Symbolbild (Bild: Fotalia 239688)

Kommentar

Die «wilde Ehe» war kein Erfolg

Junge Men­schen gehen heute meist bereits als Teen­ager die ers­ten sexu­el­len Bezie­hun­gen ein. Nach vie­len Tren­nun­gen kom­men sie unver­se­hens in die Dreis­si­ger und haben nicht den Part­ner für eine Fami­li­en­grün­dung gefun­den. Warum?

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Corrigenda

Es beginnt mit einem Kribbeln oder auch mit den berühmten Schmetterlingen im Bauch: Wenn Jugendliche geschlechtsreif werden und die Anziehungskraft des anderen Geschlechts spüren, beginnen heute für die meisten jungen Menschen die ersten sexuellen Erfahrungen. Dem «ersten Kuss» folgen Berührungen «underneath your clothes» (Shakra) – und es geht weiter über Petting und andere sexuelle Praktiken bis zum «ersten Mal».

Kaum ist das Teenager-Alter verlassen, beginnen viele dieser Mädchen und Jungen zusammenzuziehen, teilen «Bett und Tisch», leben also in «wilder Ehe», wie man früher sagte, zusammen. Schneller als vorher gehofft, brechen solche Lebensgemeinschaften wieder auseinander, enden nicht selten hässlich und nicht mit dem Versprechen einer zukünftigen Freundschaft.

Nach etlichen schmerzlichen Trennungserfahrungen und verletzten Herzen, darunter auch Abtreibungen unerwünschter ungeborener Kinder, kommen sie unversehens in die 30er-Jahre ihres Lebens – und haben nicht den ersehnten treuen Partner für eine Familiengründung gefunden.

Die Freiheit lockte, Pfarrer schwiegen
Als Ende der 1960er-Jahre die Studenten in Deutschland auf die Strasse gingen und die antiautoritäre Kulturrevolution nach marxistischen Maximen propagierten, wurde gleichzeitig auch die Sexuelle Revolution («freie Liebe») eingeläutet. Vermeintlich alte moralische Vorstellungen sollten abgeschüttelt werden; die versprochene Freiheit lockte. Eltern und Erzieher sahen sich gegenüber dieser Welle «neuer Werte» machtlos und liessen ihre Kinder gewähren.

Als der «Kuppelei-Paragraph», der unverheirateten Paaren das Mieten eines Doppelzimmers in einem Hotel bei Strafe verbot, aufgehoben wurde, war die «wilde Ehe» zu einem Allgemeingut geworden. Regten sich in den siebziger Jahren in der katholischen Kirche noch Widerstände gegen die «Sittenlosigkeit» der jungen Menschen, war dies spätestens in den achtziger Jahren vorbei.

Obwohl die «freie Liebe» fundamental allem widersprach, was die Bibel und der Katholische Katechismus lehrte, trauten sich Pfarrer, Pastoren oder andere kirchlich Verantwortliche nicht mehr, gegen den Sittenverfall zu predigen oder davor zu warnen.

Die prophetischen Warnungen des Papstes verhallten
Papst Paul VI. muss man es heute hoch anrechnen, dass er mit dem Lehrschreiben «Humanae Vitae» von 1968, der sogenannten «Pillen-Enzyklika», die Anwendung künstlicher Verhütungsmittel für katholische Christen weltweit verbot. Er warnte in der sieben Jahre später folgenden Erklärung «Persona Humana» vor den gravierenden Folgen einer ausserhalb einer gültigen Ehe praktizierten Sexualität. Sie würde die Persönlichkeit der Menschen tiefgreifend verändern.

So nahmen die Dinge ihren Lauf. Unter katholisch getauften und gefirmten Jugendlichen gehen heute weit weniger als zehn Prozent als «Jungfrau» oder «Jungmann» in die sakramental gespendete Ehe.

Was also tun? Entweder man passt die Moral an die (sündigen) Zustände des Sittenverfalls an oder die Kirche lehrt Menschen, das allezeit gültige und göttliche Sittengesetz zu halten beziehungsweise zum lebendigen Gott umzukehren.

Die Herzen sind durch Trennungs- und zu frühe sexuelle Erfahrungen oftmals tief verletzt
Auf Symposien des «Synodalen Weges» versucht man offenbar den ersten Weg der Anpassung der katholischen Sexualmoral an den Zeitgeist. Die vielleicht gutgemeinten Vorschläge der selbsternannten Reformer übersehen dabei, in welche Lage die Kirche selbst (sexueller Missbrauch) durch die Annahme der «Werte» der Sexuellen Revolution gekommen ist. Die Scheidungszahlen, auch unter katholischen Ehepaaren, sind hoch, und Millionen suchen in Portalen wie «Parship», «Tinder» oder «LoveScout» noch immer (oder auch wieder) nach dem Partner fürs Leben.

