«Wir müssen den Klerikalismus überwinden, die Vorstellung, ein Priester sei etwas Besonderes», irrlichtert Bischof Charles Morerod in einem NZZ-Interview vom 17. Juli 2025. Da kann es nicht schaden, einige Basics über das Priestertum im Verständnis der Katholischen Kirche in Erinnerung zu rufen. Josef Pieper hat sein Traktat «Was unterscheidet den Priester?» zwar schon 1971 geschrieben, dessen Inhalt ist aber aktueller denn je. Dies gilt vor dem Hintergrund von Bischof Morerods zitierter Aussage ganz besonders. Als Anknüpfungspunkt seiner Überlegungen hat der grosse Philosoph und wohl beste Kenner des Thomas von Aquin im 20. Jahrhundert eine Aussage des Zweiten Vatikanischen Konzils gewählt, derzufolge zwischen Priestern und Laien nicht nur ein gradueller, sondern ein substantieller Unterschied besteht (vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche, 10).
Das Postulat der «Entmythologisierung», kann man Piepers Schrift entnehmen, geisterte schon damals, vor nunmehr über 50 Jahren, in den Köpfen so mancher sich progressiv gebender Kirchenmänner herum, insbesondere in Kreisen der universitären Theologenzunft. Dagegen erhebt Josef Pieper energischen Einspruch. Seine Klarstellung versteht er als Rückgriff auf «die als sie selbst sprechende Kirche, welche für den Glaubenden nicht nur in ihren ausdrücklichen Lehrbekundungen, sondern auch in ihrem geschichtlichen Selbstvollzug der einzig legitimierte Interpret der Christusoffenbarung ist».
Josef Pieper weist auch das Ansinnen zurück, die Aussagen des Konzils lediglich als Vorstufe einer inzwischen viel weiter vorausgeschrittenen‚ «modernen Theologie» zu relativieren. Das, was den Priester spezifisch unterscheidet, macht Pieper fest an der Frage: «Was geschieht in der Priesterweihe?» Seine Antwort: Es gelte, das uns Abhandengekommene von neuem und ganz elementar durchzubuchstabieren.
Was geschieht in der Priesterweihe?
In der Priesterweihe, so Pieper weiter, geschieht ein Zweifaches. Zunächst ist es die Selbsthingabe, («dedicatio»), durch welche sich der Weihekandidat ein für alle Mal dem ausschliesslichen Dienst Gottes überantwortet. Zum andern ist es die vom Bischof vollzogene eigentliche Weihe («consecratio»), von der das Zweite Vatikanum sagt, sie werde von Gott selbst durch den Dienst des Bischofs vollzogen (Dekret über Dienst und Leben der Priester, 5). Der Priester wird somit zur «persona sacra». Pieper schlägt vor, diesen missverständlichen Begriff durch das Wort «der Geweihte» zu übersetzen. Damit ist erstens eine objektiv-seinshafte Qualität gemeint, die dem Geweihten unabhängig von seinen persönlichen Eigenschaften innewohnt. Und zweitens ist die Priesterweihe ein unwiederholbarer, von Natur endgültiger Akt, der dem Weihekandidaten einen in der theologischen Fachsprache sogenannten «character indelebilis» verleiht.
Damit ist, so Pieper, das schlechthin Unterscheidende ausgesagt, nämlich die geistliche Vollmacht, in persona Christi die Eucharistiefeier zu vollziehen. Eucharistiefeier verstanden als Höhepunkt und Quelle, aus der die Kirche ihre ganze Kraft schöpft. Ein Vorgang, den Thomas von Aquin als die Inkardination des göttlichen Logos beschreibt. Durch die Weihe wird der Priester Christus gleichgestaltet, sie befähigt ihn, das «Sakrament des Leibes Christi zu vollziehen» (Thomas von Aquin). Das weithin herrschende Unvermögen zur Erkenntnis dieser sakramentalen Wirklichkeit veranlasste Pieper zur Feststellung, dass dieses Unvermögen zu einem «besonders akuten Problem der gegenwärtigen Christenheit zu werden droht». Der Satz könnte vor wenigen Tagen geschrieben worden sein. Sollte sich Bischof Morerod mit deutschsprachiger Literatur schwertun, sei ihm wärmstens empfohlen, einen Blick in das dreibändige Werk «L’Église du Verbe Incarné» des grossen Freiburger Theologen und Kardinals Charles Journet zu werfen.
Anachronistischer Griff in die Mottenkiste
Bischof Morerod garniert seinen antiklerikalen Bannstrahl mit einer Anekdote: «Früher war es undenkbar, den Dorfpfarrer, geschweige denn einen Bischof zu kritisieren.» Anachronismus pur! Dies mag in der hintersten Ecke des Greyerzerlandes einst so gewesen sein; gängige Praxis seit Jahrzehnten ist vielmehr eine robuste Kritik der Geistlichkeit. Der Schreibende – in der Bodenseeregion in einem gut katholischen Elternhaus aufgewachsen – war vorzugsweise am Mittagstisch schon vor mehr als 65 Jahren Zeuge einer regelmässigen Kritik am Dorfpfarrer. War die Kritik jungen Ohren nicht zuträglich, wechselten die Eltern in die französische Sprache. Bischof Morerod ist von der heutigen Realität meilenweit entfernt. Der landläufige Tenor, so ist mancherorts zu hören, lautet vielmehr: «In unserem Pastoralraum hat der Priester nichts zu sagen.» Statt ein Schattenboxen gegen längst vergangene Phantome auszufechten, täte Bischof Morerod besser daran, den um sich greifenden Klerikalismus unserer Tage ins Visier zu nehmen, nämlich jenen von Laien-Pfarreileitern und Kirchenpflegen.
Eine der Kernaussagen und zugleich wesentliche Neuerung beschlägt das Verständnis des Bischofs. Die während Jahrhunderten dominierende Doktrin vom Bischofsamt als eines lediglich juristischen Zusatzes zur Priesterweihe weicht einer Neuinterpretation der Bischofsweihe: Mit ihr wird die «Fülle des Weihesakramentes übertragen» (Dogmatische Konstitution über die Kirche, 26). Damit wird zugleich die klassische Unterscheidung von Weihevollmacht und Jurisdiktionsvollmacht aufgebrochen. Sie weicht einer neuen Sicht, der zufolge in der Bischofsweihe die drei Ämter der Heiligung, der Lehre und der Leitung übertragen werden. Sowohl die Weihe- als auch die Jurisdiktionsvollmacht werden nun «vom Konzil in einer inneren Einheit gesehen, und zwar im Sakrament» (Karl Rahner, Herbert Vorgrimmler, Kleines Konzilskompendium, 111).
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Oder Sakristeiwanzen, physische oder digitale. Mit KI wären die zum Sakramentsdienst eingeschränkten Männer ohnehin unfallsicherer mit Roboter ersetzbar. Nein, seelenloser und beziehungsloser geht es wirklich nicht!
2. Kann damit der Priester allfällige Vorwürfe entkräften.
3. Hat der Bischof je nach Kanton mehr oder weniger zu sagen und die Welschschweiz und
4. Sieht die Westschweiz nicht alles gleich wie die Deutschschweiz.
Aus diesem Grund macht ein ID- Überwachungs-Ausweis nur Sinn, wenn sie insbesonder auch für Laien gelten.