Bild: Sandra Seitamaa/Unsplash

Kommentar

Das Inter­net­por­tal kath​.ch trennt sich vom umstrit­te­nen Redak­ti­ons­lei­ter Raphael Rauch

Raphael Rauch wird per Juni 2023 im Wirt­schafts­res­sort des Sonn­tags­Blick eine neue Stelle antre­ten. Der Weg­gang des Redak­ti­ons­lei­ters beim Inter­net­por­tal kath​.ch dürfte für viele Katho­li­kin­nen und Katho­li­ken ein ver­früh­tes Weih­nachts­ge­schenk darstellen.

Direktor Charles Martig lobt auf kath.ch seinen Redaktionsleiter: «Raphael Rauch hat mit viel Energie neue Themen besetzt und Projekte vorangetrieben. Der erfolgreiche Change-Prozess von kath.ch erregte Aufsehen in der Kirche und in der Medienlandschaft.» Und weiter heisst es, Rauch hätte mit investigativen Recherchen, z. B. zur Bischofswahl in Chur, in der katholischen Kirche für mehr Transparenz gesorgt. Schliesslich habe er, so Martig wörtlich, «Innerhalb von drei Jahren die Anzahl der Unique User mehr als verdreifacht.» Vor allem letzterer Satz hat es in sich. Er steht für den selektiv-einseitigen Journalismus, den kath.ch unter der Regie von Rauch betreibt. Denn nicht die blosse Verdreifachung als solche ist relevant, sondern die absolute, reale Zahl (von Hundert auf Dreihundert? Von Tausend auf Dreitausend?). Just diese die Öffentlichkeit interessierende Zahl hält kath.ch unter Verschluss.

Genau so verhält es sich mit der Auswertung der Umfrage, die von der Fachgruppe 2 der Schweizer Bischofskonferenz und der Römisch-katholischen Zentralkonferenz in Auftrag gegeben wurde und die Einschätzung der journalistischen Qualität von kath.ch durch die Leserschaft ausloten sollte.

Manipulative Vorgehensweise
Üblicherweise präsentiert die für eine Umfrage zuständige Stelle – in diesem Fall das Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich (fög) – ihre Ergebnisse. Doch das wollte der Redaktionsleiter von kath.ch anscheinend unter allen Umständen verhindern. So führte er zunächst ein Interview mit Jörg Schneider, dem Verantwortlichen von fög. Eine clevere Taktik, gibt doch der Journalist die Fragen vor und bestimmt so den Verlauf des Interviews und dadurch auch das, was gesagt bzw. eben nicht gesagt wird. Und damit wirklich niemand von fög zu Wort kommen konnte, stellte Rauch im Anschluss auch gleich selbst die seiner Meinung nach wichtigsten Ergebnisse vor. Der Beitrag kam grafisch gut aufgemacht und mit netten Bildern versehen daher – und so fiel nicht auf, dass die eigentlichen Ergebnisse der Umfrage gar nicht publiziert wurden.

Rauch versucht im Interview durch das ständige Wiederholen von «An Journalistenschulen lernt man», den Eindruck zu erwecken, dass kath.ch Lehrbuch-Journalismus betreibe. Er betont, dass die Privatwirtschaft neidisch auf kath.ch sei und dass es kath.ch gelungen sei, die Klickzahlen zum Teil zu verdreifachen und das Alter der User zu verjüngen. Doch wie bereits gesagt, erfährt die Leserschaft die konkreten Ergebnisse nicht, obwohl diese gemäss eigenen Angaben bereits am 21. September 2021 in einem Workshop vorgestellt und mit Expertinnen und Experten diskutiert wurden. Seltsam ist, dass cath.ch (das welsche Pendant zu kath.ch) bereits am 31. Dezember 2021 die Ergebnisse publizierte.

