Abbé Nicolas Cishugi und Projektleiterin für Afrika, Kinga von Schierstaedt. (Bild: © «Kirche in Not (ACN)»)

Weltkirche

Chris­ten im Kongo: Zwi­schen Angst und Hoffnung

Am 25. Mai 2025 führte das Hilfs­werk «Kir­che in Not» die tra­di­tio­nelle Wall­fahrt nach Ein­sie­deln durch. Im Fokus stand die­ses Jahr die oft von Gewalt und Ver­fol­gung, aber auch von Hoff­nung geprägte Lage der Chris­ten in der Demo­kra­ti­schen Repu­blik Kongo.

Die Fakten sind bekannt – oder vielleicht doch nicht? «Kirchen lassen Christen im Stich. Statt über verfolgte Glaubensbrüder in Afrika und Asien sprechen westliche Würdenträger lieber über Islamophobie». So lautet der Titel eines Beitrages in der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 20. Mai 2025. Darin nimmt der Autor Kacem El Ghazzali Bezug auf ein Massaker im nigerianischen Gliedstaat Plateau, dem am Palmsonntag während eines Gottesdienstes 56 Menschen zum Opfer fielen, darunter zahlreiche Kinder.

Die nigerianische Regierung reduziert den brutalen Überfall der Fulani-Milizen auf einen Konflikt zwischen Bauern und Hirten. Für die Überlebenden ist dies, so Autor Ghazzali, eine «zynische Verharmlosung», denn damit wird die islamistische Ideologie als treibende Kraft hinter diesen Gewaltakten ausgeblendet: «Gerade sie erklärt, weshalb die Angriffe gezielt während religiöser Messen stattfinden, warum Kirchen systematisch zerstört werden und die Gewalt von Rufen wie ‹Allahu akbar› begleitet wird.»

Kacem El Ghazzali findet deutliche Worte für diese Wahrnehmungsstörung: «Während das Warnen vor angeblicher Islamophobie in linken und kirchlichen Kreisen populär ist, findet das systematische Leiden von Millionen verfolgten Christen kaum Eingang in die öffentliche Debatte […] gilt jede Kritik am politischen Islam reflexartig als ‹islamophob› oder ‹rassistisch›». Eine Ursache für diesen blinden Fleck ortet Kacem El Ghazzali darin, dass die wohlstandsverwöhnten Christen hierzulande das Leben und Martyrium ihrer Glaubensgeschwister in den Drittweltländern als fremd und störend wahrnehmen, weil es sie an die Oberflächlichkeit ihrer eigenen religiösen Praxis erinnert.

Lautes Schweigen durchbrochen
Umso verdienstvoller und wichtiger ist es, dass das Hilfswerk «Kirche in Not» dieses laute Schweigen durchbricht und immer wieder zur Solidarität mit den verfolgten Glaubensgeschwistern aufruft. An der diesjährigen Wallfahrt nach Einsiedeln galt der Schwerpunkt der Demokratischen Republik Kongo. Das Land ist 57-mal grösser als die Schweiz und zählt rund 110 Millionen Einwohner. 1960 unabhängig geworden, wird das rohstoffreiche Land bis heute oft von religiös aufgeladenen, bürgerkriegsähnlichen Konflikten erschüttert. Mittlerweile zählt das Land über 5 Millionen Binnenflüchtlinge.

In den Fürbitten im Rahmen der Messfeier in der Klosterkirche Einsiedeln erinnerte Ivo Schürmann von «Kirche in Not» an ein besonders tragisches Ereignis: «Mitte Februar wurden in der Region Lubero in der Demokratischen Republik Kongo in einer protestantischen Kirche mehr als 70 Leichen aufgefunden. Darunter Frauen, Kinder und ältere Menschen. Das grausame Massaker wurde von der bewaffneten islamistischen Gruppe ADF verübt.»

Die andauernden Konflikte im Verbund mit korrupten, untätigen Staatsorganen, deren Exponenten primär nur an der Selbstbereicherung interessiert sind, haben einige Hilfswerke zum Verlassen des Landes bewogen. «Kirche in Not» bleibt dessen ungeachtet präsent. Durch die Zusammenarbeit mit kirchlichen Gemeinschaften vor Ort können Spenden effizient und zielgerichtet eingesetzt werden. Im Vordergrund der jährlich 3,5 Millionen Franken ausmachenden Kongo-Hilfe von «Kirche in Not» steht dabei die seelische Betreuung. Sie kommt aber auch der Nothilfe für Flüchtlinge in Goma und dem Bau und Erhalt von Kirchen zugute.
 


