Papst Leo XIV. wird sich vom 6. bis 20. Juli nach Castel Gandolfo zurückziehen und nimmt damit eine alte Tradition wieder auf, die durch seinen Vorgänger, Papst Franziskus, kurzzeitig unterbrochen wurde.
Der Papstpalast in Castel Gandolfo auf 426 Meter über Meer wurde seit dem 17. Jahrhundert von fast allen Päpsten vor allem in den Sommermonaten als Residenz genutzt. Die Ortschaft mit ihren rund 8600 Einwohnern liegt 24 Kilometer südöstlich von Rom in den Albaner Bergen. Archäologische Ausgrabungen und historische Quellen lassen vermuten, dass der Ort auf den Überresten der antiken Stadt Alba Longa liegt. Diese spielte in der römischen Mythologie bei der Gründung Roms eine tragende Rolle: Die Tochter des Königs von Alba Longa, eines Nachfahren des aus Troja geflohenen Aeneas, soll die Mutter der Zwillinge Romulus und Remus gewesen sein. Alba Longa gilt deshalb als die Mutterstadt Roms; sie wurde 665 vor Christus zerstört.
Wegen der günstigen Lage an der Via Appia und der kühlen Winde bauten viele Reiche hier Landhäuser für ihren Sommeraufenthalt. Die grösste Villa gehörte Kaiser Domitian; sie ist der Vorgängerbau des heutigen Päpstlichen Palastes.
1596 beschlagnahmte die päpstliche Finanzbehörde die inzwischen zu einer Burg umfunktionierte Villa aufgrund unbeglichener Schulden der Eigentümer. Papst Urban VIII. baute die Burg von 1624 bis 1629 zum frühbarocken Palast um; Architekt war der aus Capolago TI stammende Carlo Maderno, der unter anderem die Fassade des Petersdoms gestaltet hat. Später wurden Nachbargrundstücke dazugekauft, da der Palast nur einen kleinen Garten besass.
1798 besetzten französische Soldaten unter Napoleon Castel Gandolfo; der Ort schloss sich der Republik von Albano an. Nach Abzug der Soldaten restaurierten die Päpste den durch die Besetzung in Mitleidenschaft gezogene Palast und nutzten ihn wieder regelmässig. 1870 wurde der Kirchenstaat aufgelöst und Castel Gandolfo ins Königreich Italien eingegliedert, das gleiche Schicksal erlitt Rom. Aus Protest zogen sich Pius IX. und seine Nachfolger in den Vatikan zurück. Das änderte sich erst 1929 mit dem Abschluss der mit dem Italien Mussolinis geschlossenen Lateranverträge. Durch diese erhielt der Vatikan seine Eigenstaatlichkeit zurück. Verschiedene Grundstücke – darunter der Lateranpalast und das päpstliche Landgut Castel Gandolfo – erhielten den Status exterritorialer Besitzungen des Heiligen Stuhls. Für die Sicherheit der Sommerresidenz, die heute den Papstpalast, die Villa Cybo, die Villa Barberini, die Gärten des Belvedere sowie einen Gutshof mit Landwirtschaft umfasst, ist die Vatikanpolizei zuständig, bei Anwesenheit des Papstes zusätzlich die Schweizergarde. Mit 55 Hektar ist das Landgut grösser als der gesamte Vatikanstaat mit seinen 44 Hektaren; eine Mauer umschliesst das Gesamtareal.
Johannes Paul II. war öfters in Castel Gandolfo anzutreffen; hier erholte er sich jeweils von seinen Auslandsreisen. Er schätzte dabei das Hallenbad, welches amerikanische Katholiken ihm zu Beginn seines Pontifikats auf dem Gelände der Sommerresidenz gespendet hatten. Ein neu angelegter Hubschrauberlandeplatz bietet die Möglichkeit einer raschen Reise von Rom in die Albaner Berge oder zurück.
Auch sein Nachfolger im Petrusamt, Papst Benedikt XVI., nutzte Castel Gandolfo nicht nur im Sommer. Nach seinem Amtsverzicht am 28. Februar 2013 wohnte er über dem Albaner See, bis er im Mai seinen Altersruhesitz im Kloster Mater Ecclesiae in den Vatikanischen Gärten beziehen konnte.
Die Vatikanbehörden waren jeweils froh, wenn sich der Papst jeweils nach Castel Gandolfo aufmachte, konnten sie doch im lärmigen, schwül-heissen Rom während der Abwesenheit ihres Oberhauptes einen Gang zurückschalten. Diese wohlverdiente Verschnaufpause blieb ihnen im Pontifikat des Kontrollfreaks Franziskus verwehrt. Er zeigte kein Interesse an der Sommerresidenz. Er liess das Landgut auf ökologische Landwirtschaft umstellen; es ist jetzt ein Zentrum für ökologische Bildung. Seit 2014 gibt es zudem Führungen durch den Barberini-Garten, 2015 wurde eine Galerie mit Papstporträts eröffnet und seit 2016 können Besucher die Papstwohnung – Schlafzimmer, Arbeitszimmer, Bibliothek und Privatkapelle – besichtigen.
«Das Herz der Stadt kehrt zurück»
Papst Leo XIV. hat nun entschieden, die Tradition der Sommerresidenz wieder aufzunehmen und die Tage vom 6. bis 20. Juli sowie das Maria-Himmelfahrt-Wochenende dort zu verbringen. Da die Papstwohnung als Museum dient, wird er vermutlich in der Villa Barberini wohnen. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern wird er in Castel Gandolfo keine Gäste empfangen, sondern sich zurückziehen. Ausnahme bilden Sonntagsmessen in nahe gelegenen Pfarreien sowie der Angelus auf dem Vorplatz der Sommerresidenz.
Nicht nur die Vatikanbeamten, sondern auch die Einwohner des Ortes Castel Gandolfo freuen sich über die «Rückkehr» des Papstes: Durch die Abwesenheit von Papst Franziskus hatten sie einen erheblichen Rückgang an Pilgern und Touristen erlitten, den das neue Museum nicht ausgleichen konnte. Mit Papst Leo XIV. dürften auch sie wieder zurückkehren. Bürgermeister Alberto de Angelis ist ganz begeistert: «Jetzt wird Leo XIV. der Stadt ihre tägliche Beziehung zum Papst zurückgeben: den Angelus die Besuche, den Kontakt mit den Menschen…Die Rückkehr des Papstes gibt uns Hoffnung. Das Herz der Stadt kehrt zurück» zitiert ihn die deutschsprachige Ausgabe CNA. Besonders freut ihn auch die Rückkehr der Schweizergarde, die seit 13 Jahren nicht mehr in Castel Gandolfo war: «Das hat einen fundamentalen symbolischen und identitätsstiftenden Wert. Auf allen historischen Fotografien der Stadt erscheint Castel Gandolfo mit der Schweizergarde. Die Anwesenheit des Papstes ist Teil unserer DNA.»
Kommentare und Antworten
Sei der Erste, der kommentiert