Symbolbild (zensursula/ Sebastian Bartels, CC BY 2.0 via Wikimedia Commons)

Kirche Schweiz

Die «Schwei­ze­ri­sche Kir­chen­zei­tung» macht auf Zensur

Die «Sonn­tags­Zei­tung» the­ma­ti­sierte in ihrer Aus­gabe vom 30. Juli 2023 eine Befra­gungs­stu­die der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Dres­den. «Links, urban, gebil­det – und into­le­rant» lau­tete das Fazit. Falls es noch eines wei­te­ren Bele­ges bedürfte, die «Schwei­ze­ri­sche Kir­chen­zei­tung» (SKZ) lie­fert ihn.

«Da haben wir offensichtlich in ein Wespennest gestochen», bilanzierte eine Woche später Arthur Rutishauser, Chefredaktor der «SonntagsZeitung». Der Aufschrei war tatsächlich gross. Nicht von ungefähr, denn das vom Mainstream sorgsam gehätschelte Klischee besagt: Wir in urbanen Zonen wohnende Menschen sind links, gebildet und tolerant. Und nun dies: Eine in zehn europäischen Ländern durchgeführte Studie mit 20 000 Personen stellt dieses Klischee geradezu auf den Kopf. Dazu die «SonntagsZeitung»: «Je gebildeter, reicher, städtischer und linker jemand ist, desto weniger werden Menschen akzeptiert, die ein anderes Weltbild haben.» Heisst: Jene, die gemeinhin als tolerant und offen gelten und sich auch selbst so sehen, sind es eben gerade nicht. Andersdenkenden gegenüber grosszügig zeigen sich dafür jene mit einer konservativen Haltung, die auf dem Land wohnen und über weniger Geld und Schulbildung verfügen. Die Autorin Bettina Weber schliesst ihren Artikel mit den Worten: «Die Ironie ist unübersehbar: ausgerechnet jene, die sich als gesellschaftliche Avantgarde verstehen, als besonders fortschrittlich und tolerant, richten sich im geistigen Reduit ein.»

Einen Beleg für die überfällige Demaskierung dieses hartnäckigen Klischees liefert ausgerechnet die SKZ: Vor einigen Wochen ersuchte mich ihre Redaktion, für die Ausgabe 19 (2023) einen Beitrag zu verfassen. Die vorgegebene Thematik lautete:

«Die SKZ plant für den Herbst eine Themennummer ‹Christentum unter Druck›. Es fällt auf, dass in unserer multipolaren Welt fast alles möglich, erlaubt, formulierbar, einzufordern etc. ist. Wenn aber christliche Gemeinschaften auf Grundlage ihrer Tradition (Schrift und Lehramt) zu gesellschaftlichen Fragen (etwa zur Abtreibung) Stellung beziehen, wird uns trotz Meinungsfreiheit oft das Recht auf eine eigene Meinung abgesprochen.»

Zu dieser in der Tat höchst aktuellen Thematik wurde mir eine «Carte blanche» (sic) im Umfang von 4200 Zeichen zugesprochen. Meine Stellungnahme lautete:

«Wetten, dass ...»
Ein Beitrag der Berliner Zeitung «taz» vom 18. März 2023 trug den Titel «Gegen die Religionsallergie.» Er war dem Wechsel von «kath.ch»-Redaktionsleiter Raphael Rauch zum «SonntagsBlick» gewidmet. Rauch gelangte darin in einer Art «lucidum intervallum» zum Befund: «Unter angehenden Journalisten und Journalistinnen gibt es eine regelrechte Religionsallergie.» Olivia Röllin, Moderatorin der «Sternstunde» bei SRF, doppelt quasi nach: «Wenn ich etwa Leute bei einer Party begegnet bin, war man teils erstaunt, was ich mache. Irgendwann sagte ich nur noch, dass ich Philosophie studiere. In vielen Köpfen wird Religion automatisch als Thema für ältere Menschen abgetan und wer es studiert als sehr fromm angesehen – ein Missverständnis. Ich war es leid, dies immer wieder zu erklären.»

Religionsphobie und Religionsallergie sind ja so neu nicht – im Gegenteil. Schon Wolfgang Goethe hat in seinem epochalen Werk «Faust» (im Untertitel als Tragödie bezeichnet) mit unübertrefflichem Scharfsinn die Befindlichkeit der Moderne vorweggenommen. Es lohnt sich, den Abschnitt über die berühmte Gretchenfrage («Nun sag: wie hälst du's mit der Religion?») wieder einmal Satz für Satz sich zu Gemüte zu führen. Wie sich da der Doktor Faust um die Kardinalfrage herumdrückt: ein Menetekel zukünftiger Zeiten! Aller ausweichenden Formulierungskünste Faustens lässt sich Margarete nicht beirren: «Wenn man's so hört, mag's leidlich scheinen; steht aber doch immer schief drum. Denn Du hast doch kein Christentum.» Und was schon damals galt, gilt heute ganz besonders: Wenn die «Religion» unter Beschuss gerät, gilt die Kanonade – von ein paar Querschüssen in Richtung Freikirchen abgesehen – vorzugsweise dem Christentum katholischer Prägung (die agnostisch-atheistische Dauerkettensäge namens Pfarrerssohn Hug Stamm lässt grüssen). Die Katholische Kirche darf sich diese Zielscheibenfunktion durchaus als Verdienst anrechnen, denn authentisch gelebtes Christentum hat schon immer und wird auch immer provozieren (vgl. Joh. 15.20).