Vorbildfunktion der Kirche
Dies bestätigte auch der Hauptzelebrant und Referent der Einsiedler-Wallfahrt, der aus dem Kongo stammende Abbé Nicolas Cishugi: «Die Kirche ist eine der wenigen glaubwürdigen Organisationen in diesem Land.» Mit diesem Vertrauenskapital gilt es, achtsam umzugehen. Die Kirche, betonte Abbé Nicolas Cishugi, der in Fribourg im Fach Pastoraltheologie promovierte, dürfe dabei ihre zentrale Sendung nicht aus den Augen verlieren, sich nicht als blosses Hilfswerk oder gar politische Partei missverstehen. Umgekehrt könne die Kirche indirekt, aber wirksam eine Vorbildfunktion beim Abbau der gesellschaftlichen Spannungen und der Bereitschaft zur friedlichen Konfliktbewältigung übernehmen.

Im Gespräch mit «swiss-cath.ch» weist Abbé Nicolas darauf hin, dass ein Gutteil dieser Konflikte importiert ist: Ugandische Rebellen überfielen weite Gebiet im Nordosten Kongos und errichteten dort eine Willkürherrschaft. Abbé Nicolas räumt aber auch ein: «Wir Kongolesen dürfen nicht einfach in die Opferrolle fallen und darin verharren, wir müssen selbst Verantwortung übernehmen.» Das, so Abbé Nicolas weiter, setzte voraus, sich erst einmal kennenzulernen. Die riesigen Distanzen und die desolaten Verkehrswege führen dazu, dass man sich nicht kennt. «Wir Afrikaner kennen uns nicht», fasst Abbé Nicolas die Situation lapidar zusammen. Und ergänzt: «Was man nicht kennt, davor hat man Angst.» Der Dialog ist der erste unabdingbare Schritt und setzt die Bereitschaft von beiden, oft mehreren Seiten voraus. Abbé Nicolas gibt aber gleichzeitig zu bedenken: Oft wurde mit den Islamisten die Erfahrung gemacht, dass ihre Bereitschaft zum Dialog dann abrupt endete, als sie die Bevölkerungsmehrheit erreichten.

Abbé Nicolas Cishugi bleibt gleichwohl zuversichtlich: Denn schliesslich feiert die Kirche das Heilige Jahr 2025 ausdrücklich als Jahr der Hoffnung, und schliesslich gehört die Hoffnung zu den Kardinaltugenden des christlichen Glaubens.


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

E-Mail

Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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Bemerkungen :

  • user
    Meier Pirmin 27.05.2025 um 10:47
    "Wir Afrikaner kennen uns nicht. Was man nicht kennt, davor hat man Angst." Die Aussage von Abbé Nicolas Cishugi ist umso eindrucksvoller, als ich mich frage, ob wir Christen in der Schweiz uns selber kennen, unsere eigenen Traditionen, sowohl in ihrer Eindrücklichkeit als auch dort, wo sie vielleicht fragwürdig sind.

    Dieser Tage hielt der Jesuit P. Prof. Dr. Christian Rutishauser eine in vielem durchaus eindrückliche, jedenfalls wohlvorbereitete Antrittsvorlesung an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern ausgerechnet über die Theologie der Heimkehr der Juden in das von den Christen "Heiliges Land" genannte Palästina mit vielen durchaus wertvollen Differenzierungen. Dass indes das 2. Vatikanische Konzil trotz der Begründung des modernen katholischen Bildes des Judaismus, im Sinne von Karl Barth stark ökumene-orientiert, sich zu den theologischen Grundlagen des Staates Israel nicht geäussert hat, wurde von Prof. Rutishauser als quasi weisser Fleck bzw. Lücke der Theologie angesprochen, mit der Begründung, dass damals Schweigen auch aus kircheninternen Gründen angebracht gewesen sei, zumal bei einer Minderheit der Konzilsväter, vgl. die Minderheit beim 1. Vatikanum 1870, die damaligen Vorstellungen einer Versöhnung mit dem Judentum noch umstritten gewesen sei. Ausdrücklich zurückgewiesen wurde von Rutishauser eine theologische Argumentation etwa der fundamentalistisch orientierten israelischen Siedler. Das heikle Thema einer "Theologie des Landes" wurde mit sowohl alttestamentlichen wie neutestamentlichen Argumenten der Gerechtigkeit gegenüber "Fremden" relativiert, wobei es sich im Verhältnis der Palästinenser gegenüber der jüdischen Masseneinwanderung jedoch fragt , wer hier eher die Fremden seien.

