Symbolbild: Heiliger Geist – unsichtbarer Lenker des Konklaves. (Bild: Aryan Bhattarai/Unsplash)

Weltkirche

«Der Papst­ma­cher»

Inmit­ten der welt­wei­ten Spe­ku­la­tio­nen und kir­chen­po­li­ti­schen Kal­ku­la­tio­nen über die bevor­ste­hende Papst­wahl stellt sich eine tie­fere spi­ri­tu­elle Frage: Was geschieht wirk­lich im Kon­klave? Wird dort tat­säch­lich ein kir­chen­po­li­ti­sches Schach­spiel gespielt? Das Kon­klave ist mehr als ein gehei­mer Wahl­gang – es ist ein geist­li­cher Pro­zess, der die Kir­che zu einem neuen Ers­ten Hir­ten füh­ren soll. Denn: Der wahre «Papst­ma­cher» ist nicht das Kardinalskollegium.

In den kommenden Tagen blickt die katholische Welt mit Spannung auf das Konklave: jenes feierliche und zugleich geheime Geschehen, in dem die Kardinäle im Vatikan zusammentreten, um den neuen Papst zu bestimmen. Schnell werden Namen gehandelt, Lager beschrieben und kirchenpolitische Zuschreibungen vorgenommen: konservativ oder liberal, reformfreudig oder traditionsbewusst. Doch diese Sichtweisen greifenzu kurz. Wer das Konklave nur als ein Machtspiel oder eine kirchenpolitische Weichenstellung betrachtet, zielt an seinem eigentlichen Wesen vobei. In Wahrheit ist es ein geistlicher Prozess, eine Liturgie – und der eigentliche «Papstmacher» ist niemand anderes als der Heilige Geist.

Hören statt Taktieren: Der wahre Charakter des Konklaves
Der Begriff «Konklave» (von cum clave – «mit Schlüssel») erinnert an den Ursprung dieser Versammlung: Die Kardinäle schliessen sich von der Welt ab, um sich ganz auf Gottes Geist zu konzentrieren. In dieser bewussten Abgeschiedenheit sollen sie frei werden von äusseren Einflüssen und inneren Eigeninteressen. Was nach aussen als Wahl erscheint, ist im Innersten ein Akt der geistlichen Unterscheidung: die Suche nach dem Willen Gottes. Das Konklave ist deshalb kein demokratischer Entscheidungsprozess im modernen Sinn, sondern ein Geschehen des Hörens und des Erkennens von Gottes Geist – ähnlich wie es die Jünger in der frühen Kirche erlebten. In der Apostelgeschichte wird beschrieben, wie nach dem Wegfall des Judas ein Nachfolger bestimmt wurde. Dabei stand nicht taktisches Kalkül im Vordergrund, sondern die gläubige Bitte: «Herr, du kennst die Herzen aller. Zeige, wen du erwählt hast» (Apg 1,24). Diese Sätze könnten über jedem Wahlgang im Konklave stehen. Die Kardinäle sind berufen, nicht selbst zu bestimmen, sondern im Gebet und im Gewissen zu erkennen, wen Gott zum Dienst als Nachfolger Petri erwählt hat. So schwört ein jeder von ihnen: «Ich gelobe, im Angesicht des wiederkehrenden Christus den zu Wählen, von dem ich glaube, dass er derjenige ist, den Gott zum Papstamt beruft.»

