«Notre-Dame de Paris» ist das Wahrzeichen der Stadt und ein Nationalheiligtum. Als Mitte April 2019 das frühgotische Meisterwerk in Flammen aufging, starrte die Welt auf die Bilder der Verwüstung. Wenn – so der Plan – am 7. Dezember 2024, am Vorabend des katholischen Festtags Mariä Empfängnis, die Glocken der Kathedrale zur Wiedereröffnung erklingen, will die Welt wieder teilhaben.
Und nicht nur die grosse weite Welt, sondern auch ein Dorf im niederbayerischen Rottal. Dort werden die Wensauers die Festlichkeit verfolgen. Die Hammerschmiede des kleinen Familienbetriebs sorgen nämlich für den guten Ton. Ohne ihre Handwerkskunst wäre Stille über den Dächern der Ile de la Cite, der Seine-Insel im historischen Zentrum, so wie in den vergangenen Jahren. Die Rottaler Glockenklöppel verleihen der «Emmanuel», der grössten Glocke Frankreichs, und ihren neun Geschwistern ihre ehernen Stimmen.
Zum ursprünglichen Glanz der Kathedrale nach dem gross angelegten Wiederaufbau ertönt das Geläut, das Victor Hugo mit seinem Roman «Der Glöckner von Notre-Dame» unsterblich gemacht hat.
Martin Wensauer und seine zehn Hammerschmiede sind schon stolz, dass sie Anteil an dem Jahrtausendwerk haben. Der Chef des Familienunternehmens blickt auf eine lange Tradition zurück. Seit 1863 werden in Anzenkirchen Metalle per Hand geschmiedet oder gehämmert. Heute mit Alleinstellungsmerkmal.
Wenn es um Klöppel für Glocken geht, sind die Niederbayern praktisch internationaler Marktführer. Auf einem Turm in Chile, in einem Kriegerdenkmal in Washington, in Hongkong: Man verlässt sich auf die Präzisionsarbeit der Rottaler. Glockengiesser aus aller Welt rufen bei Martin Wensauer an, wenn es genau und auch einmal sehr schnell gehen muss.
447 Kilo Stahl für die «Emmanuel»
So vor wenigen Jahren, als Schweizer Giesser innerhalb weniger Monate Glockenklöppel für das komplette Geläut von Notre-Dame orderten. «Das war schon cool», meint der Chef. «Für diese Kathedrale arbeiten zu dürfen, war für uns eine Auszeichnung.»
Die Geschichte der Kirchenglocken von «Notre-Dame» reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück. 1769 hatte die Kathedrale insgesamt 20 Glocken. 1791 und 1792 fiel ein Grossteil der Glocken jedoch der Revolution zum Opfer. Heute hängen in den beiden Westtürmen von Notre Dame zehn Glocken.
Die «Emmanuel» ist die grösste Glocke der Kathedrale und wird als wohlklingendste Glocke Frankreichs gerühmt. 1685 von drei lothringischen Wandergiessern gegossen, hat sie als einzige Glocke die Wirren der Zeit überstanden und brauchte einen neuen Klöppel. 447 Kilogramm Stahl haben die Hammerschmiede verarbeitet. Jetzt kann die mit ihren geschätzt 13 Tonnen Masse zu den grössten und bedeutendsten Kirchenglocken in Europa zählende «Emmanuel» wieder im Schlagton fis0 -6/16 erklingen.
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