Ein Ausweg aus den Teufelskreisen der freien Liebe scheint auf diese Weise nicht erkennbar. Denn die jungen Leute von heute haben genau die Erfahrungen gemacht, vor denen Papst Paul VI. einst gewarnt hatte. Die Herzen und Seelen von Männern wie Frauen sind durch Trennungs- und zu frühe sexuelle Erfahrungen oftmals tief verwundet und verletzt worden.

Schützenhilfe aus unerwarteter Richtung: Max Horkheimer
Wenn bei Frauen ab dem 30. Lebensjahr die biologische Uhr lauter zu ticken beginnt, bei beiden Geschlechtern angesichts hoher beruflicher Belastung die Furcht vor nächtlichem Kindergeschrei und Einschränkungen der bisherigen Urlaubsplanung wächst, befinden sich die in «wilder Ehe» lebenden Paare in einer verzwickten Lage. Wer will dann noch dem Kinderwunsch folgen und eine Familie gründen? Ist es nicht klüger, dem bisherigen, freien Lebensstil weiter zu folgen, wohl ahnend, dass die ersehnte Treue des Ehepartners nicht ohne Opfer im Lebensstil und nicht ohne finanzielle Einbussen zu haben ist?

Die menschliche Liebe lässt den blossen Versuch nicht zu
Ich habe kürzlich mit einem evangelischen Pfarrer gesprochen, der seit mehr als 30 Jahren unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen arbeitet. Er bestätigte die hier beschriebene Lage. Heute zeige sich durchgehend eine Bindungsunfähigkeit bei jungen Menschen, die wohl auch auf die zu früh eingegangenen sexuellen Kontakte zurückzuführen sei.

Explizit mahnt der Katholische Weltkatechismus (KKK 2391), dass es kein «Versuchsrecht» zwischen zwei Partnern geben könne. Eine echte und wahre Liebe lasse den blossen «Versuch» nicht zu; sie verlange „eine endgültige und ganze gegenseitige Hingabe der beiden Partner“ (vgl. KKK 2364).

«Der Ausdruck ‹freie Liebe› ist trügerisch: Was kann ein Liebesverhältnis bedeuten, bei dem die beiden Partner keine gegenseitigen Verpflichtungen eingehen und damit bezeugen, dass sie weder auf den Partner noch auf sich selbst noch auf die Zukunft genügend vertrauen?» (Katechismus der Katholischen Kirche, Abschnitt 2390)

Selbst wenn der Wille zur Heirat feststehe, würden «verfrühte geschlechtliche Beziehungen keineswegs die Aufrichtigkeit und die Treue der zwischenmenschlichen Beziehungen von Mann und Frau gewährleisten noch sie vor allem gegen Laune und Begierlichkeit zu schützen vermögen», heisst es in der Erklärung «Persona Humana» von Papst Paul VI. Die leibliche Vereinigung sei nur dann moralisch zu rechtfertigen, wenn zwischen dem Mann und der Frau eine «endgültige Lebensgemeinschaft gegründet worden ist».

Der letzte Hoffnungsanker
Für katholische Frauen wie Männer, die diesen Rat weitgehend in den Wind geschlagen haben, ist Hilfe wahrscheinlich schwer zu finden. In den Jahren nach dem Empfang der Firmung haben sie sich oftmals von der Kirche und dem Besuch der Heiligen Messe am Sonntag entfernt. Warum sie sich dann dennoch zur «kirchlichen Trauung» und auch zur katholischen Ehevorbereitung anmeldeten, ist daher eine interessante Frage.

Eine Studie der Universitäten Regensburg und Eichstätt unter 1500 Männern und Frauen, die an der katholischen Ehevorbereitung in drei bayerischen Bistümern teilnahmen, zeigt, dass die katholische Kirche so etwas wie ein letzter Hoffnungsanker, ein letzter Hafen für die nicht zu stillende Sehnsucht nach echter Liebe und Treue ist.

Der Regensburger Moraltheologe Rupert Scheule wies in Bezug auf die Studie darauf hin, dass ein Viertel der Paare «schon ein oder sogar mehrere Kinder» hatte. Rund 80 Prozent hätten sich als religiös und als katholisch bezeichnet, mehr als die Hälfte aber ging «nie oder nur selten» in die Kirche.