Das Konklave als Gottesdienst: Ein Impuls der Liturgiereform
Diese geistliche Sicht des Konklaves hat in der jüngeren Kirchengeschichte Gestalt angenommen. Papst Paul VI. (1963–1978) hat das Konklave bewusst stärker als liturgisches Geschehen gestaltet. Mit seiner Apostolischen Konstitution «Romano Pontifici Eligendo» (1975) legte er nicht nur neue Regeln für das Konklave fest, sondern betonte auch, dass die Wahl des Papstes in einem Geist des Gebetes und der Feier des Glaubens erfolgen muss. Paul VI. führte die feierliche Messe «Pro eligendo Romano Pontifice» ein, mit der das Konklave eröffnet wird – eine Eucharistiefeier, die die ganze Kirche ins Gebet hineinnimmt und den geistlichen Charakter des Geschehens unterstreicht. Auch der Ablauf innerhalb des Konklaves ist geprägt von liturgischen Zeichen: Vor jedem Wahlgang wird gemeinsam gebetet, jeder Kardinal leistet einen feierlichen Eid, und mit dem Ruf «Extra omnes» (Alle hinaus!) werden alle Unbefugten aus der Sixtinischen Kapelle entfernt, um den Beginn der geistlichen Sammlung zu markieren. Das Konklave wird so zu einer verdichteten Form liturgischen Betens und geistlicher Unterscheidung.
Besonders eindrucksvoll zeigt sich diese spirituelle Dimension in der abschliessenden Verkündigung des neuen Papstes. Der Kardinalprotodiakon Dominique Mamberti tritt nach der erfolgten Wahl auf die Benediktionsloggia und ruft: «Annuntio vobis gaudium magnum: Habemus Papam!» (Ich verkünde euch eine grosse Freude: Wir haben einen Papst!) Diese Formel erinnert bewusst an das Lukasevangelium, wo die Engel den Hirten verkünden: «Ich verkünde euch eine grosse Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll: Heute ist euch der Retter geboren» (Lk 2,10f.). Wie die Engel die Geburt Christi als heilbringendes Ereignis ankündigten, so wird auch die Wahl des Papstes als ein Geschenk Gottes an seine Kirche verstanden – nicht als menschlicher Triumph, sondern als Zeichen göttlicher Führung. Diese Parallele unterstreicht den zutiefst liturgischen Charakter des Konklaves, der mit dem ersten Segen des neuen Papstes das Vertrauen in die lebendige Wirksamkeit des Heiligen Geistes nochmals eindrucksvoll zum Ausdruck bringt.

Der geistliche Weg der Kardinäle: Eine stille Schule des Hörens
Das Konklave soll auch ein persönlicher geistlicher Weg für jeden einzelnen Kardinal sein. Er beginnt mit der Demut, die eigenen Vorstellungen und Erwartungen zurückzustellen. Jeder Kardinal muss bereit sein, sich innerlich vom Geist Gottes leiten zu lassen – auch dann, wenn das Ergebnis nicht den eigenen Wünschen entspricht. In diesem Sinn ist das Konklave eine Schule des Loslassens:

  • Loslassen von menschlichen Sympathien und Antipathien.
  • Loslassen von strategischen Überlegungen, wie die Kirche «kirchenpolitisch» aufgestellt sein sollte.
  • Loslassen vom eigenen Machtwillen, Prestigedenken und Eitelkeiten.

Nur in dieser inneren Freiheit kann der Raum entstehen, in dem Gottes Geist sprechen und wirken kann. Darum ist das Konklave eine Liturgie, die Raum für das Wirken des Geistes Gottes schaffen soll und darum schwören die Kardinäle am Beginn des Konklaves, sich nur vom Wohl der Kirche leiten zu lassen. Jeder Schritt – vom Einzug in die Sixtinische Kapelle bis zur Abgabe der Stimme – ist bewusst liturgisch geprägt, um immer wieder daran zu erinnern: Hier geht es nicht um menschliche Macht, sondern um ein Hören auf Gott.

Ein Prozess, der das ganze Gottesvolk betrifft
Das Konklave ist nicht nur die Angelegenheit der Kardinäle allein. Es ist ein Geschehen, das die ganze Kirche betrifft. Deshalb sind alle Katholikinnen und Katholiken aufgerufen, diese Zeit nicht als Zuschauer zu verbringen, sondern als Mitbeter und Mitbeterin. In der Liturgie gibt es keine Zuschauerrolle – es gibt nur aktive geistliche Teilnahme. Diese besondere Zeit des Konklaves lädt dazu ein, bewusst im Gebet und im Vertrauen auf den Heiligen Geist zu handeln.
Im Messbuch finden sich eigene Messformulare «Zur Wahl eines Papstes oder Bischofs», die in diesen Zeiten verwendet werden können. Auch eucharistische Anbetungen und besonders gestaltete Gebetszeiten in den Pfarreien sind wertvolle liturgische Zeichen der Mitbeteiligung. Letztlich ist jede stille Fürbitte, jedes Vaterunser, jeder Rosenkranz, der für die rechte Entscheidung im Konklave gebetet wird, ein kostbarer Beitrag. Es geht nicht darum, ob ein «konservativer» oder «liberaler» Kandidat obsiegt. Es geht darum, wohin der Geist Gottes seine Kirche führen möchte – in eine Zukunft, die wir noch nicht kennen, aber im Vertrauen auf Gottes Treue erwarten dürfen.

