Gleich mehrere Kardinäle feierten am vergangenen Wochenende, 14./15. März 2025, an der «Universität der italienischen Schweiz» in Lugano das Gedenken an den ehemaligen Tessiner Bischof und Kirchenrechtler Eugenio Corecco (1931–1995): Der 80-jährige Kanadier und emeritierte Kardinalpräfekt des «Dikasteriums für die Bischöfe», Marc Ouellet, der Bischof Corecco allerdings nicht persönlich kannte, der Spanier Antonio Maria Rouco Varela, 89, einstiger Studienkollege Eugenio Coreccos und spätere Erzbischof von Madrid, sowie der Italiener Francesco Coccopalmerio, ehemaliges Mitglied des «Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen». Sie gedachten jenes Bischofs, der die Diözese Lugano nachhaltig geprägt hatte. Zum Freundeskreis Eugenio Corecco gehören Namen wie Mauro-Giuseppe Lepori, Generalabt der Zisterzienser, und Kardinal Angelo Scola, der auch das Vorwort zu Antonietta Morettis Biographie «Eugenio Corecco. La grazia di una vita» schrieb.
Vor 30 Jahren, am 1. März 1995, starb Bischof Corecco an den Folgen eines Krebsleidens. Zuvor hatte er am Fernsehen offen über seine Angst vor dem Tod gesprochen, was ihm bei der Bevölkerung viele Sympathien einbrachte. Er hatte die Menschen gebeten, für seine Heilung zu beten, aber wichtiger sei, dass er die Tage, die ihm noch blieben, intensiv und gut leben dürfe. Man hätte dem Professor, der im Empfinden der Bevölkerung «manchmal etwas zu gelehrt sprach», eine solche Offenheit und solche «normalen» Gefühle gar nicht zugetraut. Eugenio Corecco hatte aber schon vorher viele überrascht.
Als sein verehrter Freund Johannes Paul II. den gutaussehenden Eisenbähnler-Sohn aus der Leventina 1986 zum Bischof von Lugano ernannte, lehrte dieser gerade Kirchenrecht an der Universität Fribourg und wohnte mit einer Gruppe Studenten in einer WG an der «rue Gambach», um ihnen zu ermöglichen, das Leben einer christlichen Gemeinschaft beim Gebet, einem abendlichen Glas Chianti und viel Humor real zu erfahren. Das lag ganz im Wesen der Laienbewegung «Comunione e Liberazione» (CL), die er als Priester zwanzig Jahre zuvor im Tessin eingeführt hatte, denn ihn hatten die Ansätze ihres Gründers, des Mailänder Priesters Luigi Giussani, fasziniert. Giussanis Maxime lautete: «Gott hat entweder mit allem zu tun, oder er existiert nicht», und er behauptete, dass der Glaube das Leben hundertmal lebenswerter mache. Tausende fanden durch CL Zugang zur Eucharistie, auch im Tessin.
Bei Coreccos Ernennung zum Bischof von Lugano argwöhnten viele, er würde CL bevorzugen, aber das Gegenteil geschah: Er holte die «Katholische Aktion» aus Italien ins Tessin, um den Pfarreien unter die Arme zu greifen, und er förderte die unterschiedlichsten Initiativen und Laienbewegungen, weil er von der Pluralität der Charismen überzeugt war und in ihnen die lebendige Zukunft der Katholischen Kirche sah. Sein nachhaltigstes Projekt war 1992 die Gründung der Theologischen Fakultät von Lugano, Vorläuferin der «Universität der italienischen Schweiz».
Unter Bischof Coreccos Apostolat fielen auch schillernde Episoden wie jene des vermeintlichen Sehers Pino Casagrande aus Italien, der behauptete, seit 1988 oberhalb von Giubiasco bei Scarpapè jeden Monat die Madonna zu sehen. Er verkaufte den Gläubigen, die busweise aus Italien und der deutschen Schweiz anreisten, sogar Polaroid-Fotos der Madonna, die er mit seiner Wunderkamera schoss. Bischof Corecco verbot ihm diese Auftritte kategorisch, was dieser allerdings nicht respektierte, bis ihm auch die Gemeinde Giubiasco mit Bussen drohte.
Internationale Ausstrahlung erwarb sich Eugenio Corecco durch seine Tätigkeit als Professor für Kirchenrecht an der Universität Fribourg. Didaktisches und diplomatisches Geschick waren nicht seine Stärken. Hingegen verfügte er über eine aussergewöhnliche intellektuelle Spannkraft und spirituellen Tiefgang. Seine Fähigkeit, die Entwicklung eines Rechtsinstituts wie z. B. das Ehesakrament von seinen Ursprüngen in der Patristik über das Mittelalter und die Barockzeit bis in die Moderne nachzuzeichnen, ist wohl einmalig. Das Kirchenrecht im Sinne einer Disziplin wissenschaftlich primär der Theologie und nicht der Jurisprudenz zu verorten, war ihm ein Herzensanliegen.
Ein glanzvoller Höhepunkt seiner akademischen Tätigkeit war der von ihm organisierte und geleitete IV. Internationale Kongress für Kirchenrecht, der im Oktober 1980 in Fribourg stattfand und die «Grundrechte des Christen in Kirche und Staat» zum Thema hatte. Ein 1300 Seiten starker Sammelband zeugt vom wissenschaftlich ebenso vielfältigen wie anspruchsvollen Ertrag dieses Anlasses.
Last but not least: Eugenio Corecco gehörte auch zu den Geburtshelfern des neuen, am Ersten Adventssonntag 1983 in Kraft getretenen Kirchenrechts. Papst Johannes Paul II. hatte einige wenige Koryphäen einberufen, um vor der Inkraftsetzung in einer Retraite jeden der 1752 Paragraphen umfassenden Gesetzbuches durchzuackern. Einer von ihnen war Eugenio Corecco.
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