Marc Jost. (Bild: zVg)

Interview

Die Stärke des Vol­kes misst sich am Wohl der Schwachen

Am 14. Sep­tem­ber 2024 fin­det der nächste «Marsch fürs Läbe» unter dem Motto «Stand up for life» statt. Neben Dr. med. Paul Cul­len, Vor­sit­zen­der der «Ärzte für das Leben» in Deutsch­land wird auch EVP-​Nationalrat Marc Jost als Red­ner auf­tre­ten. Vor­bil­der für unsere Bischöfe, die sich zual­ler­meist mit unver­bind­li­chen Gruss­bot­schaf­ten begnü­gen. Grund für «swiss​-cath​.ch», im Inter­view mit Marco Jost nach sei­nen Beweg­grün­den zu fragen.

Warum sind Sie am «Marsch fürs Läbe» dabei?
Ich unterstütze das Anliegen der Organisatoren, dass das Leben von ungeborenen Kindern besser geachtet und geschützt werden soll. Dass in der Schweiz jedes Jahr über 10 000 Embryonen und Föten abgetrieben werden – was ca. 10 % der Schwangerschaften entspricht – macht mich sehr nachdenklich und traurig. Unsere Verfassung sagt, dass die Stärke des Volkes sich am Wohl der Schwachen misst. Den Schutz von ungeborenen Kindern sehe ich als Teil dieses Auftrages. Denn jedes menschliche Wesen muss geachtet werden, weil, so glaube ich, jeder Mensch – auch ein ungeborener – ein Abbild Gottes ist.

Was kann die Gesellschaft dazu beitragen, damit sich (ungewollt) schwangere Frauen eher für das Leben des Kindes entscheiden?
Als «Evangelische Volkspartei» EVP wünschen wir uns verschiedene Massnahmen. Es muss eine fundierte und differenzierte Schwangerschaftsberatung angeboten werden. Frauen in Notlagen müssen unterstützt werden, auch finanziell. Angebote zur Adoption oder die Babyklappe als letzte Möglichkeit müssen unterstützt werden. Es darf zudem nicht der geringste Druck zur Abtreibung ausgeübt werden, auch nicht bei befürchteten Behinderungen – weder seitens der Ärzteschaft noch der Sozialversicherungen.

Was tragen Sie als Politiker dazu bei?
Ich setze mich im Parlament dafür ein, dass der Zugang zur Abtreibung nicht noch weiter liberalisiert wird. Das tue ich unter anderem, indem ich bereit bin, auch für das Anliegen aufzutreten und entsprechende Vorstösse bekämpfe. Ich habe in meiner Zeit als Nationalrat festgestellt, dass es für viele Politikerinnen und Politiker schwierig ist, dies zu tun, weil man sich bei diesem emotionalen Thema sehr exponiert. Handkehrum möchte ich mich als Politiker auch für Lösungsansätze einsetzen. Im Parlament sind Vorstösse, die dazu führen sollten, Schwangerschaftsabbrüche in unserem Land zu reduzieren, in den letzten Jahren an den Mehrheitsverhältnissen leider wiederholt gescheitert. Da haben wir als Politiker wenig Spielraum.

Frankreich hat «die Freiheit zur Abtreibung» in seine Verfassung aufgenommen. In der Schweiz möchte man die Abtreibung aus dem Strafgesetzbuch nehmen. Wie beurteilen Sie die Sachlage?
Im eidgenössischen Parlament besteht im Moment eine Patt-Situation. Eine Minderheit möchte das Gesetz liberalisieren und damit den Leitlinien der WHO folgen. Eine entsprechende parlamentarische Initiative wurde letztes Jahr abgelehnt. Eine andere Minderheit – zu der ich mich auch zähle – möchte im Gegenteil das Leben der ungeborenen Kinder besser schützen, als das jetzt der Fall ist. Im Endeffekt ist aber im Moment eine Mehrheit des Parlaments für den Status quo und hält an der Fristenlösung, so wie sie seit über 20 Jahren in Kraft ist, fest. Diese Verhältnisse können sich aber schnell wieder ändern. Der Nationalrat hat in der Frühjahressession ein Postulat verabschiedet, das den Bundesrat beauftragt, die Fristenregelung zu evaluieren. Das Postulat ist im Kern ein erneuter – indirekter – Versuch, die Abtreibung komplett aus dem Strafgesetz zu nehmen und das Thema ausschliesslich als eine Frauen-Gesundheitsfrage zu betrachten. Dabei geht vergessen, dass bei Fragen der Abtreibung immer – mindestens – zwei Leben im Spiel sind, nämlich das Leben der Mutter und jenes des ungeborenen Kindes. [Siehe auch mein Votum zum Postulat «Evaluation der Fristenregelung» das das Video)

Der «Marsch fürs Läbe» wird von manchen Menschen in die «rechte Ecke» platziert. Haben Sie keine Angst, dass Ihre Teilnahme Ihrer Tätigkeit als Politiker schaden könnte?
Mein politischer Kompass ist nicht primär darauf gerichtet, ob eine Stellungnahme gefallen wird oder eben nicht, sondern ob ich diese als wichtig und richtig erachte. Das ist hier definitiv der Fall. Mir ist es aber auch ein grosses Anliegen, dass man sich immer respektvoll gegenüber Andersdenkenden verhält und nicht unnötig provoziert und polarisiert. Wir wollen ja jedes menschliche Leben achten – das sollte auch zwischen politischen Opponenten gelten. Darauf werde ich auch in meinem Vortrag am «Marsch fürs Läbe» Wert legen.
 

Informationen zum 14. «Marsch fürs Läbe» finden Sie hier


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

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Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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    Meier Pirmin 15.08.2024 um 22:54
    NR Josts Bezug auf das Wohl der Schwachen ist ein Zitat der Präambel der Bundesverfassung, auf die sich fast alle möglichen Minderheiten beziehen. Hier aber wirklich die Schwächsten, die als Ungeborene übrigens sehr eindrucksvoll in Calderons Welttheater in der Übersetzung des Familienvaters Eichendorff gewürdigt sind. Pro Tag werden gemäss einer neuen Erhebung in der Bundesrepublik 275 Kinder abgetrieben, was dieser Aktion eine bedeutende Wichtigkeit verleiht. Regelmässig wird dieser Anlass durch fanatische Schreihälse gestört, bei denen ich nicht umhin komme, sie mit den primitivsten Menschenfeinden der deutschen Geschichte zu vergleichen mit dem Unterschied, dass sich von diesen nach dem 2. Weltkrieg vergleichsweise noch viele für ihre Vergangenheit geschämt haben. Als bedeutendste Politikerin für einen Aspekt dieses Anliegens unterstützte ich vor 8 Jahren die Aargauer Ständerätin Pascale Bruderer in Anerkennung ihres Vorstosses betr. Eindämmung der vorgeburtlichen Selektion, was wütende Abtreibungsbefürworterinnen als Rückschritt in ihren Bemühungen für die möglichst absolute Freiheit der Tötung vorgeburtlichen Lebens interpretierten. Die Politikerin zog sich dann bald aus dem Eidg. Parlament zurück.