Wenn der weisse Rauch aufsteigt und die Worte «Habemus Papam» erklingen, wird sichtbar, was im Verborgenen gereift ist: die Frucht eines geistlichen Prozesses. Der neue Papst soll nicht nur ein Mann unter Menschen sein, sondern ein lebendiges Zeichen dafür, dass Gott seine Kirche weiterhin führt und begleitet – durch menschliche Werkzeuge hindurch, aber aus göttlicher Kraft.

Das bevorstehende Konklave erinnert daran, dass Gottes Wege über unsere menschlichen Berechnungen und Begrenztheiten hinausführen. Ein Gott, der das Unmögliche möglich macht, der das Herz jedes Einzelnen kennt und der die Kirche durch alle Zeiten hindurchführt, wird auch in diesem Augenblick zur richtigen Entscheidung lenken. Möge der Heilige Geist den Weg weisen – für die Kirche und für die Welt, die auf seinen göttlichen Plan vertraut! Veni, Sancte Spiritus!

 


Mike Qerkini


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Bemerkungen :

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    Zürcher Katholik 30.04.2025 um 13:18
    Danke für diese mitunter auch geistlich tiefgehende Perspektive – ganz ohne ideologische Schlagseite, dafür mit umso mehr Vertrauen auf das Wirken des Heiligen Geistes. Eine solche wohlwollende Berichterstattung tut gut und erinnert daran, worum es wirklich geht. Macht weiter so!
  • user
    Meier Pirmin 28.04.2025 um 11:14
    Trefflicher Artikel, wegen dem Hinweis auf die nicht unwesentliche Umgestaltung des Konklaves durch den Reformpapst Montini/Paul VI., der sich noch relativ kurz vor seiner Wahl zusammen mit Pater Bonaventura Thommen, Rektor Sarnen, im Raum Melchtal aufhielt, so in der Kirche St. Niklausen oberhalb von Kerns vis ä vis der Einsiedelei des heligen Klaus von Flüe. Der spirituelle Appell ist sinnvoll, ändert aber wohl nichts daran, dass "strategische Überlegungen" zwar nicht wie oben angegeben das Wichtigste, aber doch das Zweitwichtigste sind, nämlich nebst der Gesinnungsbildung Ausdruck der praktischen Vernunft, letzteres ein Gesichtspunkt, den der Ethik-Professor Martin Rhonheimer, einstiger Sarner Schüler, in seiner hervorragenden Dissertation über Thomas von Aquin wie fast kein zweiter hervorgehoben hat.

