Kommentar

Chur: Uto­pi­sche Kir­chen­ent­wick­lung und chao­tisch agie­rende Stabs­stelle Personal

Man müsste erwar­ten, dass die im Novem­ber 2024 voll­mun­dig ange­kün­dig­ten «muti­gen Reform­pläne» und die «kon­struk­tive Per­so­nal­ent­wick­lung» den fähigs­ten Per­so­nen des Bis­tums Chur zur Umset­zung anver­traut wur­den. Das trifft offen­sicht­lich nicht zu. Was im Blog der Web­seite www​.kir​chen​ent​wick​lung​-chur​.ch zum Bes­ten gege­ben wird, ist – diplo­ma­tisch gespro­chen – eine herbe Ent­täu­schung, im Klar­text: Schaum­schlä­ge­rei und Wort­hül­sen aus der moder­nen Organisationsentwicklung.

Sogar Vaticannews titelte am 12. November 2024 «Schweiz: Bistum Chur stellt Weichen für ‹Kirche 2.0›». Swiss-cath.ch hat unmittelbar nach Bekanntwerden diese «Vision» kritisch unter die Lupe genommen. Am 22. November 2024 wurde an der «Paulus-Akademie» eine Veranstaltung zu diesem Thema durchgeführt: «Eine zeitgemässe Kirchenentwicklung: Vision und Mission von Kirche vor Ort.» Das «zukunftsträchtige» Bild mit zwölf Astronauten beim nachgestellten Abendmahl mit Äpfeln, Banane und Birne wurde inzwischen von der Webseite entfernt, kann aber noch online im Flyer der Veranstaltung in der Paulus Akademie bestaunt werden.

Guido Estermann als Beauftragter für Pastoral im Generalvikariat in der Bistumsregion Zürich-Glarus und Urs Länzlinger, Bereichsleiter Personal im Generalvikariat in der Bistumsregion Zürich-Glarus und zugleich Co-Leiter der Stabstelle Personal des Bistums Chur, haben im Blog der Webseite www.kirchenentwicklung-chur.ch ihre «Visionen» in eine schriftliche Form gebracht. Einem aufmerksamen Leser sei für den Hinweis gedankt. Auf alle fragwürdigen Formulierungen und Floskeln dieser Texte einzugehen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Ich greife zunächst ein Zitat von Urs Länzlinger heraus, das unter dem Titel «Erfolgreich mit einer klaren Vision» zu finden ist:

«Wir als sinnstiftende weltweit tätige kirchliche ‹Nonprofitorganisation› dürfen unseren besonderen Beitrag, unseren Erfahrungsschatz, auch unser liturgisch-rituelles Knowhow durchaus selbstbewusst in die moderne Welt einbringen und dabei ‹Aus der eigenen Quelle trinken›, so wie es Gustavo Gutierrez in seinem Grundlagenwerk 1986 ausgedrückt hatte.»

Gewiss kann Urs Länzlinger darauf verweisen, dass kirchliche «Nonprofitorganisation» (NGO) in Gänsefüsschen daherkommt. Ich kann mich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass manche Kirchentwicklungsexperten genau das Ziel anstreben: die Römisch-katholische Kirche in eine NGO umzufunktionieren. Eine NGO kann jederzeit ihre Statuten, ihre Aufgaben und Ziele umformulieren. Das ist aber bei der Römisch-katholischen Kirche 1.0 gerade nicht der Fall. Sie ist durch Christus gestiftet und ihre Aufgabe ist unaufgebbar: «Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern, tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie alles zu befolgen, was ich euch geboten habe» (Mt 28,19). Jesus spricht jene selig, die das Wort Gottes hören und es befolgen (Lk 11,28). Das Ziel hat der Apostel Paulus eindrücklich formuliert: «Wir wissen: Wenn unser irdisches Zelt abgebrochen wird, dann haben wir eine Wohnung von Gott, ein nicht von Menschenhand errichtetes ewiges Haus im Himmel» (2 Kor 5,1).

Im obigen Zitat wird auf «unser liturgisch-rituelles Knowhow» verwiesen, das wir «durchaus selbstbewusst in die moderne Welt einbringen». Was ist damit gemeint? Sind damit die freischaffenden Liturgiekünstlerinnen angesprochen, welche Krankensalbungen vortäuschen, unerlaubt taufen und Wortgottesdienste feiern, die der Gestaltung von Heiligen Messen zum Verwechseln ähnlich sind, ausser dass es keine heilige Wandlung gibt und die heiligen Hostien aus dem Tabernakel geholt werden?

