Der Turm von Pisa nicht mehr gerade. (Bild: Yair Haklai, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Kommentar

Die Dekon­struk­tion des Pries­ters und der Frau

Wie Papst Bene­dikt XVI. gegen­über Peter See­wald erzählte, wollte Hans Küng schon in den 60er-​Jahren eine Kir­che, in wel­cher die Laien glei­ches Stimm­recht hät­ten wie Bischöfe und Pries­ter (Mitbestimmung).

Er verstand die Kirche synodal als demokratische «Ratsversammlung» (Concilium). Der Begriff in Klammer bildete die Vorlage für die gleichnamige Zeitschrift. Darauf antworteten konservativere Theologen mit der Zeitschrift «Communio», welche die Kirche nicht demokratisch von unten als soziologisches Gebilde (Ratsversammlung/Concilium) verstand, sondern sakramental (von oben) von der Heilogem Eucharistie her als hierarchisch geordnete Communio von Ungleichen, aber gleich Würdigen.

Allein aufgrund dieser Erinnerungen kann man leicht ersehen, wie wenig neu der Gedanke egalitärer Verhältnisse zwischen Laien und Klerikern in synodalen Versammlungen und Räten (deliberative Mitbestimmung) ist. Wie schon bei Luther wird diese Form der Synodalität mit der Taufe begründet. Sie gilt höher als die Weihe. Dadurch aber wird die Sache nicht besser, denn die Dekonstruktion des sakralen Weihepriestertums schreitet damit ungebremst voran. Ohne Priester aber wird es keine Kirche geben. Bis zu seinem Verschwinden in bestimmten Weltregionen wird der Priester zwischenzeitlich zum (blossen) Vorsteher einer liturgischen Versammlung herabgestuft und zum Moderator von Seelsorgeteams oder zum Koordinator von Räten, Kommissionen und Gruppen gemacht. Vielerorts hat er auch diese Aufgaben bereits delegiert. Gleichzeitig springen Laien auf die von ihm geräumten Plätze, statt ihren Platz in der Gesellschaft einzunehmen. Sie segnen Gräber, während Priester und Bischof andächtig und untätig danebenstehen. Der klerikalisierte Laie, der aufgrund seiner theologischen Expertise nicht mehr als Laie, sondern als Seelsorger bezeichnet werden will, übernimmt ohne Weihe die Aufgaben, die der Priester aufgrund der Weihe ausübt, eine Entwicklung, die bereits Ende der 70er-Jahre absehbar war, als man den Beruf des Pastoralassistenten eingeführt hat.

Damit verbunden ist eine fortschreitende Entsakralisierung der Heiligen Messe zum «Gruppenerlebnis» und «Themengottesdienst». Das sogenannte Messopfer ist zum Fremdwort geworden, denn es setzt einen geweihten Priester voraus, der es darbringen kann. Stattdessen haben wir weitverbreitete Wortliturgien von hauptamtlichen Laien mit Kommunionspendung, die keine Weihe voraussetzen, nur einen unsichtbaren Priester, der vorgängig die Hostien konsekriert hat. Aufgrund der genannten Gründe gibt es immer weniger Priester. Die Marginalisierung des Priesters schreitet voran, so sehr, dass man auf dem synodalen Weg in Deutschland seine Notwendigkeit ernsthaft in Frage gestellt hat.

Das führt uns zum zweiten Punkt: Hans Urs von Balthasar schrieb schon in den 70er-Jahren: «Wenn heute diese fruchtbare Spannung erlahmt [zwischen marianischem und petrinischem Element], weil die Mariologie ihrer Stellung beraubt wird, und wenn die Frau im Zuge der Demokratisierung der Kirche in die hierarchischen Ämter hineindrängt, so wird sie damit nur aus dem Regen in die Traufe geraten. Die nachkonziliare Kirche hat ihre mystischen Züge weitgehend eingebüsst; sie ist eine Kirche der permanenten Gespräche, Organisationen, Beiräte, Kongresse, Synoden, Kommissionen, Akademien, Parteien, Pressionsgruppen, Funktionen, Strukturen und Umstrukturierungen, soziologischen Experimente, Statistiken: Mehr als je eine Männer-Kirche, es sei denn ein geschlechtsloses Gebilde, in dem die Frau ihren Platz so weit erobern wird, als sie bereit ist, selber ein solches zu werden.»[1]