Lob für cath.ch und catt.ch
Welche konkreten Angaben aus der Umfrage können aus dem Beitrag herausgelesen werden? Zwei Sätze fallen auf. «Im Vergleich zu kath.ch besteht einhellige Zufriedenheit mit der Berichterstattung von cath.ch und catt.ch» und «cath.ch und catt.ch erhalten dagegen überwiegend positive Bewertungen, wobei die Resonanz der Nutzer_innen relativ gering ist». Sowohl das französischsprachige wie auch das italienischsprachige Internetportal macht also seine Sache gut. Dass sich bei der Umfrage weniger Nutzerinnen und Nutzer von cath.ch und catt.ch beteiligten, kann nicht überraschen, ist doch das entsprechende Einzugsgebiet viel kleiner. 844 Nutzerinnen und Nutzer machten beim Interview mit, davon betrafen 683 (81 Prozent) kath.ch, 108 (13 Prozent) cath.ch und 53 (6 Prozent) catt.ch. Gemäss der aktuellen Kirchenstatistik des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts SPI wohnen 64 Prozent aller Katholikinnen und Katholiken in den Bistümern Basel, Chur und St. Gallen, 28 Prozent in den Bistümern Sitten und Lausanne, Genf und Freiburg und 8 Prozent im Bistum Lugano. Geht man davon aus, dass die deutschsprachigen Katholikinnen und Katholiken des Oberwallis und in Deutschfreiburg eher kath.ch als cath.ch nutzen, so relativiert sich die Aussage, wonach die Resonanz gering sei, ganz erheblich. Angesichts rund 2,4 Millionen Katholikinnen und Katholiken sind 844 Interviews sowieso bescheiden. Es bleibt die Tatsache, dass cath.ch und catt.ch gute Arbeit leisten und ihre Nutzerinnen und Nutzer zufrieden sind.

Investigativer Journalismus?
Wie sieht es nun mit kath.ch aus? Zunächst zwei Aussagen aus dem Ergebnis:

«Die Bewertungen von kath.ch fallen unterschiedlich aus: positive und negative Stimmen halten sich die Waage.»
«kath.ch verbindet die Berichterstattung mit einem hohen Kritikgehalt und einer starken Personenfokussierung. Es wird bemängelt, dass die Blickwinkel oft zu einseitig sind und kirchenkritische Positionen bevorzugt werden. Doch es gibt ebenso explizite Voten, die diese publizistische Strategie loben und kath.ch als dynamisches Element für das katholische Milieu in der Schweiz schätzen.»

Im Gegensatz zu cath.ch und catt.ch arbeitet kath.ch beileibe nicht zur Zufriedenheit aller Nutzerinnen und Nutzer; dies anscheinend wegen seines hohen Kritikgehalts und seiner starken Personenfokussierung. Journalismus soll selbstverständlich kritisch sein. Es stellt sich daher die Frage, warum gerade dieser Punkt von vielen bemängelt wurde.
Im Interview fragt Rauch: «Uns hat viel Kritik erreicht, weil wir kritisch über die liberale Seelsorgerin Monika Schmid berichtet haben. Wenn wir kritisch über die Piusbrüder oder Martin Grichting berichten, erhalten wir hingegen Beifall. Warum verstehen die Menschen nicht, dass sich Medienschaffende nicht mit einer Sache gemein machen dürfen – auch nicht mit einer guten Sache?» Er suggeriert mit dieser Frage, dass kath.ch objektiv berichten würde. Wer hingegen die Berichterstattung auf kath.ch verfolgt, weiss, dass kritische Berichte über sogenannt liberale Personen äusserst selten sind, während sogenannt konservative Personen ständig in der Kritik stehen. Im unverrückbaren Glauben, er vertrete den einzigen richtigen Standpunkt, hält Rauch selbst oft den nötigen Abstand zur Sache nicht ein und berichtet tendenziös. Mit der Behauptung, die Leserinnen und Leser wollten nicht verstehen, dass man sich nicht mit einer Sache gemein machen dürfe, hängt er sich sozusagen eine weisse Weste um, indem er die Leserinnen und Leser anschwärzt.

