Das Urteil des Bundesgerichts in Sachen Mädchenschule St. Katharina Wil vom 17. Januar 2025 ist nicht das erste seiner Art. Bereits das Kruzifix-Urteil vom 26. September 1990 gegen die Tessiner Gemeinde Cadro war skandalös. Beiden Urteilen ist gemeinsam, dass sie erstens in eklatanter Weise gegen grundlegende Normen der schweizerischen Rechtsordnung verstossen und zweitens gegen die katholische Kirche gerichtet sind.
Doch der Reihe nach: Ein Lehrer hatte gegen das Anbringen von Kruzifixen in der Primarschule seiner Gemeinde Cadro Beschwerde erhoben, denn damit würde die in der Bundesverfassung verankerte Neutralität der Schule wie auch die Glaubens- und Gewissensfreiheit verletzt. Nach einem Schriftenwechsel zwischen Bundesrat und Bundesgericht wurde die Beschwerde dem Bundesrat zur Behandlung zugewiesen. Der Bundesrat wies die Klage ab, worauf wiederum der Beschwerdeführer an die Bundesversammlung gelangte. Letztere hob ihrerseits den Entscheid des Bundesrates auf und gab den schwarzen Peter an das Bundesgericht weiter, welches nach anfänglicher Weigerung schliesslich materiell darauf eintrat und dem Beschwerdeführer Recht gab: Das Anbringen eines Kruzifixes in den Schulzimmern einer Primarschule verstosse gegen die in der Bundesverfassung verankerte religiöse Neutralität der öffentlichen, sprich staatlichen Schule.
Der Haken dabei: Das Bundesgericht war nach damaliger Rechtsprechung gar nicht befugt, diesen Fall zu behandeln, es hätte ihn ohne Wenn und Aber wegen Unzuständigkeit zurückweisen müssen. Denn das damalige Verwaltungsverfahrensgesetz hielt in Art. 73 ausdrücklich fest: «Die Beschwerde an den Bundesrat ist zulässig gegen Verfügungen letzter kantonaler Instanzen und gegen kantonale Erlasse wegen Verletzung von Art. 27 Abs. 2 und 3 der Bundesverfassung über das kantonale Schulwesen.»
Hintergrund dieser Sondernorm: Die Architekten der Bundesverfassung von 1874 wollten kulturkämpferische Angelegenheiten, wozu vorzugsweise das Schulwesen gehört, letztinstanzlich nicht dem Bundesgericht, sondern den politischen Behörden, sprich dem Bundesrat, zur Entscheidung zuweisen. Man traute der eigenen Justiz nicht über den Weg.
Doch nicht nur diese manifeste Verletzung prozessualer Rechtsnormen, sondern ebenso, ja vielmehr die inhaltliche Begründung des Verbots von Kruzifixen in Schulräumen durch das Bundesgericht vermag einer objektiven Betrachtungsweise nicht standzuhalten.
Mogelpackung «weltanschauliche Neutralität»
Eine zentrale Rolle spielt dabei der Begriff der «weltanschaulichen Neutralität». Tatsächlich ist der Begriff irreführend, eine semantische Mogelpackung, um – wie die jüngste Spruchpraxis des Bundesgerichts zeigt – einschlägige Gesetzesbestimmungen ideologisch aufladen und (gegen die katholische Kirche) instrumentalisieren zu können. Denn in zahlreichen, gerade weltanschaulich konnotierten Fällen kommt der Staat gar nicht darum herum, diesbezüglich Farbe bekennen zu müssen. Um nur einige Beispiele zu nennen: Ob der Staat die Polygamie erlaubt oder an der Monogamie festhält, ob er die Sterbehilfe oder gar die Tötung auf Verlangen legalisiert, ob er die Leihmutterschaft erlaubt oder nicht: Stets bleibt ihm dabei nichts anderes übrig, als auf Wertmassstäbe zurückzugreifen, die in einer wie immer gearteten Wertanschauung wurzeln, ist ergo alles andere als «weltanschaulich neutral».
Was in diesem Zusammenhang nicht ausser Acht gelassen werden darf: Mit Urteil vom 18. März 2011 hat die oberste Instanz des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entschieden, dass das Anbringen von Kruzifixen nicht gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit verstösst (Art. 9 EMRK). Anlass zu diesem Urteil gab eine Klage italienischer Eltern, die sich beschwerten, dass in einer von ihren Söhnen besuchten öffentlichen Schule Kruzifixe angebracht wurden. Die Eltern rekurrierten bis zum Europäischen Gerichtshof, wo ihnen die Kleine Kammer Recht gab. Dagegen erhob wiederum die italienische Regierung Einspruch bei der Grossen Kammer, welche mit 15 : 2 Stimmen endgültig entschied, Kruzifixe in öffentlichen Schulen seien nicht zu beanstanden. (Nota bene: Einer der beiden Minderheitsrichter war der Schweizer Giorgio Malinverni).