Wie Recht er hat! Das ist deshalb so, weil die Frau sich bürokratisieren lässt, um innerhalb der Hierarchie der Kirche bis zu vatikanischen Spitzenämtern das zu tun, was vorher ein Kleriker (Bischof/Priester) getan hat. Damit wird sie im Sinne Balthasars geschlechtslos und zur Funktionärin – wenig mystisch aber glücklich – an der Macht des Mannes in der Kirche teilzuhaben. Die Kirche wird dadurch nicht femininer, auch nicht dienender. Für eine feminine Kirche müsste die Frau in ihr anders leben als der Mann, mystischer, ohne nach den bisher von einem Priester ausgeübten Aufgaben bzw. Funktionen zu streben. Dasselbe gilt auch für den (hauptamtlichen) Laien, der ohne Weihe alles wie der Priester tun und sein will. Auch er verliert sein eigenes Charisma und verfehlt seinen Stand.

Nun trifft man also die Frau auf allen hierarchischen Ebenen der Macht (in unserem Kontext die falsche Kategorie), im Sinne Balthasars ein Vorgang der Selbstentfremdung der Frau und der Kirche in einem. In der Tat hängt beides zusammen. Man staunt, wie blind alle Beteiligten sind. In den Ordinariaten beispielsweise gibt es nun die Kanzlerin und alle meinen, es gehe damit mit der Kirche und der Frauenfrage voran. Wir warten auf die Diakoninnen, gegenüber der Mehrheit der Frauen in der Kirche eine potenzielle, für die Stellung der Frau in der Kirche nicht wirklich relevante, absehbar kleine Gruppe. Aber noch sind wir nicht so weit. Ich für meinen Teil glaube sogar, dass es sie nie geben wird, aber vielleicht eine Art ungeweihte, benedizierte «Diakonisse», die priesterliche Funktionen oder Aufgaben übertragen bekommt, ohne Priesterin bzw. geweihte Diakonin zu sein, ähnlich den Weihrauchspenderinnen im neuen Maya-Ritus.

Symbolisch gesprochen wird der Turm von Pisa nicht mehr gerade. Es liegt an seinen Fundamenten. Mit anderen Worten: Wir haben seit 60 Jahren den falschen Ansatz, den strukturellen.

Gastkommentare spiegeln die Auffassungen ihrer Autorinnen und Autoren wider.

 


[1] Hans Urs von Balthasar, Klarstellungen, Einsiedeln 2008, 5. Auflage, S. 70.


Weihbischof em. Marian Eleganti


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    Daniel Ric 07.12.2024 um 14:20
    Ich teile die Auffassung von WB Eleganti, dass es einen falschen Weg darstellt, Laien in die Rolle von Priestern zu drängen. Das schadet der priesterlichen Berufung genauso wie derjenigen der Laien. Hier spielt es aber keine Rolle, ob es sich um Frauen oder Männer handelt. Wenn ein Pastoralassistent einem Gottesdienst vorsteht und eine Messe simuliert, erachte ich dies für gleich schlimm, wie wenn dies eine Pastoralassistentin tut. Auf der anderen Seite, wenn damit nicht die Heilige Messe konkurrenziert und weggedrängt wird, kann eine Pastoralassistentin genauso gut eine Laiengruppe führen wie ein männlicher Seelsorger. Wichtig wäre, eine Ordnung zu schaffen, in welcher klar ist, welche Aufgaben ein Priester und welche ein Laie hat - dies unabhängig vom Geschlecht des Laien. Dazu gehört auch eine gewisse Demut vonseiten der Priester. Es gibt Grundvollzüge der Kirche, die besser Laien anvertraut werden. Ich meine hier vor allem die Diakonie, den Gemeindeaufbau und auch gewisse Teile der Katechese, sofern es nicht um Sakramentenvorbereitung geht. Hier sollten sich glaubenstreue Priester und Laien einig werden, wer welche Aufgaben innerhalb einer Pfarrei übernimmt. Die Liturgie hingegen ist sicherlich ein Gebiet, welches exklusiv den Priestern überlassen werden sollte, wobei bestimme Elemente wie beispielsweise die Liederauswahl mit Laien besprochen werden sollten. In einer gut funktionierenden Pfarrei, in der alle Beteiligten vernünftig und gläubig denken und handeln, wird die Macht des Priesters sehr beschränkt sein, da die Laien der Kirche durch verschiedene Aktivitäten ein Gesicht geben. Dies alles kann bewerkstelligt werden, ohne dass man die Lehre der Kirche umwerfen und den Priester zu einem Verwalter degradieren muss. Was ich am obigen Aufsatz von WB Eleganti ablehne, ist die Auffassung, dass die Kirche ihre mystischen Züge bzw. ihren mystischen Inhalt verloren hat bzw. überhaupt verlieren könnte. Das Mystische in der Kirche liegt nicht am Latein, nicht an Weihrauch, nicht an der Kleidung der Priester oder daran, wie tonangebend diese in der Pfarrei sind. Das Mystische liegt an Jesus Christus, am fleischgewordenen Wort Gottes. Es findet seit 300 Jahren eine Entzauberung der Welt (Max Weber) statt, bei welcher der Mensch jeden Stein umkrempelt und jedes Phänomen erklären möchte. Wie sinnvoll oder sinnlos dieses Bestreben ist, wie stark es den Menschen nützt, ist eine andere Frage. Jedenfalls erleben immer noch viele Menschen die Nähe Gottes und es geschehen immer noch viele Wunder, die wir mit unserer Vernunft nicht erklären können. Überall dort, wo Menschen Gott aufrichtig suchen, lebt die Kirche. Solche Menschen gibt es auch heute noch und durch solche Menschen kann eine Neuevangelisierung gelingen. Das Klagen, dass die Kirche nicht mehr die gleiche Stellung hat wie vor 100 Jahren, bringt nichts. Tempi passati. Blicken wir nach vorne.
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    Robert Droux 06.12.2024 um 13:06
    Sehr treffende Analyse von Weihbischof Eleganti – herzlichen Dank. Bei einem Besuch eines Wortgottesdienstes ist man automatisch im Dilemma. Einerseits empfinde ich die Zelebrationen der sog. Pastoralessistenten oder Gemeindeleiter irgendwie blasphemisch. Andererseits will man die Sonntagspflicht erfüllen und die Gemeinschaft der Kirche erleben. Beides zerbröckelt bzw. verdunstet.
    Wenn bei der Austeilung der Kommunion die Worte «Brot des Lebens» anstelle von «Der Leib Christi» gesprochen wird oder wenn die Assistentin bei den Segensworten noch klammheimlich «Im Namen der Mutter, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes ….» einfädeln. Hinzu kommt oft die generelle Abneigung gegenüber den Priestern, weshalb diese auch nicht zur Eucharistiefeier eingeladen werden.
    Meiner Meinung nach sollte der Bischof dort durchgreifen, wo sich die (pastoralen) Angestellten solche Mätzchen leisten. Sie sind vor ein Ultimatum zu stellen bzw. zu entlassen. Es spielt für den Glauben der Kirche und der Menschen, die Gott suchen ja keine Rolle, ob ein Wortgottesdienst am Sonntag, oft mit knappen 20 Personen durchgeführt wird oder ob dieser Gottesdienst von Laien aus der Gemeinde gefeiert wird, welche sich vielleicht auch noch um die Jugend und die Alten kümmern, was die (pastoral) Angestellten oft vernachlässigen. Wenn man diese schlechten Zwischenlösungen mit Gemeindeleiter und Pastoralassistenten usw. fallen lässt, kann sich etwas anderes, etwas Kreatives aus dem Kirchenvolk entwickeln, bis wieder genügend Priester verfügbar sind. Natürlich müssen die echten Laien vom Bischof unterstützt werden, sei es mit Ideen und Beispielen über das Netz oder an Zusammenkünften und Kursen. Dafür gibt es gute Bespiele, vor allem aus der Vergangenheit und dem Ausland. Die Lösung mit (pastoral) Angestellten führt in eine Sackgasse, aus welcher es dann kaum ein Entrinnen mehr geben wird und die nur wegen den vorhanden finanziellen Mitteln möglich und bequem ist. Könnte man dieses Konzept nicht wenigstens testen?
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    T.L.D 06.12.2024 um 10:01
    Zwei Wörter: "Ordinatio sacerdotalis"
    Sollten sich mal all die "Frauenweihen"-Befürworter mal anschauen.
  • user
    Claudio Tessari 05.12.2024 um 16:05
    Wiedermal ein hervorragende Analyse. Die Wortgottesdienste werden auch gefördert, weil die Pastoralassistenten ja was zu tun haben wollen. Interessant, dass es diese in den meisten katholischen Länder gar nicht gibt, weil das Geld gar nicht vorhanden ist. Viele gehen an einen Wortgottesdienst wo die Kommunion ausgeteilt wird, und wissen gar nicht, dass kein Opfer statt gefunden hat. Bewusst halte ich meine Kinder von solchen Feiern fern. Es gibt genügend Möglichkeiten, wenn man ein Auto hat, irgendwo eine Heilige Messe zu besuchen, man muss halt etwas Zeit in kauf nehmen. Wir Laien müssen unsere Priester mehr unterstützen, sie ermutigen die Sakramente zu spenden. Laien und dazugehören Pastoralassistenten haben andere Aufgaben, als Priester zu spielen. Darum kann ich Bischof Marian nur gratulieren für diesen guten Bericht.
  • user
    Hansjörg 05.12.2024 um 13:21
    Macht ist also doch ein wichtiges Argument für die Männeer in der kath. Kirche.

