Swiss-cath.ch: Wie kommt es, dass Sie gegenwärtig in Deutschland sind, während Ihre Eltern und Ihre acht jüngeren Geschwister in der Westukraine leben?
Marta Yaniv: Ich habe mich noch vor dem Krieg beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) um Stipendien beworben, um einen Monat lang eine Sprachschule in Germersheim zu besuchen. Ich hatte das Ganze ein bisschen vergessen, als ich im April 2022 dann die Zusage bekam. Ich wollte zuerst überhaupt nicht hingehen, doch meine Eltern haben mich dann überzeugt, die Chance zu nutzen. Wir haben dann entschieden, dass ich noch ein wenig länger in Deutschland studiere. Zu Beginn des Krieges lebten wir alle zusammen einige Monate in der Nähe von Stuttgart, aber es war schwierig, mit so vielen Kindern im Ausland zu wohnen. Und weil es in der Westukraine einigermassen sicher ist, gingen meine Eltern mit den Geschwistern zurück.
Machen Sie Sich Sorgen um sie?
Ja, das ist sehr schwierig zu akzeptieren, dass ich in Sicherheit bin, aber meiner Familie jederzeit etwas zustossen könnte. Wissen Sie, das eigenartige ist, dass ich im Ausland manchmal fast mehr Angst habe, als wenn wir alle zusammen in der Ukraine sind. So gab es letzte Nacht Raketenbeschuss auch auf unsere Region. Die Raketen konnten abgewehrt werden, aber es waren nachts Explosionen zu hören. Und davon lese ich frühmorgens und darf nicht sogleich per SMS oder Anruf abklären, ob es allen gut geht, weil das abgehört werden könnte. Da macht man sich schreckliche Sorgen. Man sitzt einfach da und wartet, ohne zu wissen, ob der Familie etwas zugestossen ist. Erst später konnte ich meine Eltern anrufen und erfuhr, dass alles in Ordnung war.
Wie ist das, in diesen Krisenzeiten an zwei Orten, in zwei Kulturen zuhause zu sein?
Also Germersheim ist eine recht internationale Stadt, weil so viele aus dem Ausland hier Fremdsprachen studieren. Daher habe ich neue Bekannte aus aller Welt gefunden. Aber man nimmt natürlich Unterschiede wahr und es ist nicht ganz einfach, Anschluss zu finden. Aber ich glaube, das hat vor allem mit meiner Situation zu tun, dass ich das gegenwärtig gar nicht so an mich heranlassen kann. Ich bin mit den Gedanken stets in der Ukraine bei meiner Familie. Daher fühlt sich alles hier sehr temporär an. Ich denke, das wäre anders, wenn ich einfach hier zwei Auslandsemester gemacht hätte, ohne dass Krieg herrscht. Sehr frustrierend war, dass hier nur zweimal in der Woche Messe gefeiert wird. Ich bin gewohnt von zuhause, jeden Tag in die Messe zu gehen. Hier müsste ich dafür jeden Tag in eine andere Stadt fahren (lacht).
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