    Zu diesen praktischen Gesichtspunkten gehören zum Beispiel allein schon Kenntnisse und Beherrschung des Italiensichen, will einer den Laden im Vatikan und darüber hinaus unter Kontrolle behalten. Einer der interessantesten Päpste der Geschichte war der Holländer Hadrian von Utrecht, Hadrian VI., aus Sicht von Erasmus von Rotterdam der bedeutendste und mithin auch integerste Hoffnungsträger der damaligen Zeit, der zum Beispiel dem hochpolitischen aber zur Zeit Marignano frankreichfeindlichen Kardinal Matthäus Schiner vorgezogen wurde, dem man seinerseits nicht mangelnden Reformwillen vorwerfen konnte. Aber Hadrian, der übrigens Zwingli ein mit grössrer Hochachtung formuliertes Gesprächsangebot machte, dies schon um die Zeit der 1. Zürcher Disputation, an der das Bistum Konstanz noch stark vertreten war, dieses Angebot aber erst Monate nach der Abfassung in Zürich eintraf. Ohnehin war Hadrian ein Kurzzeitpapst mit nur ungefähr einjähriger Regierungszeit, ernannte lediglich einen einzigen Kardinal, sprach perfekt Lateinisch, aber nicht Italienish, war in der Tat im vatikanischen Haifischbecken nie richtig angekommen. Dabei auf humanistischer Grundlage ein orthodoxer Gelehrter mit tadellosem Lebenswandel, auch ohne nepotische Günstlingswirtschaft, wie es zwischen 1470 und 1540 keinen zweiten gab. Von Respektierung durch Luther und Zwingli kann leider nicht gesprochen werden, der sog. "Kairos", der richtige Augenblick für Reformen und Problemlösungen, war einfach nicht gekommen, offenbar war auch dies eine Zulassung Gottes bzw. des Heiligen Geistes, um dessen Hilfe bekanntlich bei jeder Papstwahl gefleht wird. Das Schreiben von Papst Hadrian an Zwingli ist in jeder Zwingli-Gesamausgabe lateinisch gedruckt, bei einer theoretisch möglichen Beantwortung, von der indes nie die Rede war, war der aus Utrecht stammende Pontifex, regelmässig "deutscher Papst" genannt, bereits verstorben. Seinem Nachfolger, u.a. mit dem Kaiser stark verkracht, fehlten die Voraussetzungen, der verhängnisvollen Entwicklung in den frühen 1520er Jahren des 16. Jahrhunderts noch Gegensteuer zu geben. Beim sog. Sacco di Roma kam zum Schutze des Papstes mehr Schweizergardisten um, vielfach noch Zürcher, als je zuvor und danach. Es war kein Religionskrieg, aber zum Beispiel eine Rache deutscher Landsknechte an den Schweizer Söldnern.
    • user
      ser AD 28.04.2025 um 12:57
      Zu meinem Namensvetter auf dem Stuhl Petri, und dem Kairos: gilt was unten gegen Herrn Tessari steht: der Heilige Geist ist zwar mächtig, und auch "fähig", aber er lässt den Menschen eben den Willen, so dass es trotz intellektueller Fähigkeit nicht zur Besserung kommt, und die Reformation einhält, weil Papst Adrian VI. zu früh gestorben war.

      Das könnte man auch Papst Benedikt ins Stammbuch schreiben, der intellektuell richtig gesehen - und die notwendigen Konsequenzen nicht oder halbherzig gezogen hat. So blieb es bei frommen Reden.
  • user
    Claudio Tessari 28.04.2025 um 10:29
    Ich zitiere auch gerne Papst Benedikt XVI:
    Ich würde das nicht sagen, in dem Sinne, dass der Heilige Geist den Papst auswählt. Ich würde sagen, dass der Heilige Geist nicht gerade die Kontrolle über die Sache übernimmt, sondern uns sozusagen wie ein guter Erzieher viel Raum, viel Freiheit lässt, ohne uns völlig im Stich zu lassen. Die Rolle des Geistes sollte also in einem viel dehnbareren Sinn verstanden werden, nicht das den Kandidaten diktiert, für den man stimmen soll. Wahrscheinlich ist die einzige Versicherung, die er gibt, die, dass das Ding nicht völlig ruiniert werden kann.
    • user
      Meier Pirmin 28.04.2025 um 12:15
      @ Tessari. Wohl nie formulierten Sie präziser: keine menschliche Instanz kann den Heiligen Geist für sich in Anspruch nehmen, also auch kein Konllave. Aber schon eher die Gewissheit, dass kein noch so schlechter Papst die Kirche nicht "kaputtkrieen" kann. Man spricht kirchengeschichtlich im ethischen Urteil von Päpsten "der Zulassung" im Gegensatz zu "Päpsten der Vorsehung". Dies kann man aber in der Regel im Augenblick nicht beurteilen, sondern eher hinterher. Coelestin der Fünfte, Petrus von Murrone, war völlig unfähig, aber ein Heiliger, Pius XII. nicht primär wegen den herkömmlichen Vorwürfen, zwar nicht an den Haaren herbeigezogen, abev von wegen seines Triumphalismus und Autoritarismus weit weniger heilig als sein Ruf zur Zeit seines Ablebens, woran ich mich noch erinnere. Und der absolut berüchtigte Papst Alexander VI. war rein politisch, auch kirchenpolitisch dann und wann besser als dieser oder jener "Gutmenschenpapst" , in welchem Ruf bekanntlich auch der aus meiner Sicht durchaus verdiente "abgelebte" Pontifex als "einfacher Franziskus" gelöbt wird, wobie der Namensheilige keineswegs dem heutigen Niveau des "Gutmenschen" entsprach. Auf Alexander VI. berief sich bekanntlich der Missionspionier und Sklavereikritiker Bartolome de las Casas, berühmt geworden als der Vater der Indios und der stärkste frühe Ankläger des Kolonialismus. Über den selben hielt 1972 Prof. Ratzinger in Freiburg i. B. einen überragenden Vortrag, auf den er bei aller Kritik an der Befreiungstheologie (als Papst) später vielleicht noch stärker Bezüg hätte nehmen dürfen, erlaube ich mir als seinerzeitiger Hörer anzumerken.
    • user
      ser AD 28.04.2025 um 12:47
      Das ist sehr VAGE beschrieben, pneumatologisch gesagt.

