Peter Hahne im Dezember 2017. (Bild: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons))

Interview

«Ein bank­rot­tes Unter­neh­men als Vorbild»

Peter Hahne war jahr­zehn­te­lang eines der bekann­tes­ten Gesich­ter des deut­schen Fern­se­hens. Der Best­sel­ler­au­tor ist Jour­na­list und ehe­ma­li­ges Mit­glied des Rates der Evan­ge­li­scher Kir­che EKD. Hier im Inter­view mit José García.

Dieses Interview erschien zuerst im Magazin «omnes»

In Ihrem Nachruf auf Benedikt XVI. haben Sie geschrieben: «Für ihn war es der grösste Schmerz, dass der deutsche Katholizismus den suizidalen Weg der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) eingeschlagen hat.» Was meinen Sie damit?
Marketingtechnisch gesprochen: Wenn das Ziel sein soll, die Kirche zu reformieren, um sie den Leuten wieder näher zu bringen, um neue Menschen zu gewinnen, also um die Kirche wieder attraktiv zu machen, dann nimmt man sich ein Beispiel an dem, der das erfolgreich praktiziert. So würde es jedes Unternehmen machen. Der Katholizismus nimmt sich aber ausgerechnet als Beispiel ein Unternehmen, das daran bankrott zu gehen droht, den Protestantismus. Alles, was auf dem Synodalen Weg gefordert wird, ist eine Protestantisierung der Katholischen Kirche. Abschaffung des Zölibats, Frauenordination und so weiter – all das gibt es in der evangelischen Kirche. Trotz des Missbrauchsskandals treten immer noch mehr evangelische Christen aus ihrer Kirche aus als Katholiken. Franziskus hat gesagt: Eine evangelische Kirche haben wir schon, wir brauchen keine zweite.

Allerdings ist die Kirche kein Unternehmen ...
Für mich als Christ ist die geistliche Dimension am wichtigsten. Der Synodale Weg scheint völlig ohne Gebet, ohne den Heiligen Geist und auch ohne Evangelisierung auszukommen. Wenn ich eine Kirche erneuern will, dann fange ich zunächst einmal an zu beten, lasse ich den Heiligen Geist wirken, und dann setze ich die Prioritäten auf geistlicher Ebene, das heisst, ich frage: Was ist das Zentrum der Kirche? Das ist der Gottesdienst, in der katholischen Kirche die Eucharistie. Diese Dimension spielt beim Synodalen Weg, so wie ich ihn kenne, überhaupt keine Rolle. Und wo es eine Rolle spielt, ist es reiner Etikettenschwindel, dass man seinem ganzen sozialpolitischen Gewölk einen Überbau gibt.

Wie sollte dann der Synodale Weg aussehen, damit echte Evangelisierung dabei eine entscheidende Rolle spielt?
Evangelisierung heisst für mich, die Menschen nicht zu einer Institution zurückzuholen, sondern zu Gott. Und indem ich sie zu Gott zurückhole, hole ich sie natürlich zurück zur Kirche, weil es Christsein ohne Gemeinschaft, ohne die Kirche, nicht gibt. Das meine ich auch als evangelischer Christ. Ich kann nur empfehlen, sich etwa den Nachruf des Vorsitzenden der Bischofskonferenz auf Benedikt XVI. genau anzuschauen. Wenn der Nachruf aus dem Herzen kommt, dass Benedikt einer der grössten Kirchenlehrer war und gleichzeitig ein geistlich denkender, theologischer Wegweiser, dann müsste ich innehalten, und sagen: «Wenn er so gut ist, übernehme ich sein Rezept zur Reform der Kirche.» Dann können Sie den Synodalen Weg sofort beerdigen.

Wie würde Ihrer Meinung nach ein solcher Synodaler Weg nach Papst Benedikt aussehen?
Bei seinem Bayern-Besuch hat Papst Benedikt vor Priestern im Dom von Freising eine Predigt gehalten. Alle Katholiken sollten sich diese Ansprache anhören. Es ging um die Frage, was unsere Aufgabe als Priester, aber auch allgemein als Christ, in dieser Welt ist. Er hat die vorbereitete Rede beiseite gelegt mit der herrlichen Bemerkung, man kann sie gedruckt lesen. Dann hat er 14 Minuten lang in freier Rede aus seinem Herzen heraus eine Ansprache gehalten, die nicht den Hauch von Politik, Klima oder was auch immer hatte, sondern Jesus-zentriert war. Wenn man diese Rede heute zum Massstab für die Reform in der Kirche machen würde, bin ich von der Erfolgsgarantie überzeugt, obwohl es im Geistlichen keine Garantie gibt. Aber das ist für mich der richtige Weg. In Freiburg sprach Benedikt über die Entweltlichung. Heute haben wir bei dem Synodalen Weg eine Verweltlichung. Es ist immer verdächtig, wenn «die Welt» der Kirche Beifall spendet. Heute hat man den Eindruck, dass die Bischöfe förmlich beifallerheischend sind. Sie wollen lieb gehabt werden, sie wollen bejubelt werden. Sie merken gar nicht, in welche Falle sie laufen. Der bayerische lutherische Bischof Hermann Bezzel hat einmal gesagt, «die Kirche geht zugrunde an ihren unberufenen Dienern». Das ist für mich der Schlüssel. Wir haben heute zu viele verhinderte Parteipolitiker auf den Kanzeln.

Der Synodale Weg wurde wegen des Missbrauchsskandals ins Leben gerufen. Aber: Hat er wirklich mit einer Aufarbeitung des Missbrauchs zu tun?
Hier wird ein sachfremder Missstand zum Vorwand genommen, um die Kirche zu revolutionieren. Mit dem Missbrauchsskandal hat all das, was der Synodale Weg jetzt behandelt, überhaupt nichts zu tun. Denn das hiesse ja wieder, in der evangelischen Kirche hätte es das nie gegeben, weil dort die Pfarrer verheiratet sind ... In der evangelischen Kirche gibt es genau das Gleiche, nur nicht in dieser Massivität. Ein Mann, der Pädophil ist, der kann tausend Mal verheiratet sein, er vergreift sich trotzdem an Kindern.

Originalbeitrag in «omnes»


Omnes


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