Fraglich ist zudem, ob wir uns wirklich durch die Spiritualität der Befreiungstheologen inspirieren lassen sollen. Wäre es nicht besser, sich auf eine Spiritualität der heiligen Teresa von Ávila (1515–1582) zu besinnen, einer Powerfrau im besten Sinne des Wortes. Sie hat bekanntlich in einer ausserordentlichen Kombination von Tatkraft und tiefer Frömmigkeit – ohne Rückgriff auf Ansätze moderner Organisationsentwicklungs-Konstrukte – in Zusammenarbeit mit dem heiligen Johannes vom Kreuz 17 Klöster gegründet.
«Aus der eigenen Quelle trinken» bedeutet bei der heiligen Teresa von Ávila, dass Gott die eigene Seele berührt. Somit ist Gott die Quelle, die dann tatsächlich aus dem Inneren strömt, inspiriert und Tatkraft schenkt. Das wirft die berechtigte Frage auf, ob Bischöfe und Kirchenfunktionäre sowie Kirchenfunktionärinnen, die sich am Mainstream orientieren statt am Auftrag Christi, überhaupt in der Lage sind, aus der Quelle Gottes Kraft für ihre Tätigkeit zu schöpfen. Liegt nicht hier die Ursache für die Krise, welche das Volk Gottes und die gesamte kirchliche Hierarchie geschwächt hat?

Niemand wird bestreiten, dass die Kirche vor grossen Herausforderungen steht. Angesichts dessen, sollten wir um den Heiligen Geist bitten, der uns gerade auch mit der Gabe des Rates behilflich ist, Entscheidungen zu treffen, die dem Willen Christi entsprechen. Den Gedanken, dass die angestossenen Entwicklungsprozesse durch Gebet begleitet werden sollten, sucht man in diesem Blog vergebens. Die Gefahr besteht tatsächlich, dass das Bistum Chur durch den Entwicklungsprozess mit Kommissionen, Arbeitsgruppen, Spurgruppen und Pilotgruppen vollgestopft wird, ohne aber die Kirche vorwärts zu bringen und stattdessen lediglich Zeit und Geld zu verschwenden. Dazu passt ein Zitat (samt Schreibfehlern wie im Original) von Guido Estermann, Mitglied des Diözesanen Pastoralentwicklungsteams:

«Das kirchliche Leben soll in der Vernetzung mit andern, nicht-kirchlichen Partner gestalten und praktiziert werden. Vernetzung nach innen und aussen – damit können wir die einen wichtigen Beitrag leisten, innovativ zu bleiben, trotz des Rückbaus (Reduktion) der kirchlichen Strukturen in den jetzigen Verhältnisse. Solche Veränderungsprozesse zu gestalten ist nicht einfach.»

Bei diesem diffusen Statement ist einzig der letzte Satz klar und unbestritten. Gemäss zuverlässiger Quelle soll Guido Estermann ins Bistum Basel wechseln und dort eine andere Aufgabe übernehmen. Immerhin wäre damit schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung gesetzt.

Es harzt auch bei der Stabsstelle Personal
Auf der Webseite des Bistums Chur wird die Aufgabe der Stabsstelle Personal wie folgt umschrieben: «Die Stabsstelle Personal ist als Vorbereitungs- und Beratungsgremium für die strategischen und personalpolitischen Fragestellungen im Bistum zuständig. Sie trägt zur Qualitätssicherung der Entscheidungsfindung in Personalpolitik und Personalstrategie, Personalplanung des Bistums mit ihrer Expertise bei.»

Dieser Worthülsen-Cocktail deutet nicht darauf hin, dass sich dahinter eine desaströse Praxis verbirgt. Nicht nur das Personal, das wie Schachfiguren – allerdings ohne Regeln – herumgeschoben wird, ist inzwischen frustriert, sondern auch etliche Kirchgemeinden als Anstellungsbehörden. Nichts scheint komplizierter zu sein, als einen Pfarrer anzustellen. Viele haben etwas zu sagen: zuallerst der Bischof, die Generalvikare, der Bischofsrat, die Stabstelle Personal, welche die Entscheide vorspurt, und schliesslich sollte ja auch die betroffene Person und die Kirchgemeinde, welche diese anstellt, einverstanden sein.

Die Stabsstelle agiert zweifellos dynamisch, ihre Expertisen sind aber nur allzu oft nicht nachvollziehbar. Gespräche mit dem bedauernswerten Personal werden teilweise für manche hörbar im ÖV per Telefon geführt. Diskretion bei Personalangelegenheiten scheint ein Fremdwort zu sein. Erschwerend kommt hinzu, dass der Bischof seine Zeit lieber mit Interviews und Imagepflege verbringt, als mit seinen Mitarbeitern zu sprechen, die schwierige Situationen in ihrer Pfarrei zu bewältigen haben. Im schlimmsten Fall kommuniziert die Stabsstelle Personal ihren Entscheid per soziale Medien. Es ist schwierig, die Ursache für diesen unhaltbaren Zustand in diesem Dreierteam zu eruieren. Hinter vorgehaltener Hand erklären Kirchenräte und betroffene Personen, den grössten Stunk würde Brigitte Fischer Züger veranstalten.

