Ikone des Barmherzigen Jesus (Bild: Mike Qerkini)

Weltkirche

Die Sekre­tä­rin der Barm­her­zig­keit Gottes

Am 30. April 2000, dem Sonn­tag der Gött­li­chen Barm­her­zig­keit, hat Papst Johan­nes Paul II. Sr. Maria Faus­tyna Kowalska (1905 – 1938) hei­lig­ge­spro­chen. Mit die­ser Hei­lig­spre­chung wurde nicht nur das Leben einer ein­fa­chen pol­ni­schen Ordens­frau als vor­bild­lich im christ­li­chen Sinne aner­kannt, son­dern auch eine der zen­tra­len Bot­schaf­ten des 20. Jahr­hun­derts bestä­tigt: die uner­schöpf­li­che Barm­her­zig­keit Got­tes. Zum 25-​Jahr-​Jubiläum ihrer Hei­lig­spre­chung bie­tet ihr geist­li­ches Tage­buch einen neuen Blick auf das Chris­tus­bild. Hier offen­bart sich eine zutiefst mys­ti­sche, bib­li­sche und tröst­li­che Chris­tus­ge­stalt – rele­vant für die Kir­che und die Welt von heute.

Das Gnadenbild des Barmherzigen Jesus, das heute offiziell im Heiligtum der Göttlichen Barmherzigkeit in Krakau-Łagiewniki verehrt wird, wurde vom polnischen Künstler Adolf Hyła (1897–1965) geschaffen. Im Jahr 1943 malte er das Bild als Votivgabe für die Bewahrung seiner Familie während des Zweiten Weltkriegs. Es basiert auf den Visionen von Sr. Faustyna, die sie in ihrem Tagebuch beschreibt, das bis heute eine Schlüsselrolle in der Verbreitung und Verehrung der Göttlichen Barmherzigkeit spielt. Da Sr. Faustyna selbst nicht in der Lage war, das Bild zu malen (vgl. Tagebuch Nr. 313), hinterliess sie ein mit Worten beschriebenes «Bild».

Die Barmherzigkeit Gottes: Christi Offenbarung und die Sakramente
In den Visionen von Sr. Faustyna offenbart sich Christus mit einem von ihr präzise beschriebenen äusseren Erscheinungsbild, das zur bildlichen Grundlage der Verehrung der Göttlichen Barmherzigkeit wurde. Sr. Faustyna beschreibt eine Szene, in der sie Jesus Christus in einem weissen Gewand erblickte: «Eine Hand war zum Segnen erhoben, die andere berührte das Gewand auf der Brust. Von der Öffnung des Gewandes an der Brust gingen zwei grosse Strahlen aus, ein roter und ein blasser» (Tagebuch Nr. 47). Die Bedeutung dieser Strahlen erklärte Christus selbst: «Der blasse Strahl bedeutet Wasser, das die Seelen rechtfertigt, der rote Strahl bedeutet Blut, welches das Leben der Seelen ist […] Diese zwei Strahlen drangen aus den Tiefen Meiner Barmherzigkeit, damals, als Mein sterbendes Herz am Kreuz mit der Lanze geöffnet wurde» (Tagebuch Nr. 299; vgl. Joh 19,34).

Diese Vision bildete die Grundlage für das Gnadenbild des Barmherzigen Jesus und fasst das Ostergeheimnis bildtheologisch prägnant zusammen: Blut und Wasser, die aus Jesu Seite fliessen, sind ein kraftvolles Zeichen der Heiligung und der Erlösung. Die Heiligen Schrift unterstreicht diese Bedeutung, indem sie sagt: «Denn das Blut Jesu, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde» (1 Joh 1,7).

In dieser berühmt gewordenen Vision von Sr. Faustyna, die durch ihre Einfachheit und tiefgründige Bedeutung gleichermassen berührt, erkennen Gläubige die Erinnerung an die unermessliche Barmherzigkeit Gottes in Jesus Christus, die sie besonders durch die Sakramente der Taufe, Beichte und Eucharistie empfangen. In diesem Kontext steht auch das Fest der Göttlichen Barmherzigkeit, das am Weissen Sonntag gefeiert wird, dem traditionellen Erstkommunionfest (vgl. dazu Offb 7,9). Christus offenbart Sr. Faustyna: «Dieses Fest kommt aus dem Inneren Meiner Barmherzigkeit und ist in den Tiefen Meines Erbarmens bestätigt. Jeder gläubigen und Meiner Barmherzigkeit vertrauende Seele, wird Barmherzigkeit zuteil» (Tagebuch Nr. 420).

