Hintergrundbericht

Den Blick mit Maria him­mel­wärts richten

«Ihr Män­ner von Gali­läa, was steht ihr da und schaut zum Him­mel empor? Die­ser Jesus, der von euch ging und in den Him­mel auf­ge­nom­men wurde, wird ebenso wie­der­kom­men, wie ihr ihn habt zum Him­mel hin­ge­hen sehen.» (Apg 1,11)

Dieser Satz, den zwei Engel an Christi Himmelfahrt an die zurückgebliebenen Apostel und Jünger richteten, enthält einen leisen Vorwurf. Er erinnert auch an den Ostertag, als zwei Männer in leuchtenden Gewändern zu den Frauen sagten: «Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?» (Lk 24,5)

Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt!
Nach all den Begegnungen mit dem auferstandenen Herrn zwischen dem Ostertag und Christi Himmelfahrt sollten sie doch wissen, dass Jesus trotzdem bei ihnen bleibt, und zwar «alle Tage bis zum Ende der Welt» (Mt 28,20). Sie sollten doch wissen, dass er zum himmlischen Vater gehen musste, damit sie den Beistand, den Heiligen Geist, empfangen konnten. Doch dieser Blick himmelwärts ist menschlich ganz und gar verständlich; dieser Blick in jene Richtung, wo sie eben noch Jesus sahen und er ihnen entschwand. Das Bedürfnis nach seiner Gegenwart lässt sie immer noch dorthin schauen, wo er längst entschwunden ist.

Jesus schwebte vor ihren Augen zum Himmel und eine Wolke verhüllte ihn ihren Blicken. Natürlich dürfen wir nicht so naiv sein, den Himmel Gottes und der Heiligen einfach mit dem blauen Wolkenhimmel über uns gleichzusetzen oder mit dem Sternenhimmel des Alls. Mit den Dimensionen Raum und Zeit können wir den Himmel nicht beschreiben. Wir können allerlei Vergleiche anstellen und doch werden wir die himmlische Wirklichkeit niemals angemessen beschreiben können. Wir sollten wohl den Himmel besser als Zustand des Glücks verstehen, als Ziel, das es um alles in der Welt anzustreben gilt. Der Evangelist Johannes schreibt: «Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast» (Joh 17,3).
 


Gott übersteigt jede irdische Vorstellungskraft. Er ist nicht nur der Schöpfer der sichtbaren Wirklichkeit, sondern auch der unsichtbaren, zu der wir nicht den gleichen Zugang haben wie zu unserer mit allen Sinnen erfahrbaren Wirklichkeit! Wir haben nur eine Ahnung von der Herrlichkeit, die uns erwartet. So schreibt der Apostel Paulus: «Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich unvollkommen, dann aber werde ich durch und durch erkennen, so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin» (1 Kor 13,12).

Richtet euren Sinn auf das Himmlische
Trotzdem – so falsch ist der Blick himmelwärts nicht, wenn man das richtig versteht. Im Gegenteil! Ist es nicht so, dass uns unzählige Dinge tagtäglich davon abhalten, unseren Blick vom Irdischen zum Himmlischen zu richten? Im Kolosserbrief werden wir aufgefordert: «Ihr seid mit Christus auferweckt; darum strebt nach dem, was im Himmel ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt. Richtet euren Sinn auf das Himmlische und nicht auf das Irdische!» (Kol 3,1–2). Sicher, wir alle haben unsere irdischen Aufgaben, von denen wir uns nicht dispensieren können, z. B. unsere Pflichten in der Familie und im Beruf. Trotzdem sollte uns das nicht davon abhalten, in unseren irdischen Aufgaben auch an Gott zu denken, uns seiner Gegenwart bewusst zu sein. Wenn Nächstenliebe echt und wahr ist, ist sie immer auch verbunden mit Gottesliebe. Es ist möglich und geradezu empfehlenswert, unsere alltäglichen Pflichten zugleich auch auf Gott auszurichten. Zusätzlich sollten wir regelmässig stille Momente des Gebetes halten. Die Jünger gingen nach Christi Himmelfahrt voll Freude (Lk 24,52–53) nach Jerusalem zurück. Sie versammelten sich im Gebet mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, bis sie am Pfingstfest den Heiligen Geist empfingen.
 