Eine Verbesserung des Kirchenentwicklungsprozesses im Bistum Chur könnte man wohl erreichen, wenn zwei Personen (Brigitte Fischer Züger und Urs Länzlinger) aus der Stabsstelle Personal mit Dank für die geleisteten Dienste verabschiedet würden. Es lässt sich nicht bestreiten: Das Personalwesen war auch vor 2022 suboptimal, als es die Stabsstelle Personal noch gar nicht gab. Somit wäre letztendlich die Aufhebung der Stabsstelle als solcher und der Verzicht auf deren Expertisen kein Verlust, sondern ein kleiner Schritt hin zu einer «Qualitätssicherung der Entscheidungsfindung in Personalpolitik», die ihren Namen verdient.


Makoto Weinknecht

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    Sergio 24.03.2025 um 03:38
    Es würde mich interessieren, woran diese Leute überhaupt noch glauben. Ich habe Hunderte und Aberhunderte von Artikeln über die Kirche gelesen, aber ich mag mich nicht erinnern, auch nur ein Wörtchen über den Glauben gelesen zu haben. Über alles Mögliche wird gequatscht, aber was ist mit den Glaubenswahrheiten? Gilt noch die Trinität, oder ist die Formel von Nicäa definitiv überwunden (schon Hans Küng äusserte Zweifel, aber noch diskret). Ein Priester (nicht aus Chur) meinte einmal, er sage das Credo nicht mehr auf, weil er daran nicht mehr glaube. Ein anderer Priester meinte, die Erbsünde sei ein Witz, es habe sie nie gegeben. Aber ohne Erbsünde wäre kein Erlösungswerk nötig gewesen. Auch meinte ein anderer Priester, man solle nicht mehr erzählen, Christus sei tatsächlich auferstanden. Und wie steht es mit den anderen geoffenbarten Wahrheiten, mit den Dogmen usw.? Offenbar alles Blödsinn, was zählt heute sind Organisations- und Personalfragen. Ich pflege zu sagen, dass wir der Direktübertragung vom Ende des Christentums beiwohnen. Der "aggiornamento" von Johannes XXIII ist in die Liquidation des Katholizismus gemündet. Kirche 2.0 ? Das ist doch ein Witz. Worum geht es überhaupt noch? Was wollen die Leute? Die "freie Liebe" steht doch offenbar im Mittelpunkt der modernen Christen, man soll die sexuelle Orientierung respektieren (von wegem Diskriminierungsverbot). Arme Kirche, es sind wohl alle übergeschnappt, aber das Geld brauchen die Leute noch, das soll weiter fliessen.
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    Fritz Walter 20.03.2025 um 21:09
    Vielleicht wäre es für das Seelenheil dieser gesamten Entourage einmal nicht schlecht, sie würde sich geschlossen in Écône als freiwillige Putzkolonne melden. Bei dieser Arbeit würde sie 1. keine Verwirrung stiften, 2. endlich etwas Sinnvolles tun, und 3. beiläufig erfahren, was Katholizismus ist.
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    Theodora Schaffer 19.03.2025 um 15:35
    Es braucht auch die Schatten, damit man das Licht zu schätzen weiss. Man muss sich das Kasperltheater genau anschauen, damit man sich wieder neu für die heilige Ordnung entscheiden kann. Wer von einem Froschgequake genervt das Klassik Radio anstellt, freut sich umso mehr über Gregorianik oder Bachs h-moll Messe. An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen und wer sich die Statistiken anschaut, der kann beobachten, dass nur wahre Kirchenmänner, wie Bischof Huonder einer war, auch die Kirche erbauen können.
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    ser AD 19.03.2025 um 09:46
    Guido Estermann durfte an der Dekanatsversammlung referieren, es war eine Katastrophe.

    Im übrigen widerspiegeln obige Darlegungen den chaotischen Zustand im Bistum Chur, angefangen bei der unbrauchbaren Homepage, nach welcher das Bistum Chur "Aufgaben habe".

    Alles gesagt.
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    Damian Müller 18.03.2025 um 16:19
    Es ist erstaunlich, dass der Synodalrat Zürich mit seiner Kommunikationsabteilung jemanden für einen Kommentar bezahlt. Nur weil sie selbst wissen, dass sie, im Auftrag ihres Bio-Deutschen Schattengenerals Entscheidungen getroffen haben, die nur der eigenen Vergewisserung dienen, das alles böse und schlecht ist.
    Es bleibt zu hoffen, das zumindest die Summe gross genug war, denn das ist, wie allseits bekannt die Motivation. Nicht Gott, Jesus oder die Kirche an sich.
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    Spilker 18.03.2025 um 15:19
    Wenn der Autor mit solcher Kritik um sich schlägt und dabei Klarnamen verwendet, darf erwartet werden, dass auch er mit seinem vollständigen Namen dafür einsteht.
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      Martin Meier-Schnüriger 21.03.2025 um 11:01
      Und wie wäre es, mit gutem Beispiel voranzugehen? "Spilker" ist wohl kaum ein richtiger Name ...