In eine ähnliche Richtung geht es bei der Bildlegende zum Protokoll der Bischofswahl in Chur: «Im November 2020 hat kath.ch das Protokoll der verhinderten Bischofswahl veröffentlicht. Viele schätzen diesen investigativen Journalismus.» Investigativer Journalismus betreibt genaue und umfassende Recherchen zu einem der Öffentlichkeit als Skandal verkauften Vorgang. Wenn erwachsene Personen mit viel Lebenserfahrung mehrheitlich entscheiden, dass die zur Wahl stehenden Personen als künftiger Bischof von Chur ungeeignet sind, was ist daran skandalträchtig? kath.ch argumentierte, dass die sogenannt konservativen Domherren sich von Domherr Martin Grichting vorschreiben liessen, wie sie abzustimmen hätten. Hat kath.ch wirklich – wie bei investigativem Journalismus vorgesehen – alle diese Domherren auf Herz und Nieren geprüft, sodass es sie öffentlich als willensschwache und leicht manipulierbare Menschen verunglimpfen konnte? Als Rauch einzelne Domherren anrief, um sie über die anstehende Bischofswahl auszufragen, wurde er darauf aufmerksam gemacht, dass alles, was mit der Bischofswahl zusammenhängt, dem päpstlichen Geheimnis untersteht. Mindestens einer seiner Versuche der Anstiftung zur Amtsgeheimnisverletzung muss erfolgreich gewesen sein. Hat Rauch damit nicht die Grenze des investigativen Journalismus eines katholischen Internetportals überschritten? Die Fotos von kath.ch wurden am Tag der unter dem päpstlichen Geheimnis stehenden Domkapitelversammlung vor dem bischöflichen Schloss gemacht, ohne dass die betroffenen Domherren um Erlaubnis gefragt wurden. Rauch hat damit etliche Beiträge in Bildreportermanier illustriert.

Die Umfrage bescheinigt kath.ch, «dass kompetent gearbeitet wird». Die Tatsache, dass kath.ch vom Schweizer Presserat wegen Verletzung der Wahrheitspflicht gerügt wurde, dürfte damit nicht gemeint sein. Die Verantwortlichen der Umfrage schlagen vor, dass «über Doppel-Interviews verstärkt konträre Positionen zu Wort kommen» und dass kath.ch seine Strategie schärft. Konkret soll sich kath.ch klar darüber werden, für wen es schreibt: «akademisches/theologisches ‘Fachpublikum’, kircheninterne Community/Communities, katholisches/christliches Milieu, breite Bevölkerung/Öffentlichkeit?».

Besteht noch Hoffnung?
Es bleibt zu hoffen, dass kath.ch diese Vorschläge beherzigen und umsetzen wird. Die Chancen dazu wären nach dem Abgang von Raphael Rauch durchaus vorhanden. Ernsthafte Zweifel sind jedoch angebracht. Die vakante Stelle soll nach Angaben von kath.ch noch im Dezember 2022 pro forma ausgeschrieben werden. Doch in den Startlöchern steht bereits Jacqueline Straub, Chefin vom Dienst bei kath.ch und ideologische Erfüllungsgehilfin von Rauch.

Und wie weiter mit Rapahel Rauch selbst? Sonntags-Blick-Chefredaktor Gieri Cavelty freut sich über diesen Neuzugang: «Ein Kollege von diesem Format und mit diesem Profil ist ein grosser Gewinn für unsere Wirtschaftsberichterstattung.»1
Vom Psychogramm her werden sich die beiden bestimmt gut verstehen, denn auch Cavelty versucht immer wieder auf Teufel komm raus, mit knalligen Schlagzeilen die Aufmerksamkeit auf den serbelnden SonntagsBlick zu lenken («Aus Angst vor dem Tod begeht der Bundesrat Selbstmord»; «Der Bundesrat und seine Henker», so seine Kolumnen-Titel). Aber der aktuelle Redaktionsleiter von kath.ch als Verstärkung des Wirtschaftsressorts vom «SoBli»? Rauch hat Geschichte, Politwissenschaft und Theologie studiert, inwiefern er wirtschaftswissenschaftlich qualifiziert ist, bleibt rätselhaft, es sei denn als deutscher Wirtschaftsflüchtling.

 


1 https://www.ringier.com/de/von-kath-ch-zur-blick-gruppe-raphael-rauch-wechselt-zum-sonntagsblick/

 

 


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

E-Mail

Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.

Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

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Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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    Robert Droux 03.12.2022 um 16:01
    Gut ist Raphael Rauch weg. Aufräuen tut Not. Ähnliche Probleme gibt es mit den Redaktionen bei den sog. Pfarrplättern. Was dort mehrheitlich an Negativem unter dem Deckmantel kritisch geschrieben wird, ist oft geradezu ketzerisch. Jede Inforationsplattform der Katholiken muss doch über religiöses, kirchliches, liturgisches, evangelisches usw. grundsätzlich positiv und umfassend berichtden. Wenn ich eine Automobilzeitung aufschlage erwarte ich Infos über Autos und Motoren, wenn ich ein katholische Medium aufschlage werden mit unbedeutende Personifizierungen, Sozialklamauk, manipulative Beiträge gegen kirchliche Würdenträger, nichtssagende Erlebnisberichte von Laientheologen und Gemeindeleitern usw. präsentiert, mit dem Ziel, den Klerus draussen zu halten und oder zu diskretditieren. So kommen wir nicht weiter, das ist nicht Mission für das Evangelium und den Glauben der katholischen Kirche. Das Aufräumen muss auf breiter Front erfolgen und hat hoffentlich erst begonnen.
  • user
    Heinz Angehrn (SKZ) 03.12.2022 um 14:20
    Partiell muss ich zustimmen, aber nur partiell. Denn: Boulevard ist einfach nicht unser Stil, das verstösst gegen Kant/Popper und jesuanische Nächstenliebe zugleich. Ein No-Go. Ich habe ihm das auch in eigener Sache so geschrieben.

    So war für mich der Stein des Anstosses nicht im geringsten die damalige Leak-Info zur verhinderten Wahl (das war absolut notwendig, solche Geheimhaltung stammt ja noch aus einer absolutistischen Vergangenheit, und ), aber die mit entsprechenden Bildern aufgepeppten und sich wiederholenden Texte zu vermeintlichen oder angedeuteten Mängeln oder Ausrutschern von Klerikern.

    In einem prominenten Fall etwa hat RR in der Phase zwischen Nicht-Wahl und Ernennung in Chur so daneben gegriffen, dass ich privat-kirchenintern intervenierte. Es gibt Zeugen dafür.

    Aber Euer ständiges Gejammer, wie kirchenfeindlich und von der Basis entfernt (Basis? Which basis?) das von den feindlichen Kantonalkirchen finanzierte kath.ch arbeitet, nervt mich. Das ist nur demagogisch und ebenso spaltend, das muss auch gesagt sein.
    • user
      Kirchenkätzchen (=M. Dahinden, Riemenstalden) 06.12.2022 um 15:47
      „Absolutistische Vergangenheit“. So, so. Dieses Argument, sehr geehrter Herr Angehrn, wird erst dann zählen, wenn eine gewisse andere Seite auch transparent wird. Sie werden es kaum verstehen, aber davon sind wir weit, weit weg.
  • user
    Tobias Maier 01.12.2022 um 11:03
    Über die im Beitrag erwähnten Defizite in der Kommunikation der Evaluation wäre zu erwähnen:

    1. Dass es zahlreiche Skandale gab, auch solche für die sich RKZ bzw. SBK öffentlich entschuldigen mussten oder die vom Presserat oder relevanten Gruppen in der Kirche beanstandet wurden, war offenbar kein Thema bei der Evaluation.

    Schade!

    2. Dass kath.ch zur Loyalität mit der kirchlichen Lehre verpflichtet ist, spielte in der Evaluation durch die sogenannten Medien-Experten offenbar keine Rolle.

    Schade!

    3. Dass Personalisierung das eine, persönliche Verunglimpfungen, Verletzungen und Ehrbeleidigungen aber etwas anderes sind, wird ebenfalls verschwiegen oder unter den Tisch gekehrt.

    Schade!

    4. Dass eine Position zu haben oder Skandale aufzudecken und unliebsame Personen gezielt anzugreifen, verschiedene Paar Schuhe sind, wird nicht erwähnt.

    Schade!

    5. Dass es offenbar sehr viele sehr negative Bewertungen gab, wird mit dem Begriff "Polarisierung" eher verschleiert als thematisiert.

    Schade!

    Während kath.ch sich gegenüber anderen als "Watch-Dog" inszeniert, verleugnet es seine eigenen Fehler, Skandale und Abgründe. Es wird alles unternommen, um im besten Licht zu erscheinen.

    Mit Transparenz ist es da nicht sehr weit her!

    Sehr Schade!
  • user
    Kirchenkätzchen 30.11.2022 um 20:49
    Der Skandal ist weder das Medium noch seine Verbreitung. Der Skandal ist das Patronat der Schweizer Bischöfe.