Besonders hervorzuheben ist das Sakrament der Versöhnung, das zentrale Sakrament der göttlichen Barmherzigkeit. In seiner Offenbarung betont Jesus die Bedeutung dieses Sakraments: «Wenn du zur Beichte kommst, wisse, dass Ich selbst im Beichtstuhl auf dich warte. Ich verhülle Mich nur mit dem Priester, aber in der Seele wirke Ich Selbst. Hier begegnet das Elend der Seele dem Gott der Barmherzigkeit. Sage den Seelen, dass sie aus dieser Quelle der Barmherzigkeit nur mit dem Gefäss des Vertrauens schöpfen können. Wenn ihr Vertrauen gross ist, ist meine Freigebigkeit grenzenlos» (Tagebuch Nr. 1602).

All diese Visionen unterstreichen die unerschöpfliche Quelle der Barmherzigkeit, die durch die Sakramente zugänglich wird, und die Einladung an alle Gläubigen, sich vertrauensvoll und mit einem offenen Herzen der göttlichen Barmherzigkeit zu nähern: «Sind eure Sünden wie Scharlach, weiss wie Schnee werden sie. Sind sie rot wie Purpur, wie Wolle werden sie» (Jes 1,18). Das Tagebuch der heiligen Sr. Faustyna betont die sakramentale Bedeutung der Heilung, Reinigung und Versöhnung, besonders im Zusammenhang mit der göttlichen Barmherzigkeit.
 


Das Verhalten Jesu gegenüber Sr. Faustyna
Das Tagebuch der Schwester Maria Faustyna Kowalska ist eine theologisch dichte und spirituell tiefgehende Lektüre – selbst für jene, die mit dem katholischen Glauben vertraut sind. Eine besonders aufschlussreiche Perspektive für das Verständnis dieses Werkes eröffnet sich, wenn man den Blick auf die Weise richtet, wie Jesus Christus selbst Sr. Faustyna begegnet.

Christus wendet sich ihr mit unendlicher Geduld, liebevoller Zärtlichkeit und tiefem Vertrauen zu. Immer wieder nennt er sie «mein Kind» (vgl. Tagebuch Nr. 1486) oder bezeichnet sie als «Sekretärin Meiner Barmherzigkeit» (vgl. Tagebuch Nr. 965). Seine Worte sind durchdrungen von Trost und Ermutigung: «Du wirst nicht allein sein, denn Ich bin mit dir, immer und überall; an Meinem Herzen fürchte nichts» (Tagebuch Nr. 797). Auch in Zeiten von Zweifel und innerer Unsicherheit stärkt er sie mit Zuspruch: «Sei beruhigt, Meine Tochter, Ich sehe deine Anstrengungen, die Mir sehr angenehm sind» (Tagebuch Nr. 757). Als Sr. Faustyna sich angesichts ihrer Schwachheit für unwürdig hält, die göttliche Barmherzigkeit zu verkünden, versichert ihr Jesus: «Meine Tochter, sei beruhigt, tue was Ich dir zu tun heisse. […] Du bist die Sekretärin Meiner Barmherzigkeit. Ich habe dich für dieses Amt im Leben und im Tode auserwählt» (Tagebuch Nr. 1605). Diese wiederholten Bekräftigungen offenbaren die besondere geistliche Beziehung, die zwischen Christus und Sr. Faustyna besteht – geprägt von göttlicher Nähe und heilender Führung. In besonderer Tiefe spricht Jesus im Tagebuch zu ihr: «Meine Tochter, du Meine Wonne und Mein Wohlgefallen, nichts wird Mich hindern, dir Gnade zu schenken. Meine Barmherzigkeit stört sich an deinem Elend nicht. Schreibe, Meine Tochter: Je grösser das Elend, desto grösser das Recht auf Meine Barmherzigkeit […]. Die Quelle Meiner Barmherzigkeit ist mit der Lanze am Kreuz für alle Seelen weit geöffnet worden. Ich habe niemanden ausgeschlossen» (Tagebuch Nr. 1182).

