Sie werden am kommenden Samstag die Diakonenweihe empfangen. Wie kamen Sie dazu, Priester zu werden?
Ernst Niederberger: Meine Berufung hat sich vor allem dadurch entfaltet, dass ich überzeugten Christinnen und Christen sowie Priestern begegnet bin, die mich beeindruckt und in mir die Sehnsucht nach mehr geweckt haben. Sie haben mir ein authentisches christliches Leben vorgelebt und mir bei meinen Fragen und in meinem Suchen nach Gott geholfen. Eine weitere wichtige Zeit für meine Entscheidungsfindung war die Lehre. Damals war ich bei mehreren Jugendwallfahrten und Exerzitien dabei, die mich nach dem Sinn meines Lebens fragen liessen. Dort begegnete mir auch anschaulich die Vielfalt kirchlicher Glaubenspraxis. Nach meiner abgeschlossenen Lehre und Berufsmatura wagte ich schliesslich den Schritt ins Priesterseminar St. Luzi in Chur.
Wie würden Sie einer kirchenfernen Person erklären, was ein Priester ist?
Ein Priester ist jemand, der Gott und den Menschen nahe ist, da er durch die Priesterweihe sein ganzes Leben und Sein zur Verfügung stellt. Dies tut er im Auftrag Christi und seiner Kirche und steht damit in der apostolischen Sukzession1. Wie Jesus für die Not der Menschen ein offenes Herz hatte und sie lehrte, so darf auch der Priester jemand sein, der die Not der Mitmenschen mitträgt und das Reich Gottes verkündet. Dies tut er nicht nur aufgrund seines menschlichen Vermögens, sondern in der sakramentalen Wirklichkeit Gottes; dies im Bewusstsein, dass auch er mit den anderen Menschen unterwegs ist und durch die priesterliche Lebensform immer tiefer in das Geheimnis des Glaubens eintauchen kann. Ein Priester darf den Menschen in wichtigen Momenten des Lebens sakramental und menschlich beistehen, so z. B. bei der Taufe, der Eucharistiefeier, der Hochzeit, bei einer Krankensalbung oder bei der Beichte, aber auch durch seelsorgliche Begleitung und bei der Weitergabe des Glaubens im Religionsunterricht und in der Katechese. Natürlich sind auch Priester nur Menschen und stossen in all diesen Aufgaben an persönliche und gesellschaftliche Grenzen. Aber wie alle Christinnen und Christen darf der Priester darauf vertrauen, dass Gott ihn auf seinem Weg begleitet.
Priester haben aktuell kein gutes Image. Ihnen wird pauschal Klerikalismus sowie Machtmissbrauch vorgeworfen. Wie gehen Sie damit um?
Dieser komplexe Themenbereich hat mich während meiner Ausbildung sehr betroffen gemacht und herausgefordert. Zum einen, weil das Versagen einzelner Priester und der Kirche als Institution unbestreitbar ist, zum anderen, weil dies alles zu einer gesellschaftlichen Pauschalverurteilung geführt hat. In der heutigen Priesterausbildung wird man in diesem Thema – wie ich es selbst erfahren habe – hervorragend geschult. So habe ich in meiner Ausbildung mehrere Vorlesungen und Seminare sowie mehr als zehn Weiterbildungsmodule zu diesem Themenbereich absolviert. Ich denke, dass die katholische Kirche heute im Vergleich zu anderen Institutionen auf einem guten Weg ist. Daher finde ich es wichtig, dass wir der Kirche ein neues und schönes Gesicht geben, damit sich die Menschen in der Kirche geborgen fühlen.
Sie arbeiten bereits in der Pfarrei in Davos GR. Wie reagieren die Gläubigen auf Ihren Wunsch, Priester zu werden?
Die Menschen reagieren auf meinen Wunsch, Priester zu werden, ganz unterschiedlich. Häufig sind sie sehr neugierig und fragen verschiedene Dinge wie z. B.: Wieso willst du das tun? Wie sieht der Weg zum Priester aus? Wer geht diesen Weg heute überhaupt noch? Es gibt auch Gläubige, die sehr grosse Freude haben und zum Teil auch selbst um Priesterberufungen beten. Andere sind sehr überrascht oder fragen kritisch, ob ich mir diese Entscheidung wirklich gut überlegt habe. Mir wurde auch schon geraten, besser Landwirt zu werden und mit einer hübschen Frau und Kindern zu leben, da ich in einer alteingesessenen Bauernfamilie in Nidwalden aufgewachsen bin. Nach meiner siebenjährigen Ausbildung bin ich mir aber sicher, dass ich Priester werden will. Ich hoffe natürlich, dass ich vielen durch mein Leben und Wirken auch ein Zeugnis von der Schönheit der priesterlichen Lebensform geben kann.