    Dass das Konzil zu dieser Frage geschwiegen hat, scheint mir heute noch umso klüger, als Rutishauser ausgerechnet in Luzern die katholisch-konservative politische Theologie der Eidgenossenschaft als eines "Vaterlandes der Christen" nicht angesprochen hat, eine Position, wie sie 1866 mit Nachdruck die katholischen Vordenker Philipp Anton von Segesser und Johann Nepomuk Schleuniger vertraten, notabene aber auch der liberale Katholik und Pionier des schweizerischen Bundesstaates, Ignaz Paul Vital Troxler. Generell fehlten bei dieser Antrittsvorlesung Erörterungen zur grundsätzlichen Fragwürdigkeit "politischer Theologie", einem Begriff, der bekanntlich 1922 von Carl Schmitt in das Staatsrecht eingeführt wurde, immerhin mit der richtigen Bemerkung, dass die modernen Ideologien durchwegs auf zivilreligöse Ausrichtungen hin orientiert sind, was automatisch zur Verketzerung Andersdenkender führt. Die Vorlesung war indes interessant, machte aber auch einen grossen Bogen um die Politische Theologie des Islam, von welcher nun mal nicht nur die Hamas schlechthin vergiftet scheint, was einem Frieden und wohl auch einer funktionierenden Zweistaatenlösung in Israel entgegensteht. Wie auch immer: Eine Vorlesung über die Theologie des Landes und des Staates Israel hätte, anstelle der mittlerweile an Hochschulen durchaus Mainstream gewordenen Kritik an der Politik des gegenwärtigen Israel, einen Vergleich der auf gemeinsamem Eid aufgebauten "Willensnation" Schweiz mit der mehr völkisch orientierten Nation Israel vertragen. Noch schön und eindrücklich waren die statt griechisch und lateinisch nunmehr hebräisch zitierten Bibelstellen, so aus dem Psalm 37. Höchste Zeit wäre es, im Kanton Luzern und an höheren Schulen anderer Kantone die biblischen Sprachen an der Mittelschule endlich wieder anzubieten, allenfalls vielleicht wahlweise ergänzt durch Koran-Arabisch. Bei der Geburt der eidgenössichen Matura zumal im Zentrum der führenden Bildungskantone Zürich, Basel und Bern gehörten noch Griechisch, Lateinisch und Hebräisch zum Kanon dessen, was an der Matura geprüft werden müsste. Heute müssten diese Fächer mindestens, genau so wie zum Beispiel Klavierunterricht, flächendeckend an den Schweizer Schulen angeboten werden. Auf diese Weise könnte man zum Beispiel das Bildungsniveau der Scheizer Reformation wieder erreichen, dem dann übrigens in Luzern ab 1584 die Jesuiten durchaus nachgeeifert sind.

    Die Bemerkung des afrikanischen Abbé, die Afrikaner würden Afrika nicht kennen, gilt meines Erachtens sinngemäss für die Kenntnis der Schweizer Katholiken, den Katholizismus betreffend, dies meine Erfahrung in der Fachschaft Religion an den Luzerner Mittelschulen. Seit vielen Jahren gibt es keine systematische konfessionell orientierte Schulung mehr, weder im Katholizismus noch im Protestantismus, sondern es wird mehr oder weniger leider meist oberflächliches "Wissen" über alle Weltreligionen vermittelt. Sicher ist, dass man sich die 5 Säulen des Islam besser merken kann als die mosaischen 10 Gebote, zu schweigen vom Vaterunser, das heute unter Gymnasiasten des Kantons Luzern ein kleinerer Anteil auswendig memorieren kann als dies noch selbst bei analphabetischen Mädchen des 17. Jahrhunderts der Fall gewesen sein dürfte. Pater Al Imfeld selig war noch der Meinung, dass die Schweiz von Afrika vielelicht mehr lernen könne als umgekehrt. Ich gab ihm in dieser Hinsicht vielfach recht, wiewohl ich seine These "Mission am Ende" stets bestritten habe, auch anlässlich einer Vorlesung an der Seniorenuniversität LU.