Menschen flüchten aus Venezuela in andere Länder und landen in Migrationszentren. (Bild: Cristal Montanez/Wikimedia Commons)

Weltkirche

Der Papst schweigt – die Bischöfe reden

In den drei links-​autoritären Staa­ten Kuba, Vene­zuela und Nica­ra­gua wagen immer mehr Bischöfe, was Papst Fran­zis­kus ver­mei­det: eine Kon­fron­ta­tion mit den Machthabern.

Bislang war Bischof Victor Hugo Basabe auch in Venezuela eher nur Insidern bekannt. Seit gut einer Woche aber kennen die meisten Venezolaner den Namen des Interims-Verwalters der Erzdiözese Barquisimeto. Denn Bischof Basabe wagte etwas, was sich viele konservative Katholiken in Lateinamerika auch vom Papst wünschen würden: offene Kritik am sozialistischen Regime des Landes.

Bischof Basabe warf der Regierung von Präsident Nicolas Maduro vor, die wirtschaftliche Realität Venezuelas vor der Welt verstecken zu wollen. Den Preis dafür zahlten jene vielen hunderttausend Menschen, die in die Nachbarländer flüchteten und dort auf Ausländerfeindlichkeit und Vorurteile stiessen. Und er rief dazu auf, «unser verwundetes, missbrauchtes, betrogenes und ausgeplündertes Venezuela in den Mittelpunkt unseres Gebets zu stellen».

Diese Worte reichten, um den Zorn von Maduros Mann fürs Grobe auf sich zu ziehen. Diosdado Cabello, Vizepräsident der Regierungspartei PUSV und Nummer zwei der internen Hierarchie hinter Maduro, leitete einen medialen Feldzug gegen Bischof Basabe ein. In seiner eigenen TV-Show, in der Cabello Kritikern gern auch mal mit einem roten Schlagstock droht, unterstellte der Sozialist der Kirche einen politischen, niederträchtigen und bösartigen Diskurs ; in Wahrheit sei Bischof Basabe ein Oppositionspolitiker.

Präsident Maduro persönlich legte wenige Tage später nach und suchte öffentlich einen perfid inszenierten Schulterschluss mit evangelikalen Pfingstkirchen. In Zeiten, in denen der Teufel in Soutane sichtbar werde, «sagen wir Nein zu Gewalt und Hass», erklärte er. Maduro, dem Menschenrechtsorganisationen und das UN-Menschenrechtskommissariat Folter, Mord und aussergerichtliche Hinrichtungen vorwerfen und vor dessen Regierung sieben Millionen Menschen geflohen sind, war mal eben in die Opferrolle geschlüpft.
 

Mutig für Gerechtigkeit eintreten
In Nigaragua drohen Bischof Rolando Alvarez wegen «Verschwörung zur Untergrabung der nationalen Integrität» bis zu acht Jahre Haft. Einen «Deal» mit der Justiz lehnte Alvarez laut lokalen Medienberichten bislang ab. Der sieht vor, dass der regierungskritische Bischof ins Exil geht und dafür von einer Gefängnisstrafe verschont bleibt. Ähnliches droht dem katholischen Priester Benito Enrique Martinez, der nach der brutalen Polizeigewalt und der Hinrichtung nicaraguanischer Studenten öffentlich ausrief: «Raus mit dem Mörderpaar!» Gemeint waren der sandinistische Präsident Daniel Ortega und seine Ehefrau und Vizepräsidentin Rosario Murillo.
Vor zwei Wochen wurde der Priester Óscar Danilo Benavides Davila wegen «Verschwörung zur Untergrabung der nationalen Integrität» und wegen der «Verbreitung falscher Nachrichten» für schuldig befunden. Die Staatsanwaltschaft fordert acht Jahre Haft.

Auf Kuba sind die Bischöfe längst geübt darin, die Dinge so zu formulieren, dass nicht gleich der Staatsanwalt vor der Tür steht. In ihrer Weihnachtsbotschaft schrieb die Bischofskonferenz der Karibikinsel, in Kuba herrsche ein Umfeld von «Angst, Misstrauen, Routine, Lügen und Hass». Ihre Bitte nach Amnestie für politische Gefangene umschrieben die Bischöfe damit, dass «jene, die unter Hunger, Einsamkeit, Unfreiheit leiden, von uns eine Geste der Gnade oder Barmherzigkeit erwarten».

Mit all diesen Äusserungen bringen sich Kirchenvertreter in Gefahr: physisch wie juristisch. Dennoch hat sich Papst Franziskus offenbar entschieden, zu dieser für die Betroffenen oft lebensbedrohlichen Lage nichts zu sagen. Der Argentinier, dem Kritiker eine traditionelle Nähe zum populistischen Peronismus attestieren, liegt damit weitgehend auf einer Linie mit Lateinamerikas Linken, die – von Chiles Präsident Gabril Boric einmal abgesehen – meist auf Tauchstation geht, wenn es um Menschenrechtsverletzungen in den drei links-autoritären Staaten geht.