Die Grosse Kammer begründete ihren Entscheid unter anderem damit, dass zwar das Anbringen eines Kruzifixes zur verstärkten Sichtbarmachung der Mehrheitsreligion führe, dies jedoch den Schülern zuzumuten sei, weil sie dadurch in ihren religiösen Überzeugungen nicht beeinträchtigt würden. Die oberste Instanz des Europäische Gerichtshofes hielt darüber hinaus fest, dass Entscheidungen auf dem Gebiet der Erziehung und des Unterrichts in die Kompetenz der Vertragsstaaten fallen und demzufolge selber entscheiden können, ob sie in Klassenzimmern öffentlicher Schulen Kruzifixe anbringen wollen oder nicht.
Der Europäische Gerichtshof hat ergo das Kruzifixurteil des Bundesgerichts vom 26. September 1990 indirekt aufgehoben. Das «Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte» hat in einer Analyse des Urteils des Europäischen Gerichtshofes festgehalten, dass dieses zwar keine direkten Auswirkungen auf die Schweiz habe, aber gleichwohl von grosser Bedeutung sei. Es bezog sich dabei ausdrücklich auf das Kruzifix-Urteil des Bundesgerichts. Wie bisherige Erfahrungen, insbesondere das soeben ergangene Urteil des Bundesgerichts gegen die katholische Mädchenschule Wil, zeigen, scheint die hiesige Justiz die verbindlichen Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes ignorieren oder gar bewusst sabotieren zu wollen.
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Zunächst bitte ich um Nachsicht, dass ich es unterlassen habe, das dümmste Argument der Kathi-Hasser unter die Lupe zu nehmen. Sie haben es kongenial auf den Punkt gebracht: «Unter Berufung auf das Gleichbehandlungsgebot könnte demnach jede religiöse Gemeinschaft (auf Kosten des Staates) ihre eigenen Schulen führen. Die Konsequenz wäre nichts anderes als die Abschaffung der öffentlichen Volksschule und eine staatlich geförderte Entwicklung von Parallelgesellschaften.» Auf gut (St. Galler-)Deutsch zusammengefasst: «Do chönt jo jede cho.» Ja, warum denn nicht, wenn dabei die Lernziele des Lehrplanes 21 eingehalten werden? Dies geht übrigens nicht «auf Kosten des Staates», wie Sie fälschlicherweise behaupten. Der Staat ist nicht Eigentümer der Steuern (zu denen auch die Eltern der Kathi nicht zu knapp beitragen), sondern lediglich dessen Treuhänder, oder sollte es wenigstens sein. Wenn dies zur Abschaffung der öffentlichen Volksschule führen sollte, muss es um deren Zustand verdammt schlecht bestellt sein, zumal ja der Besuch einer Schule wie der Kathi völlig freiwillig erfolgt.
Erschreckend vor allem aber Ihre komplette Realitätsverweigerung, dem antikatholischen Ressentiment geschuldet. Verfolgt man Ihre Auslassungen in Politik und Medien, kommt man um den Eindruck nicht herum: Es wimmelt in der Schweiz nur so von Schulen à la Kathi, die Machtergreifung durch solche Bildungseinrichtungen steht unmittelbar bevor. Das pure Gegenteil ist der Fall: Soeben hat das Theresianum Ingenbohl entschieden, inskünftig auch Buben ins Gymnasium aufzunehmen. Das Kathi wird demnächst die einzige Schule seiner Art in der Schweiz sein.
Und damit sind wir beim springenden Punkt: Ihr ständiges Gerede von Diversität und Vielfalt hindert Sie und Ihre Entourage nicht daran, das Unikat namens Kathi finanziell abzuwürgen: intoleranter und zugleich verlogener gehts nicht mehr. Ich empfehle Ihnen die Lektüre des Leitartikels von Benedict Neff in der NZZ vom vergangenen Samstag. Tenor: «Woke als Leitkultur ist am Ende.» Vielleicht kommen auch Sie noch zur Besinnung - ganz im Sinne der gut biblischen «Hoffnung wider alle Hoffnung».
Niklaus Herzog, Redaktionsleiter swiss-cath.ch
Es geht bei diesem Fehlurteil um das A und O unseres föderalen Bundesverfassung.
Da wird auch der Einsatz kantonaler Regierungen entscheidend sein, damit dieses hasserfüllte Urteil in seiner Gegenstandlosigkeit aufgehoben wird.
Ich hoffe auch auf ein klares und deutliches Wort aller konfessionellen Autoritäten.