      Glauben Sie nicht an den Heiligen Geist als göttliche Person, Welche autonom ist und unser Denken und Handeln positiv bestimmen kann - wenn uns auch in denselbem HEILIGEN Geist die Freiheit gelassen wird, dagegen zu entscheiden. Wie es Judas Iskariot getan hatte. Tue schnell was du tun muss; diese Anregung Jesu an den Verräter ist auch pneumatologisch, in dem Sinn als von Jesus ausgeht, was der Vater sagt (duplex processio).

      Wenn Sie nur von dem "Geist" sprechen, argumentieren Sie wie ein Modernist.
      • user
        Meier Pirmin 29.04.2025 um 09:00
        ser AD- Der Begriff des Geistes, Nous, hat viel mit griechischer Philosophie, aber auch mit der antiken Gnosis zu tun, ausserdem, sicher nicht mit dem Weltgeist zu verwechseln, mit Hegels Weltgeist. Hegels Weltgeist ist aber durchaus insofern mit dem Heiligen Geist des Pfingstfestes zu vergleichen,a ls man ihn nicht einfangen kann, hier sehen Sie den Gesichtspunkt der Freiheit wohl richtig, Luther sprach dann von der "Freiheit des Christenmenschen", im Vergleich zur Bibel freilich ein modernes Schlagwort, das erste ideologische Schlagwort der Moderne, worauf man nicht hereinfallen soll.

