ausnahmslos alle Schichten der Bevölkerung zu fügen hatten – Calvins Verständnis der Demokratie. Der Historiker Volker Reinhardt hat ein Buch geschrieben mit dem Titel «Die Tyrannei der Tugend – Calvin und die Reformation in Genf». Darin schildert und dokumentiert er überaus anschaulich die drakonischen Strafen für Bankette, Fluchen und Kartenspiel, die mittels eines ausgeklügelten Spitzelsystems durchgesetzt wurden.

Vererbungsspuren dieses rigorosen Kirchensystems lassen sich unschwer in der Art und Weise erkennen, wie gerade die Stadtregierungen von Genf und Zürich ihre Klimapolitik durchboxen und Umweltsünder zur Kasse bitten. Dass Autos und damit auch Mobilitätsauswüchse ein existentielles Problem moderner, immer mehr verstädtender Gesellschaften darstellen, lässt sich ernsthaft nicht bestreiten. Aber eben: Der quasi-religiöse Eifer, mit welchem dieses ökologische Sendungsbewusstsein dem Volk aufs Auge und Portemonnaie gedrückt wird, geht so manchen Bürgerinnen und Bürgern gewaltig auf den Keks.

Und schliesslich noch dies: Mit meinem GA bin ich vorzugsweise per Bahn, Tram und zu Fuss unterwegs. Was Letzteres betrifft, mache ich zunehmend die schmerzliche Erfahrung: die rücksichtslosesten Verkehrsteilnehmer sind – nein, nicht die Auto-, sondern sehr oft die Velofahrer.


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

E-Mail

Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


Kommentare und Antworten

×

Name ist erforderlich!

Geben Sie einen gültigen Namen ein

Gültige E-Mail ist erforderlich!

Gib eine gültige E-Mail Adresse ein

Kommentar ist erforderlich!

You have reached the limit for comments!

* Diese Felder sind erforderlich.

Bemerkungen :