Eine Ehevorbereitung «light» nutzt nichts
Die Chancen und Möglichkeiten, die sich der Kirche durch die immer noch gesuchte katholische Ehevorbereitung bieten, erscheinen hoffnungsvoll. Wo Menschen erkennen, auf welche Irrwege sie durch die Sexuelle Revolution geführt wurden, welche Verführungen ihnen ein böser Zeitgeist vermittelt hat, sind sie vielleicht schon dabei, «umzukehren» in ein besseres und hoffnungsvolles Morgen?

Das würde voraussetzen, dass die katholische Lehre über Ehe und Familie in den Ehevorbereitungsseminaren tatsächlich vermittelt wird. Moraltheologe Scheule betonte aber, dass die Studie herausfand, dass genau dies nicht geschieht. Themen wie die natürliche Familienplanung (Verzicht auf künstliche Verhütungsmittel), Sexualität oder das christliche Eheverständnis blieben weitgehend aussen vor, so die Studie. Die kurios anmutende Begründung dafür lautete: Viele der Paare hätten «ja auch schon Kinder», so Scheule, weswegen die Seminarleiter die heissen Themen vorsorglich ausklammerten.

Dass eine solche Version «light» einer Ehevorbereitung, wo dann hauptsächlich psychologische Fragen der Kommunikation zwischen den Partnern behandelt werden, kein tragfähiges Fundament für eine lebenslange katholische Ehe begründen kann, dürfte sich von selbst verstehen.

Hinrich E. Bues

 

Originalbeitrag auf Corrigenda

 


Corrigenda


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    Sophie Pfander 12.02.2023 um 23:19
    Ach, was sind Sie doch altbacken. Was verschliessen Sie die Augen davor, dass die Möglichkeit der Trennung insbesondere Frauen die Möglichkeit gab, schlimmen Eheverhältnissen zu entfliehen. Als ob die von der Kirche gesegneten Ehen alle ein Segen wären. Kein Wunder verliert die Katholische Kirche Mitglieder, wenn sie sich der modernen Welt so verschliesst. Und den angesprochenen Problemen, die es ja durchaus gibt, als einzige Möglichkeit den Weg zurück in die Ehevorbereitungsseminare und die Messe am Sonntag anzubieten. Ein wahres Liebesverhältnis braucht keine Weihe. Gott hat sie immer im Auge, und schützt sie.
  • user
    Hansjörg 08.02.2023 um 13:11
    Wenn nur noch 10% der jungen Katholikinnen als "Jungfrau" oder "Jungmann" in die Ehe gehen, sind entweder die Regeln fehl am Platz, oder den jungen Menschen sind die Regeln der kath. Kirche völlig egal.
    • user
      Daniel Ric 09.02.2023 um 08:44
      Diese Argumentation ist gefährlich, weil man sie genauso gut auf andere Bereiche ausweiten könnte. Wahrscheinlich kennen viel weniger als 10% der jungen Menschen die Werke Goethes oder Schillers. Wahrscheinlich kennen weniger als 1% die Werke Kants oder Hegels. Könnte man nun wirklich behaupten, die Werke seien fehl am Platz oder interessieren niemanden? Die dritte Alternative wird von Ihnen nicht genannt: Vielleicht wurden gewisse Werte und deren Sinn nicht richtig vermittelt in den letzten Jahren, was zur Tatsache geführt hat, dass sie weder gekannt noch praktiziert werden.
  • user
    C. Veber 07.02.2023 um 14:00
    Diesen Artikel kann ich nur bestätigen, als Jugendlicher hatte ich mich genau so verhalten. Man macht einfach das was alle machen, genoss die "Freiheiten" und denkt sich nichts böses. Das Gewissen schlummerte irgendwo im Unterbewusstsein, wenn es sich mal meldete war es ein leichtes es wieder ruhig zu stellen.
    Mittlerweile ist meiner Frau und mir klar geworden das wir sehr gut mit den ersten sexuellen Erfahrungen bis nach der Hochzeit hätten warten können.... oder früher heiraten.
    Insbesondere mich führte ein katholischer Priester, nach unstetem Lebenswandel, durch die Beichte wieder auf den rechten Pfad. Mir gelang es aber auf diesem lange nicht unbeschmutzt zu wandeln aber das Saatkorn war gelegt und der Weg führte wenigstens in die rechte Richtung.
    Gottes Segen verhalf uns zu einer guten Ehe, aber die Gefahr in die man sich mit einem ungezügelten Sexualverhalten begibt ist fürchterlich.
    Ich bitte alle Priester inständig, scheut euch nicht die katholische Morallehre zu vertreten, das in allen Menschen schlummernde Gewissen braucht dringend Unterstützung von euch!
    Wir als Gläubige ahnen, wie schwer und gross diese Aufgabe ist und unterstützen euch im Gebet!