        Dabei leugnete aber bekanntlich Luther die Willensfreiheit, im Gegensatz zu Thomas von Aquin und zumal Erasmus von Rotterdam, der sich auch deswegen von Luther wieder abgewandt hat, sowieso war er ein "homo pro se", wie Glarean, der bedeutendste Schweizer Humanist und wohl einzige Denker, bei dem sich der Papst (Pius IV.) mal entschuldigt hat wegen voreiliger Verurteilung durch die vatikanische Kurie, er blieb jedoch auf der spanischen Liste des Index der verbotenen Bücher stehen. Sicher scheint, dass der Heilige Geist sehr oft gerade auf krummen Zeilen schreibt und auf seine Weise Dummheiten des "Bodenpersonals" seiner Heiligen Kirche langfristig korrigiert. Zumal wirkt der Heilige Geist noch und noch durch heilige Frauen, ab Maria und Maria Magdalena bis hin zum Beispiel durch Hildegard von Bingen, die heilige Katharina von Siena und beim Konzil von Konstanz durch die seliggesprochene Gute Beth von Reute, welche die Papstwahl von Martin V: vorausgesagt hat, dieser entgegengefastet hat, zu einer Zeit, da es in Konstanz während dem Konzil wimmelte von sog. "Hübschlerinnen", wie man die käuflichen Frauen nannte. In Konstanz am Konzil gab es nicht nur den verbrannten Johannes Hus, sondern auch den Griechen Chrysolaris, dort eines natürlichen Todes gestorben, Vater der Vermittlung des griechischen neuen Testamentes in der zeit der Renaissance, die Basis der neuzeitlichen Bibelkritik, wiewohl von der Kirche lange unterdrückt. Als erster katholischer Kanton verbot übrigens Freiburg 1523 das Lesen der gedruckten Bibel, zumindest für Laien. Die Frobensche Ausgabe von Erasmus blieb generell verboten. Luther hielt sich übrigens anfaänglich hauptsächlich an die Vulgata, im Gegensatz zur Zwingli-Bibel, an der u.a. der Luzerner Ambühl-Collinus und der Thurgauer Buchmann-Bibliander als hervorragende Graezisten mitarbeiteten. Auch da war der Heilige Geist mit von der Partie, wiewohl der Spötter Erasmus den Heiligen Geist, wie er schrieb, nicht für den besten griechischen Stilisten hielt. Einige der besten alten Drucke in den Originalsprachen wurden in Venedig hergestellt, von der Offizin Aldus Manutius, der noch bei von Muslimen vertriebenen byzantinischen Gelehrten Griechisch gelernt hatte, auch in hebräischer und kyrillischer Schrift Bibeldrucke machte. Dies war, zumindest philologisch, die wahre Reformation!
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          ser AD 29.04.2025 um 12:09
          Sie PM lassen Erasmus (von Rotterdam?) den Heiligen Geist als schlechten Stilisten bezeichnen.

          Dabei bringen Sie Ihn genau auf den Punkt. Mir haben schon zwei sich gescheit haltende Geistliche gesagt, ich könne nicht lateinisch und spreche schlecht französisch - aber der Heilige Geist ist wohl für die innere Wahrheit verantwortlich und nicht für eine perfekte Form (wobei diese in Heiligsprechungen bestätigt würde).

          Die vielen historischen Beispiele - gerade aktuell: Kathrin von Siena - zeigen ja, dass die Menschen unabhängig voneinander Gottes Pläne ausführen.

          Die ganze biblische und liturgische und historische Konkordanz wären ohne Heiligen Geist nicht möglich gewesen.

          So ist es letztlich unerheblich ob man den Geist NOUS oder ruah bezeichnet, Hauptsache man lässt Gott machen wie ER es für gut hält, eben auch auf krummen, missratenen Pfaden.
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    ser AD 28.04.2025 um 09:46
    Sehr gut dargestellt.

    Der Weisse Sonntag ist ein guter Startpunkt dafür, weil auch hier das versteckte Osterlicht zur Schau gestellt und Jesus als Rex Confessorum gesucht wird. Das Ablegen der Taufkleider ist in Wirklichkeit die Aussaat des Evangeliums, ein Zeugnis für Gottes Licht in der Welt.

    Die Matthiaswahl ist das äussere Modell für die Papstwahl, und interessanterweise war bei Linus (erster kanonischer Papst) nichts dergleichen im Neuen Testament vermerkt. Jesus baute die Kirche auf dem Felsen Petri: auf dem versteckten Glauben. Wer wird Papst? Jesus sagte dazu nichts. Interessant, oder? Sein Stellvertreter muss aus der Messe erwachsen, wie Petrus auf dem Tabor sagte: Herr, wenn Du willst, wollen wir Dir hier drei Hütten bauen. Und er wusste nicht was er sagen sollte. Jesus gibt Sich blind weiter. Lux altera die prophetica lucet.

    Zum "Volk Gottes": bei näherem Hinschauen ist das eine Beschreibung für die Männer im Dienst des Herrn, die Kleriker die Erben Gottes als Kinder der Gnade. Der Weisse Sonntag stellt die Frage, wer im Haus des Herrn wirken kann.
  • user
    Stefan Fleischer 28.04.2025 um 09:30
    "Vergelt's Gott!" für diesen Vertrauen schenkenden Artikel