  • user
    Meier Pirmin 05.09.2024 um 03:12
    Bei diesen Vergleichen, die letztlich mit den wirklichen Anliegen des Calvinismus in Bezug auf Bürgerfreiheit nichts zu tun haben, wäre es gut, die Originalkatechismen von Bullinger, Leo Jud, Theodor Beza zu studieren und sie sich anzueignen, wovon natürlich der von mir geschätzte Frank A. Meyer im Gegensatz zum Tagesgeschehen keine Ahnung hat. Bei der Lektüre dieser Katechismen, die ich mir freilich erst nach dem 70. Altersjahr aneignete, entdeckte ich eine christliche Substanz, für die ich für den Rest meines Lebens dankbar bleibe. Als Religionslehrer kannte ich leider nur die verschiedenen Versionen des katholischen Katechismus, noch auf der Basis von Petrus Canisius, den ich als fast einziger in meinem Kanton noch vermittelte, wenngleich nicht ohne die Distanz, die ich mir beim grössten Denker der Reformationszeit, Erasmus von Rotterdam, angeeignete habe. Im Hinblick auf Urteile über die Grundlagen des Protestantismus liegt heute nicht nur bei Katholiken und Liberalen, auch bei den Reformierten selber oft ein Analphabetismus betreffend das Grundwissen vor, der mit zu einem Bestandteil einer allgemeinen Glaubens- und Kirchenkrise gehört. Leider fiel mir auf, dass nicht zuletzt als noch reformiert firmierende Religionslehrer und Religionslehrerinnen, oft aus Deutschland, keine Ahnung vom Schweizer Protestantismus haben. Derzeit lese ich gerade Bullingers Reformationsgeschichte, im Original erst 1835 herausgegeben, das mir von einer Ostschweizer Bibliothek ausnahmsweise ausgeliehen worden ist. Antiquarisch schaffte ich mir den reformierten Zürcher Katechismus von 1824 an, der für die damalige Zeit, die in religiöser Hinsicht vergleichsweise aufgeschlossene Restaurationsepoche, als vorzügliche Orientierung für ein christliches Leben gelten kann, auch als hervorragenden Einblick in die nicht zuletzt von Bullinger geprägte allgemeinreformierte Dogmatik. Mit diesem Katechismus versteht man zum Beispiel auch Jeremias Gotthelf kernige Gläubigkeit viel besser.
    PS. Die sog. Klimareligion ist eine Ersatzreligion. Um über diese Fragen in der Schweiz vernünftig diskutieren zu können, müsste man zum Beispiel 30 bis 40 alpine Wetterchroniken studiert haben, von denen zum Beispiel allein die von Glarus aus dem 16. Jahrhundert sensationell ergiebig sind. Auch über die Wallfahrten im Wallis und im Kanton Uri beim Fortschreiten der Gletscher muss man orientiert sein. Zu den weltliterarischen Höhepunkten der moralisierenden Betrachtung von Wetter und Klima gehört bekanntlich der Hexenhammer, der bei geduldiger Lektüre des lateinischen Originals durchaus überraschende Leseerlebnisse bereit hält. Dem gegenüber spielen reformierte Pfarrer des 18. Jahrhunderts eine sehr positive Rolle in der Geschichte der Meteorologie, beherrschten die Temperatursysteme von Fahrenheit, Newton, Réaumur, Micheli du Crest, letzterer der Erfinder des Schweizer Thermometers, dessen Biographie ich auf 480 Seiten dargestellt habe, durchaus ein Kind des wissenschaftlich orientierten Calvinismus, aus Genf, u.a. auch der Erwecker Rousseaus. Die Meteorologie gehörte bei diesen Denkern, so auch bei Paracelsus und Kepler, zu den Geheimnissen der Schöpfung.
    • user
      Oskar B. Camenzind 06.09.2024 um 16:03
      Der Streit um den freien Willen setzt sich auch in der Reformation fort, in der Luther die Position Augustinus übernimmt und dafür von Erasmus von Rotterdam ('Über den freien Willen') hart kritisiert wird. Dieser Streit scheint auch der Grund für das Zerwürfnis Zwinglis mit Luther zu sein.
      Der freie Wille im Rahmen des Naturrechts und seiner Gesetze aber ist die eine Voraussetzung der Würde des Menschen, Grund der Menschenrechte. Die andere Voraussetung ist die Fähigkeit zu uneigennütziger Liebe, 'Agape', der Kern des
      Christentums. Ohne Freien Willen keine Agape!
      Das 'führe uns nicht in Verführung' im katholischen Vaterunser ist ein Rest Manichäismus (Gott als Verführer?), den uns der alternde Augustinus mit seiner Prädestinationslehre hinterlassen hat. Ich empfehle: 'Führe uns in der Versuchung'!
  • user
    Michael 04.09.2024 um 08:34
    Schon gewusst?
    Die jährlichen natürlichen Busch- und Waldbrände in der nördlichen Hemisphäre pusten mehr CO2 in die Luft als alle Industriestaaten zusammen.
    Und dafür verklopft ihr gerade euren gesamten Wohlstand.
  • user
    Stefan Fleischer 04.09.2024 um 08:18
    Gott erwartet von den allermeisten von uns keine Perfektion. Ihm genügt unser ehrliches Bemühen aus Liebe zu ihm. Einerseits machen wir so viel weniger Fehler. Andererseits werden wir so auch immer mehr jene Vorbilder, welche die Welt heute braucht, nachahmenswert und nachahmensmöglich.
  • user
    Hansjörg 03.09.2024 um 21:34
    Da lob ich mir doch den original Katechismus der kath. Kirche. Der verbietet nur Sex vor der Ehe, Masturbation und Verhütung. Zudem bezichtigt er noch Geschiedene, die eine neue Liebe gefunden haben, als permanente Ehebrecher und schwere Sünder.