Maria hilft uns, Jesus im Blick zu behalten
Maria hat damals während der Tage vor Pfingsten um den Empfang des Heiligen Geistes mitgebetet. Sie, die als erste von allen Menschen ihrem Sohn gleich wurde und nicht nur mit der Seele, sondern auch mit ihrem Leib in die himmlische Herrlichkeit einging, sie betet immer noch für uns und mit uns zusammen. Die Mutter Christi ist auch unsere Mutter. Daher ist ihr unser irdisches Schicksal und erst recht das Schicksal nach unserem Tod nicht gleichgültig. Sie tritt für uns bei ihrem Sohn ein. Der Marienmonat Mai, der durch die Maiandachten geprägt ist, hilft uns dank der Gottesmutter Maria, ihren Sohn nicht aus dem Blick zu verlieren. Behalten wir ihn im Blick: durch die Teilnahme an der sonntäglichen Eucharistie und den Empfang des heiligen Busssakramentes. Dann werden wir Christus einst in seiner Herrlichkeit schauen, so wie er ist, und er wird niemals mehr unserem Blick entschwinden!
 

Es ist in der Katholischen Kirche Tradition, zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten die Pfingstnovene zu beten. Diese geht auf das Gebet der Urkirche in den Tagen zwischen Christi Himmelfahrt und der Sendung des Heiligen Geistes am Pfingsttag zurück.


Roland Graf
swiss-cath.ch

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Dr. Roland Graf ist Pfarrer in Unteriberg und Studen (SZ). Er hat an der Universität Augsburg in Moraltheologie promoviert und war vor seinem Theologiestudium als Chemiker HTL tätig.


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Bemerkungen :

  • user
    Gabriela Ulrich 19.05.2023 um 11:20
    Dr. Roland Graf, Pfarrer von Unteriberg und Studen legt dar, was mit Christi Himmelfahrt für uns gemeint ist.
    "Richtet euren Sinn auf das Himmlische". Denn im Himmel ist für uns eine Wohnung bereitet. "Maria hilft uns, Jesus im Blick zu behalten." "Der Marienmonat Mai, der durch die Maiandacht geprägt ist, hilft uns dank der Gottesmutter Maria, ihren Sohn nicht aus dem Blick zu verlieren. Behalten wir ihn im Blick: durch die Teilnahme an der sonntäglichen Eucharistie und den Empfang des Bussakramentes. Dann werden wir Christus einst in seiner Herrlichkeit schauen, so wie er ist, und er wird nie mehr unserem Blick entschwinden!"

    In der Herder Bibel, Das Neue Testament steht:

    Die Verheissungen, die Israel besass, waren gross und kostbar, unsere himmlischen Verheissungen sind aber kostbarer und grösser (vgl. 1. Petrus 1,4)

    Göttliche Gaben und menschliche Tugend: Alles hat uns seine göttliche macht geschenkt, was zum Leben und zur Frömmigkeit gehört, durch die Erkenntnis dessen, der uns berufen hat durch seine eigene Herrlichkeit und Kraft. Durch sie wurden uns die kostbaren und grössten Verheissungen geschenkt, damit ihr durch sie an der göttlichen Natur Anteil erlangt, nachdem ihr der verderblichen Begierde in der Welt entronnen seid. (2. Petrus 1, 3-4)

    Wo in Ortskirchen keine regelmässige sonntägliche Eucharistie gefeiert wird und das Bussakrament gar nicht mehr abgenommen wird, ist es besser diese zu verlassen und eine andere Pfarrei zu suchen, wo vom Priester die Sakramente gespendet werden. Auch wenn der Weg sehr weit ist, lohnt es sich diesen Pilgerweg, wegen des Himmelreich zu gehen!
  • user
    sur AD 17.05.2023 um 21:28
    Lieber Roland, sehr gut geschrieben, danke vielmal. Eine solche Betrachtung habe ich noch nie gehört und auch nicht selber gehabt.
    Eine Formulierung ist aber etwas missverständlich: sie wurde als erste ihrem Sohn gleich, das setzt nach gängigem theologischem Sprachgebrauch die göttliche Natur voraus. Wolltest Du nicht eher sagen: sie hatte als erste die physische Erfahrung hypostatischer Gnade?