Was raten Sie jungen Männern, die eine Berufung zum Priester in sich spüren?
Ich glaube, dass jeder Mensch seine eigene Berufung hat, die Gott in ihn hineinlegt hat und in der jede und jeder sich verwirklichen kann. Berufungswege sind aber sehr individuell und daher sind sie auch sehr verschieden. Auch im Priesterseminar waren wir Kandidaten sehr unterschiedlich und jeder Weg war anders. Ein wichtiges Jahr, das ich Interessierten am Priesterberuf empfehle, ist das Einführungsjahr im Priesterseminar. Das Einführungsjahr kann eine wertvolle Zeit sein, um zu prüfen, ob diese Berufung wirklich für einen selbst erfüllend ist und ob dieser Ruf und diese Sehnsucht von Gott kommen. In diesem Einführungsjahr begegnet man auch Gleichgesinnten, mit denen man sich gut austauschen kann. Der Ortspfarrer oder andere Priester sind natürlich ebenfalls immer gute Anlaufstellen, um sich zu informieren und über die Berufung zu sprechen. Wenn man eine Berufung spürt, würde ich mich an den Verantwortlichen des Priesterseminars, den Regens, wenden. Dieser kann wirklich weiterhelfen und aufzeigen, welche individuellen Möglichkeiten es in den vielen kirchlichen Berufen gibt. Dies gilt für die Berufungsfindung von Frauen und Männern gleichermassen.
Was macht Ihnen in der Kirche Freude?
Es scheint mir wichtig, die Kirche nicht nur als menschliche Institution zu sehen, die sie auch ist, sondern vor allem auch als mystischen Leib Christi, dessen Haupt Christus ist und wir dessen lebendigen Glieder. Der fast unerschöpfliche Schatz der Kirche – Theologie, Heiligenvorbilder, Mystik, Tradition, Gebetsleben und sakramentale Wirklichkeit, um nur einige wenige zu nennen – schätze ich sehr. In der Kirche kommt man mit Menschen zusammen und man steht diesen Menschen bei, betet mit ihnen, lehrt sie und lernt von ihnen, feiert Gottesdienste und hört ihre Nöte und Freuden an und bringt diese wiederum im gemeinsamen und persönlichen Gebet vor Gott. Diese Aufgabe im Dienste Gottes und der Kirche für die Menschen tun zu dürfen, erfüllt mich sehr.
Bald sind Sie Diakon. Worauf freuen Sie sich besonders?
Am meisten freue ich mich auf die erste Taufe und Hochzeit. Diese Sakramente zu feiern, ist immer ein sehr freudiges Ereignis, und dies nun tun zu dürfen, darauf freue ich mich sehr. Auch in der Eucharistiefeier das Wort Gottes zu verkünden und dieses in der Homilie auszulegen, ist eine wichtige Aufgabe des Diakons. Ich freue mich auch, weiterhin in allen Bereichen der Pfarrei tätig sein zu dürfen: im Religionsunterricht, in den Kliniken, in der Kinder-, Jugend-, Familien- und Seniorenarbeit, in Gottesdiensten, bei Beerdigungen, bei ökumenischen Anlässen, in der Caritas und der Arbeit mit Bedürftigen, um einige zu nennen.
Ernst Niederberger wird am Samstag, 15. Oktober, um 10.30 Uhr in der Kirche St. Martin in Buochs NW durch Bischof Joseph Maria Bonnemain zum Diakon geweiht. Der Gottesdienst kann auch per Livestream auf der Webseite der Pfarrei Buochs oder via Radio Maria mitgefeiert werden.
1 Die apostolische Sukzession beschreibt die kontinuierliche Weitergabe des Sendungsauftrags der Apostel und ihrer Nachfolger durch Handauflegung bis in die Gegenwart.
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :