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«Die Flucht» – poe­ti­scher Aus­druck einer Konversion

In sei­ner Erzäh­lung «Die Flucht» lässt Sil­van Beer die Leser­schaft teil­ha­ben an der Geschichte einer Men­schen­seele, die ange­trie­ben von «einem kind­li­chen Hun­ger nach Welt» durch die Schöp­fung stürmt, nur um zu erle­ben, wie aus der ver­meint­li­chen Frei­heit ein erdrü­cken­des Gefäng­nis wird.

In «Die Flucht» erzählt der Protagonist in der Ich-Form von seinem Leben und seinen Gefühlen, doch kann er vom Leser nicht «erfasst» werden, da er keine konkreten Angaben zu seiner Person macht. Dies eröffnet der Leserin resp. dem Leser die Möglichkeit, sich in den Protagonisten einzufühlen, mit ihm den Weg zu gehen – doch wohin der Weg schlussendlich führt, erschliesst sich nur der je eigenen Seele, wie Prof. Barbara Hallensleben im «Nachklang» schreibt.

«swiss-cath.ch» hat bei Silvan Beer nachgefragt.

Was hat Sie bewogen, diese Erzählung zu schreiben?
Silvan Beer: Es ist schwierig, einen Grund für das Schreiben eines literarischen Textes anzugeben. Die kurze Antwort lautet: «Ich empfand einfach, dass diese Geschichte geschrieben werden sollte.» Aber sicherlich spielt die Erfahrung meiner eigenen Konversion und die Beschäftigung mit Theologie eine grosse Rolle. Irgendwann während meines Studiums empfand ich den starken Drang, dem Wunder einer Konversion poetischen Ausdruck zu verleihen. Nach und nach, mit vielen Änderungen und Überarbeitungsschritten entstand schliesslich dieser kleine Text.

Der Titel lautet «Die Flucht». Können Sie den Leserinnen und Lesern verraten, wovon oder vor wem der Protagonist flüchtet?
Der Protagonist flüchtet vor Gott, sich selbst, seinem Wesen, dem Guten, Schönen und Wahren. Er flüchtet vor dem Blick der Menschen und seinem eigenen Herz. Er ist ein moderner Jona oder das fliehende Ich aus Francis Thompsons Gedicht «Hound of Heaven», welches ich der Geschichte voranstelle. Er flüchtet in gewisser Weise vor allem und jedem, ohne sich dessen bewusst zu sein. Er empfindet sich als jemand, der sich in das Leben stürzt. In Wahrheit wählt er konstant den Tod. In jedem der drei Kapitel wird ihm das Gute der Schöpfung angeboten – und er jagt daran vorbei. Was er nicht weiss, ist, dass unsere Fluchtversuche für Gott so überaus klein sind. Wir können bis ans Ende der Welt fliehen und fallen dennoch nicht aus seiner Liebe heraus.

Die Erzählung ist in «Vater», «Sohn» und «Geist» unterteilt.
Ja, die drei Kapitel stellen drei Sphären des Daseins dar – die Natur, die Menschen, das Innenleben – die der Protagonist durchstreift. Man kann den Text sicherlich auch anders lesen, aber das ganze Geschehen trägt sozusagen das Wasserzeichen der christlichen Offenbarung, ohne dass der Protagonist sich dessen bewusst ist. Er schliesst sich immer mehr in dem Wunsch nach Eigenmächtigkeit ein, während er in Wahrheit immer schon auf die Weite und Fülle Gottes verwiesen ist.

Hat Ihre Erzählung ein bestimmtes Zielpublikum?
Nein. Ich wünsche mir lediglich aufmerksame und wohlwollende Leserinnen und Leser. Publiziert man etwas, so gibt man in gewisser Weise die Kontrolle über den Text ab. Das ist für mich eine ganz neue Erfahrung.
 

Silvan Beer (Jg. 1992) wuchs im Emmental auf und lebt gegenwärtig in Fribourg. Er studierte Theologie und Philosophie in Bern, Fribourg und Rom und schreibt literarische und journalistische Texte.
 

Silvan Beer, Die Flucht. Verlag Aschendorff 2024. 96 Seiten. ISBN 978-3-402-12092-7. Link

 

 


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

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Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin.


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