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Hintergrundbericht

Ein fort­wäh­ren­des Ankommen

Mit dem ers­ten Advents­sonn­tag beginnt das neue Kir­chen­jahr. Wie der Name Advent besagt, geht es um «Ankunft» – nicht irgend­eine Ankunft, son­dern um die Ankunft Jesu Christi.

Viele Menschen verbinden die Adventszeit mit der bevorstehenden Geburt Jesu. Doch die Adventszeit hat einen doppelten Charakter: Einerseits als Vorbereitungszeit auf Weihnachten – das erste Kommen des Gottessohnes zu den Menschen –, andererseits lenkt die Adventszeit gleichzeitig unseren Sinn auf die zweite Ankunft Christi am Ende der Zeiten. Liturgisch ist der Beginn der Adventszeit eher auf die eschatologische Wiederkunft Jesu Christi ausgerichtet, vom 17. bis 24. Dezember mehr auf die Feier der Geburt des Gottessohnes (Stichwort: O-Antiphone)1.

Zuweilen hört man im Zusammenhang mit dem Advent auch von einer Busszeit. Dies hat geschichtliche Gründe. Während in Rom der Advent als freudige Vorbereitungszeit auf die Geburt Christi betrachtet wurde, stellten die irischen Missionare in Gallien die eschatologische Erwartung in den Mittelpunkt und gaben der Adventszeit dadurch einen Busscharakter. Es entfielen das Gloria und das Halleluja in der Messfeier. Das Halleluja wird heute wieder gesungen, auf das Gloria wird in der Adventszeit weiterhin verzichtet.

Dreifacher Advent
Bernhard von Clairvaux sprach nicht nur von einer zweifachen Ankunft des Herrn, sondern von einer dreifachen: «In der ersten Ankunft kam er im Fleisch und in der Schwachheit. In dieser mittleren kommt er in Geist und Kraft, in der letzten in Herrlichkeit und Majestät»2. In seiner ersten Ankunft wurde Jesus Christus Mensch, um uns zu erlösen. In der zweiten Ankunft kam er im Geist, um uns zu heilen und heiligen. Jesus versprach: «Wenn jemand mich liebt, wird er mein Wort halten; mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und bei ihm Wohnung nehmen» (Joh 14,23). So ist diese zweite Ankunft nicht ein einmaliges Ereignis, sondern ein «beständiges, im Raum des Glaubens sich vollziehendes Nahen» (Romano Guardini). Christus ist immer im Kommen. Er möchte zusammen mit dem Vater in unserem Herzen wohnen, um durch uns in der Welt zu wirken. Er klopft an die Tür unseres Herzens und bittet um Einlass. Und der Herr kommt so lange, bis alles erfüllt wird, was er verkündet hat – das geschieht bei der dritten Ankunft. Dann wird er kommen, um uns die Wohnung beim Vater zu geben, die er für uns vorbereitet hat (vgl. Joh 14,3).

Der Advent ist somit auch eine Zeit des Wachens: Wachen, um das leise Klopfen Jesu Christi an der Tür unseres Herzens nicht zu überhören. Wachen, um seine Spuren in unserer Welt nicht zu übersehen. Wachen, weil wir sehnsüchtig auf das Kommen des Reiches Gottes warten, wo sich die Verheissung erfüllt: «Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen und sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein. Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen» (Offb 21,3–4).

John Henry Kardinal Newman zeichnete ein klares Bild von einem wachenden Christen: «Der ist wach für Christus, der ein empfindendes, sehnsüchtiges und fühlendes Herz besitzt; der mit frischer Kraft, mit scharfsichtigem Eifer darauf bedacht ist, Ihn zu suchen und zu ehren; der in allem, was geschieht, nach Ihm ausschaut und nicht überrascht, nicht allzu erregt oder überwältigt wäre, wenn er entdeckte, dass er plötzlich käme»3

Die Adventszeit beginnt mit der ersten Vesper des Sonntags, der auf den 30. November fällt oder diesem Datum am nächsten kommt. Sie endet vor der ersten Vesper von Weihnachten.

 


1 Zu den O-Antiphonen wird ein eigener Beitrag erscheinen.
2 «Adventu Domini», serm. III,4. V,1, PL 183,45. 50 C-D
3 John Henry Newman, Predigt vom 3. Dezember 1837, zitiert in: Marianne Schlosser (Hg.), «Es haucht die Nacht ein neues Licht». Der weihnachtliche Festkreis in Gebeten und Betrachtungen, Sankt Ottilien 2020.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

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Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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