    So muss sich die Frau bürokratisieren lassen um innerhalb der Hierarchie der Kirche bis zu vatikanischen Spitzenämtern das zu tun, was vorher ein Kleriker (Bischof/Priester) getan hat, um an der Macht des Mannes in der Kirche teilzuhaben.

    Erst dann trifft man die Frau auf allen hierarchischen Ebenen der Macht (so Weihbischof em. Marian Eleganti) Was ich schon immer vermutet habe, Machterhalt ist einer der wichtigsten Gründe, um Frauen von allen Ämtern fern zu halten.
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      Martin Meier-Schnüriger 06.12.2024 um 15:02
      Kann mir mal jemand - z.B. Sie, lieber Hansjörg - erklären, worin denn die Macht besteht, die einem angeblich mit der Weihe zum Priester oder Bischof übereignet wird? Wenn ich mir unsere Bischöfe ansehe, kommen sie mir eher als ohnmächtige, von allen Seiten in die Enge getriebene Schachfiguren vor. Die Weihe vermittelt nicht Macht, sondern Vollmacht, und das ist nicht dasselbe. Zum Glück gibt es immer mehr gerade junge Frauen, die sich nicht über ihre angebliche Diskriminierung in der Kirche beklagen, sondern dort, wo sie im Leben stehen, den Glauben durch Wort und Tat verkünden.
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        Hansjörg 07.12.2024 um 11:18
        Herr Martin Meier-Schnüriger, gerne teile ich Ihnen meine Sicht auf die Macht der Männer innerhalb der kath. Kirche mit.

        Nur Männer werden Priester, somit können nur Männer zum Bischof oder Kardinal aufsteigen. Der Weg zum Kardinal ist lange und steinig. Somit entscheiden später immer nur alte Männer, die in einer eigenen Blase gelebt haben, über die Zukunft und die Ausrichtung der kath. Kirche.
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          Daniel Ric 07.12.2024 um 17:13
          Lieber Hansjörg, die Ausrichtung und die Zukunft der Kirche wurden bereits vor 2000 Jahren festgelegt. Es ist nicht an den Priestern, Bischöfen, Kardinälen und am Papst, diese Ausrichtung nach Belieben zu ändern. Dies ist eine falsch verstandene Macht, von der Sie reden. Jeder Priester steht im Dienste des Evangeliums und jeder Priester sollte das beherzigen, was Jesus sagte: Wer der grösste unter Euch sein möchte, soll der Diener aller sein. Mir ist klar, dass viele Priester dieser Aufforderung nicht nachgekommen sind und deswegen Menschen wie Sie von Macht innerhalb der Kirche reden. Jesus wollte und will seine Kirche jedoch nicht auf Macht gründen, sondern auf Liebe zu Gott und zum Nächsten.