Der Kirchenchor Eschenz und die Kindersinggruppe. (Bilder: Niklaus Herzog/swiss-cath.ch)

Kirche Schweiz

Den Son­nen­ge­sang des hei­li­gen Fran­zis­kus ins Heute übersetzt

Zumin­dest den Namen «Son­nen­ge­sang» ken­nen die meis­ten von uns – selbst die säku­la­ren Gemü­ter. Es ist der Titel des berühm­ten Hym­nus, den der hei­lige Fran­zis­kus von Assisi exakt vor 800 Jah­ren geschrie­ben hat. Des­sen Text wurde in der mittelalterlich-​umbrischen Regio­nal­spra­che ver­fasst und gilt als ältes­tes Zeug­nis der ita­lie­ni­schen Lite­ra­tur, wird heute zur Welt­li­te­ra­tur gezählt.

Zeitgenössische Stimmen reduzieren den bedeutendsten Lobpreis des Poverello auf blosse Naturmystik. Damit wird just dessen Kern verkannt. Denn wohl steht die Schöpfung im Zentrum des Sonnengesangs, doch Franziskus versteht ihn als Dankeshymnus an Gott, ihren Schöpfer. Jede der neun Strophen beginnt mit der Einleitung «Gelobt seist Du, mein Herr». So auch das Lob auf die Erde:

«Gelobt seist Du, mein Herr,
durch unsere Schwester, Mutter Erde,
die uns erhält und lenkt
und vielfältige Früchte hervorbringt
und bunte Blumen und Kräuter.»

Und wie alle grossen Werke der Weltliteratur, sei es Homers Odyssee oder Goethes Faust, ist auch diese «Magna Charta der Bewahrung der Schöpfung» nicht an einem Tag entstanden, sondern durchlief vielmehr verschiedene Phasen. Man geht heute davon aus, dass erst in einer späteren Phase die Friedensstrophe hinzukam; die letzte Strophe soll Franziskus auf dem Sterbebett verfasst haben.

«Gelobst seist Du, mein Herr,
durch unsere Schwester, den leiblichen Tod;
ihm kann kein Mensch lebend entrinnen.
Wehe jenen, die in tödlicher Sünde sterben.
Selig jene, die er findet in Deinem heiligsten Willen,
denn der zweite Tod wird ihnen kein Leid antun.»

Gerade diese beiden Strophen sind von brennender Aktualität. Tatsächlich werden uns tagtäglich am Fernsehen und in den Sozialen Medien Bilder des Grauens aus Bürgerkriegen und zwischenstaatlichen Konflikten vor Augen geführt – und handkehrum wird der eigene, unausweichliche und ganz persönliche Tod in unserer Gesellschaft verdrängt, buchstäblich totgeschwiegen.
 


Es war ein geradezu perfektes Timing, dass der Kirchenchor Eschenz im Vorfeld von Ostern, dem Hochfest von Tod und Auferstehung, am vergangenen Sonntag ein Kirchenkonzert aufführte, das den Sonnengesang des heiligen Franz von Assisi auf alte und zugleich neue Weise erklingen liess. Der mit Gastsängern verstärkte Kirchenchor verwob zusammen mit Instrumentalisten und Solistinnen Text und Gesang zu einem Himmel und Erde verbindenden musikalischen Panorama von hoher Qualität. Bereichert wurde das Jubiläumskonzert durch tiefsinnige Meditationen von Bruder Christoph Maria Hörtner von der Franziskanergemeinschaft auf der nahe gelegenen Insel Werd TG.

A propos Gesang: Chordirigent Erich Georg Gagesch hat eigens eine gleichsam musikalisch gekrönte Uraufführung des vor 800 Jahren geschriebenen Sonnenggesangs komponiert. Der heilige Franz von Assisi dürfte an dieser kongenialen Vertonung seiner Lobpreisung seine helle Freude haben.

Für das «Grande Finale» war eine Kindersinggruppe besorgt. Wohl niemand der zahlreichen Anwesenden konnte sich der Ausstrahlung des von den Kindern vivacissimo gesungenen Liedes «Die warmi Sune am Himmelszält» entziehen. Es war ein herz- und seelenwärmendes Ereignis, dieses Kirchenkonzert, das die eiskalte Bise leicht ertragen liess, welche einem an diesem Sonntagnachmittag beim Verlassen der Kirche ins Gesicht blies.


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

E-Mail

Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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