Das Christusbild der Sr. Maria Faustyna
Das Tagebuch der Schwester Maria Faustyna Kowalska gewährt eindrucksvolle Einblicke in ihr inneres Christusbild, das zutiefst vom Vertrauen in die göttliche Barmherzigkeit Gottes geprägt ist. Dieses Vertrauen ist für Sr. Faustyna keine blosse emotionale Haltung, sondern eine geistliche Antwort auf das tiefste Wesen Gottes. So schreibt sie: «Ich suche mein Glück nirgendwo, ausser in meinem Inneren, wo Gott weilt. Ich freue mich an Gott in meinem Innern, hier verweile ich unentwegt mit Ihm, hier ist mein vertrautester Umgang mit Ihm, hier weile ich sicher mit Ihm, hierher gelangt kein menschlicher Blick» (Tagebuch Nr. 454). Bereits in den frühesten Einträgen, noch vor ihrem Eintritt ins Kloster, beschreibt Sr. Faustyna eine innige Vertrautheit mit Christus, die sie in der mystischen Sprache der Brautmystik ausdrückt: «Gott erfüllte meine Seele mit innerem Licht, um Ihn tiefer zu erkennen als höchstes Gut und Schönheit. Ich erkannte, wie sehr mich Gott liebt. Ewig währt Seine Liebe zu mir. […] Von da an fühlte ich eine innigere Verbundenheit mit Gott, meinem Bräutigam. Von da an richtete ich eine kleine Zelle in meinem Herzen ein, in der ich mich immer mit Jesus aufhielt» (Tagebuch Nr. 16).

Sr. Faustyna erkennt in Christus die Personifizierung von Gottes Barmherzigkeit als Antwort auf ihre tiefsten Ängste und Hoffnungen: «O nicht erschaffene Schönheit, wer Dich nur einmal erkennt, der kann nichts anderes lieben. Ich fühle den unendlichen Abgrund meiner Seele, den nichts auszufüllen vermag, nur Gott allein. Ich fühle, dass ich in Ihm versinke wie ein Sandkorn im bodenlosen Ozean» (Tagebuch Nr. 343). In einer zentralen Botschaft sagt Christus zu ihr: «Mein Herz freut sich des Titels ‹Barmherzigkeit›. Verkünde, dass Barmherzigkeit die grösste Eigenschaft Gottes ist. Alle Werke Meiner Hände sind durch Barmherzigkeit gekrönt» (Tagebuch Nr. 300–301; vgl. Ps 136).

Sr. Faustynas Christusbild ist kein fernes theologisches Ideal, sondern eine konkrete, erfahrbare, heilende und tröstende Gegenwart Gottes. Entsprechend erscheint ihr der Herr nicht nur über der Klosterkapelle (vgl. Tagebuch Nr. 87), sondern ebenso in der Einfachheit der Klosterzelle (vgl. Tagebuch Nr. 47) oder in der innig erlebten Begegnung bei der Heiligen Kommunion (vgl. Tagebuch Nr. 160).

Die heilige Sr. Maria Faustyna Kowalska hinterlässt der Kirche und der Welt ein aussergewöhnliches Zeugnis der göttlichen Barmherzigkeit, das sich durch ihr Christusbild und ihre mystische Erfahrung offenbart. Mit ihrer Heiligsprechung vor 25 Jahren erlangt die Botschaft aus ihrem Tagebuch eine universelle Bedeutung. Die Barmherzigkeit Gottes bleibt heute ein zentraler Bestandteil der kirchlichen Verkündigung: «Schreibe: Ehe Ich als gerechter Richter komme, öffne ich weit die Tür Meiner Barmherzigkeit» (Tagebuch Nr. 1146). Das Christusbild, das Sr. Faustyna in ihrem Tagebuch entwirft, ist von Milde, Sanftmut, Geduld und gleichzeitig von einem tiefen Ernst geprägt. Es ist ein Christusbild, das der Kirche in Zeiten des Wandels und einer Welt auf der Suche nach Sinn zutiefst entspricht.
 

Tagebuch der Schwester Maria Faustyna Kowalska aus der Kongregation der Muttergottes der Barmherzigkeit, übersetzt von Lucia Zjaczek, Parvis-Verlag Hauteville, 52000.


Mike Qerkini


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Bemerkungen :

  • user
    Michael 30.04.2025 um 17:36
    Ist das nicht wohltuend in einer Zeit mit schwankender Kirche? Er ist da, lenkt sie, trägt sie, tröstet sie. Christus vincit, regnat, imperat. Und wir haben das Bedürfnis, selbst dafür lasst uns danken.