Religion, und das heisst in unseren Breitengraden wiederum primär die Katholische Kirche, wird dann nicht marginalisiert oder verdrängt, sondern oft mit Gusto thematisiert, wenn ihr vermeintliche oder tatsächliche Skandale zur Last gelegt werden. Dies gilt beileibe nicht nur für säkulare Medien. Raphael Rauch vermeldete stolz, dass sich unter seiner Leitung die Klickzahlen von «kath.ch» verdreifacht hätten. Kunststück: Die schon fast masochistische Wollust, der Maxime «Nestbeschmutzung» zu frönen, wird von der ‹Gegenseite› mit Gusto zur Kenntnis genommen, v. a. wenn es um ‹de sexto› geht.

«Wetten dass ...»: Wenn am 12. September 2023 die Schweizer Bischofskonferenz die von ihr in Auftrag gegebene Studie btr. sexuellem Missbrauch in der Kirche der Öffentlichkeit präsentiert, wird «Religion» urplötzlich wieder zum Mega-Event.»

Unlängst erhielt ich eine Absage: «Non possumus.» Nein, so wollte die SKZ Toleranz nun doch nicht verstanden wissen. Kein Problem – denn da gibt's ja noch swiss-cath.ch.


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

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Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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  • user
    stadler karl 15.08.2023 um 09:08
    Die von Ihnen erwähnte Studie erstaunt tatsächlich nicht wirklich, gewinnt man doch selber auch immer wieder beim Konsum von Medien den subjektiven Eindruck, einem präskriptiven moralisierenden Mainstream nicht zuletzt linksgrüner Provenienz ausgesetzt zu sein. Und das soll gewiss kein Votum dahingehend sein, dass die dringenden Probleme lokalen wie globalen Ausmasses, welche uns alle, zum Teil weltweit bedrängen, nicht ernst genommen und mit aller Kraft, Konsequenz und Verantwortung angegangen werden müssen. Aber es ist beängstigend, wie manche Strömungen in Anspruch nehmen, nur sie wüssten, wie diesen Herausforderungen begegnet werden kann und sich gleichzeitig die Berufung zuschanzen, uns die normativen Leitplanken ihrer Vorstellungen aufzudrängen.
    Bloss: Persönlich glaube ich keineswegs, dass dies ausschliesslich ein Phänomen von Städtern, Gebildeten, Linksgrünen etc. ist. Wahrscheinlich ist es ganz allgemein eine anthropologische Eigenschaft, die uns alle auf gleiche Weise betrifft, sofern wir denn selber die Möglichkeit erhalten, wesentlichen Einfluss auf die Deutungshoheit zu gewinnen. Auch die Institution "Kirche" bleibt davon nicht unbetroffen wie auch alle anderen gesellschaftlichen oder politischen Institutionen und wie wir alle als Einzelpersonen. Persönlich jedenfalls bei genauem Hinsehen ertappe ich mich auch immer wieder in Bezug auf die je eigenen Urteile. Diese Behauptung bezüglich der Kirche soll jetzt absolut keine Allergie zum Ausdruck bringen. Aber wenn man versucht, die je eigene Sozialisation zu reflektieren, dann lässt sich schon ohne Zwang feststellen, dass man nicht lediglich an Werte "herangeführt", als vielmehr teilweise auf eine unduldsame Weise auf diese getrimmt wurde. Ich glaube im Übrigen auch nicht, dass dies einzig oder vorwiegend die katholische Kirche betrifft. Schilderungen von Kollegen, die konfessionell nicht im Geiste des Katholizismus aufwuchsen, hören sich da teilweise ganz ähnlich an.
    Dass über institutionelle innerkirchliche Fehlentwicklungen, die auch schweren Schaden anrichten konnten, heute debattiert wird, gerade auch wenn es um "de sexto" geht, muss keineswegs auf eine Nestbeschmutzung hinauslaufen. Es sollte einfach nicht aus einer selbstgerechten Haltung heraus und auf verletzende Weise geschehen, wie das teilweise zu beobachten ist.
  • user
    Michael Dahinden, Riemenstalden 10.08.2023 um 21:17
    "Es kommt nicht darauf an, dass man toleriert,
    sondern es kommt darauf an, was man toleriert."
    (PP. Benedikt XVI.)