Schweizer Kirchenrechtslehrer als Vordenker der Synodalität
Eugenio Corecco, Professor für Kirchenrecht an der Theologischen Fakultät der Universität Fribourg und später Bischof von Lugano (1986–1995), hat sich in den 1970er- bis 1990er-Jahren intensiv mit der Synodalität befasst. So schreibt er, das Zweite Vatikanische Konzil spreche zwar von Synodalität, Gemeinschaft und Kollegialität, habe es aber an theoretischer Schärfe in der Umschreibung dieser zentralen Prinzipien mangeln lassen. Diese Analyse – veröffentlicht im Syntheseband: Eugenio Corecco, Sinodalità e comunione, EDB Bologna 2023 – trifft auch heute noch auf den Begriff Synodalität zu. Obwohl abstrakte Substantive «unweigerlich nach einer theoretischen Definition der Inhalte» rufen würden, habe das Konzil die Verwendung der Adjektive ‘synodal’ und ‘konziliar’ vermieden und sich auf das Adjektiv ‘kollegial’ beschränkt (S. 87). Bis heute ist der Begriff Synodalität nicht klar umschrieben. Aus den Versuchen der Synodenteilnehmer, aufgrund ihrer an der Synode gemachten Erfahrungen den Begriff «Synodalität» zu umschreiben, kann diese am ehesten als Methode des qualifizierten Zuhörens für Beratungen in kirchlichen Versammlungen verstanden werden.
Es wird jetzt die Aufgabe der Theologen sein, die Inhalte wissenschaftlich herauszuarbeiten. Auf die Frage eines Journalisten, ob die zu erwartenden Texte allgemein verständlich sein würden, versprach Paolo Ruffini, Präfekt des «Dikasteriums für Kommunikation», dass die Synodentexte auch für die nicht wissenschaftlich Gebildeten verfasst werden sollen. Dies, um konkrete Handreichungen für das kirchliche Leben bieten zu können.
Nahmen an der ersten Etappe der Synode lediglich einzelne Theologen als Berater teil, wurde für die zweite Etappe eine beratende Arbeitsgruppe von Theologen beigezogen. Einer davon, der Italiener Don Dario Vitali, erläuterte deren Aufgabe, den Texten der Synode theologische Kohärenz zu verleihen. Hierbei gehe es nicht um die Beschreibung theologischer Dissense, sondern des festgestellten Konsenses. Dieser soll in den Synodentexten zum Ausdruck kommen.
Gleichermassen werden von einer Arbeitsgruppe von Kanonisten konkrete Vorschläge für Ergänzungen oder Änderungen des Kirchenrechts ausgearbeitet, z. B. die obligatorische Einrichtung von Diözesanräten und von Pfarreiräten. Rev. José San José Prisco, Professor für Kirchenrecht an der Universität Gregoriana in Rom, dämpfte indessen Erwartungen auf baldige Änderungen. Der Rechtsetzungsprozess sei vielschichtig und könne mitunter Jahre dauern.
Verhältnis Partikularkirchen Universalkirche
Die 1964 vom Zweiten Vatikanischen Konzil verkündete Dogmatische Konstitution über die Kirche «Lumen Gentium» beschreibt in Nr. 23, dass die Universalkirche in und durch die Teilkirchen existiert und verwirklicht wird. Dies bedeutet nach Eugenio Corecco, «dass die Einzelkirche nur als konkrete Verwirklichung der Gesamtkirche existieren kann» (S. 17 ibid.). Die gegenwärtige Synode ist kein Parlament nach demokratischem Vorbild, sondern ein Austausch von Meinungen, Ansichten, Wünschen und Erfahrungen. Wie die Universalkirche sind auch die Teilkirchen nicht demokratisch verfasst. Deshalb ist für Corecco die Diskussion über die demokratische Struktur der Teilkirche «ekklesiologisch inakzeptabel» und der Versuch, die synodalen Strukturen der Teilkirche (Synoden, Priester- und Pastoralräte usw.) demokratisch umzuinterpretieren, komme «einer Verfälschung der kirchlichen Realität» gleich (S. 18).
Die Beziehungen zwischen Ortskirchen und Rom hätten sich verbessert, führte Paolo Ruffini an der Pressekonferenz vom Donnerstag aus. Indes sei die effektive Rolle der Bischofskonferenzen seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil noch immer unklar geblieben. Aus der Synodalität ergebe sich die Aufgabe des Bischofs, das ganze Volk zu konsultieren. Auch Diözesansynoden seien dazu vorzusehen. Eine Änderung des Austauschs zwischen den Partikularkirchen und Rom sei möglich, indes sei es für Entscheide, die aus den Prinzipien der Synodalität und des päpstlichen Primats herauswachsen, noch zu früh – wie bei allen Themen der Synode. Unbestritten sei, dass die Bischofskonferenzen die Lehre der Kirche nicht ändern können. Ihre Aufgabe sei es indessen, die Verkündigung des Glaubens in Beziehung zum kulturellen Kontext zu gestalten.
«Querida Amazonia»
In der Pressekonferenz vom Dienstag kam erneut die besondere Situation der Kirche im Amazonasgebiet und die im Herbst 2019 erfolgte Synode zur Sprache. Der Erzbischof von Manaus, Kardinal Leonardo U. Steiner OFM (Ordensgemeinschaft der Franziskaner), wies darauf hin, dass das riesige Amazonasgebiet seit 100 Jahren nahezu keine Priester habe, das katholische Leben dadurch indes nicht verschwunden sei. Die Frauen würden eine zentrale Rolle im Glaubensleben spielen. Sie seien Diakoninnen, wenn sie auch nicht geweiht seien und das Diakonat der Frauen im Rechtssinne nicht existiere.
Die Amazonassynode mit dem Thema «Amazonien – neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie» bereitete das Feld für die Weltsynode vor. Sie weckte wie die Weltsynode Erwartungen – vor allem bei der Weihe verheirateter Priester, beim Frauendiakonat und bei der Aufhebung des Zölibats – die indes im apostolischen Schreiben «Querida Amazonia» vom Papst Franziskus vom 12. Februar 2020 nicht in Erfüllung gingen. Auch die Weltsynode wird Enttäuschungen bei denen zurücklassen, die sich nun in diesen und anderen modernen Themenbereichen schnelle Ergebnisse erhofft haben. Insbesondere die Deutsche Bischofskonferenz wird sich Gedanken darüber machen müssen, wie sie die von der Mehrheit ihrer Mitglieder und dem «Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK)» bewusst hochgeschraubten Erwartungen dem Kirchenvolk als ein mit der Weltkirche nicht kompatibles Wunschdenken vermitteln will.
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
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