Das stösst in konservativen Kirchenkreisen wie auch bei Vertretern von oppositionellen Gruppen in den betreffenden Ländern auf Befremden, aber auch auf Enttäuschung. Zumal der Papst keine Zeit verlor, sich nach den antidemokratischen Aggressionen von Anhängern des Rechtspopulisten Jair Bolsonaro Anfang Januar in Brasilia umgehend zu Wort zu melden.

Der kürzlich verstorbene australische Kardinal George Pell hat noch kurz vor seinem Tod kritisiert, dass es unter Franziskus schwere Versäumnisse bei der Unterstützung der Menschenrechte in Venezuela, Hongkong, der Volksrepublik China und jetzt bei der russischen Invasion der Ukraine gegeben habe. Und Bianca Jagger, in Managua geborene Menschenrechtsaktivistin und Ex-Frau von Rolling-Stones-Sänger Mick Jagger, wendet sich immer wieder mit der Forderung an den Papst, er solle sich klar hinter den verhafteten Bischof und die anderen festgenommenen Geistlichen stellen. Die Aufforderungen von Franziskus zum Dialog zieht sie in Zweifel und argumentiert: «Der Weg des Dialogs ist nicht gangbar mit einer Regierung, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht.»
 


Swiss-cath.ch fragte bei «Kirche in Not (ACN)» nach, die Projekte in Kuba, Nicaragua und Venezuela unterstützt.

Ist die Kirche in der Bevölkerung verwurzelt?
«Kirche in Not (ACN)»1: Die katholische Kirche ist in allen drei Ländern stark verwurzelt. In Venezuela bekennen sich mehr als 64 % der Menschen zum Katholizismus. Davon konnte ich mich anlässlich einer Projekt-Reise mit eigenen Augen überzeugen. Die Kirche in Venezuela engagiert sich stark bei der Bereitstellung von Lebensmitteln für die Ärmsten. Katholische Schulen und Krankenhäuser bieten bessere Angebote als die staatlichen Einrichtungen.
In Nicaragua bekennen sich etwas mehr als 45 % der Menschen zum katholischen Glauben. Rund ein Viertel der Menschen gehören einer Freikirche an. Ihr Anteil ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Die katholische Kirche geniesst als grösste religiöse Institution ein hohes Ansehen und setzt für die Rechte der Menschen ein.
In Kuba bekennen sich knapp 55 % der Bewohnerinnen und Bewohner zur katholischen Kirche, die sich stark für die Bedürftigen einsetzt. Dafür wird sie von den Bewohnern des Inselstaates auch sehr geschätzt. Aber die vergangenen Jahrzehnte des Sozialismus haben Spuren hinterlassen. Der Glauben hat seine tiefe Verwurzelung im Vergleich zu der Zeit vor der Revolution teilweise verloren. Allerdings setzte in den vergangenen Jahrzehnten auch ein leichtes Tauwetter des Staates gegenüber der Kirche ein. So war es möglich, dass in den vergangenen 25 Jahren verschiedene Päpste den Inselstaat besuchen konnten: Papst Johannes Paul II. 1998, Papst Benedikt XVI. 2012 und Papst Franziskus 2015.

Fühlen sich die Menschen durch die Kirche vertreten?
Die Menschen fühlen sich in allen genannten Ländern durch die Kirche vertreten, da sie sich für das Wohl der Menschen im Alltag einsetzt. In Venezuela, wo ich war, habe ich gesehen, wie sie sich die Kirche für Gerechtigkeit einsetzt und versucht, Not zu lindern. Es fehlt dort an vielem. Sei dies an Essen, Medikamenten oder oft auch an Bildung.

Wie reagiert die Kirche konkret auf die Bedürfnisse der notleidenden Bevölkerung in Kuba, Nicaragua und Venezuela?
Die katholische Kirche geniesst in allen Ländern grossen Respekt, da sie in allen drei Staaten sehr nah an der Bevölkerung ist. Die Kirche ist auch in armen Stadtteilen und Dörfern präsent, wo sonst nur wenige öffentliche Stellen ansässig sind, um sich dort für die Menschen einzusetzen. Es ist für die Regierungen nicht einfach, die katholische Kirche und ihr Anliegen zu ignorieren, da sie auch eine Stimme des Volkes ist. Die Kirche begleitet Bedürftige, darunter Kranke oder durch die Migration zerbrochene Familien. Die Stärke der Kirche liegt in der Nächstenliebe. Allerdings werden der Kirche auch klare Grenzen aufgezeigt. Wenn die Kirche öffentlich Kritik an der sozialen Ungleichheit, der Gewalt im Land oder zu Fragen der Menschenrechte äussert, wird sie deswegen oft von Exponenten des Staates getadelt oder gar beschimpft. Zudem will der Staat die Kontrolle und die Macht über die Bevölkerung behalten, weshalb von Staates wegen der Aktionsradius der Kirche begrenzt wird.

«Kirche in Not (ACN)» unterstützte im Jahr 2021 Projekte der katholischen Kirche in Nicaragua mit CHF 325 000, auf Kuba mit CHF 800 000 und in Venezuela mit CHF 1,7 Mio.

 


1 Der Interviewpartner möchte aus Sicherheitsgründen seinen Namen nicht nennen.


KNA/Redaktion


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