Die Veröffentlichung der von der Schweizer Bischofskonferenz (SBK), der «Konferenz der Ordensgemeinschaften und anderer Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens in der Schweiz» KOVOS und der «Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz» (RKZ) in Auftrag gegebenen und vom «Historische Seminar der Universität Zürich» durchgeführten Pilotstudie war auf den 12. September 2023 geplant. Bereits zwei Tage zuvor wurde medial Stimmung gegen die Bischöfe gemacht. «Sechs Schweizer Bischöfe unter Druck», titelte der «SonntagsBlick». Der als Whistleblower bezeichnete Nicolas Betticher erhob schwere Vorwürfe gegen mehrere Mitglieder Bischofskonferenz, eine kanonische Voruntersuchung gegen vier Bischöfe wurde eingeleitet.[1]
Wasser auf die Mühlen gewisser Medien, allen voran jenem Nachrichtenportal, das offiziell im Auftrag der SBK tätig ist: Mit sage und schreibe sechs Beiträgen reagierte «kath.ch» auf den Artikel im «SonntagsBlick» und heizte so die Stimmung noch mehr an. Das Terrain für die Veröffentlichung der Studie war bestens präpariert.
Pilotstudie wartet mit unbewiesenen «Fällen» und Pauschalaussagen auf
Der «Bericht zum Pilotprojekt zur Geschichte sexuellen Missbrauchs im Umfeld der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz seit Mitte des 20. Jahrhunderts» wurde am 12. September 2023 vorgestellt. Er spricht von 1002 Fällen sexuellen Missbrauchs mit 510 Beschuldigten und 921 Betroffenen. Das Spektrum reiche «von problematischen Grenzüberschreitungen bis hin zu schwersten, systematischen Missbräuchen». Doch hier sind wir bereits beim grundlegenden Problem: In dieser Studie zum sexuellen Missbrauch wurde nicht definiert, was unter «Missbrauch» verstanden wird – obwohl es die erste Aufgabe einer wissenschaftlichen Studie wäre, den untersuchten Gegenstand zu definieren.
Ebenso wenig wurden die 1002 Fälle belegt oder nach Art des Missbrauchs katalogisiert. Und von «Fällen» dürfte vermutlich auch nicht gesprochen werden, da es sich zum Teil nur um Meldungen oder Vermutungen handelt.
Neben «swiss-cath.ch» war es einzig die «Weltwoche», welche die Studie einer kritischen Prüfung unterzog. Autor Christoph Mörgeli fragte: «Wie viele eigentliche Straftaten bleiben also von den verkündeten 1002 ‹Missbrauchsfällen›? Wir wissen es nicht, weil die angeblich wissenschaftliche Studie das geheim hält.» Er rechnet aufgrund der veröffentlichten Zahlen mit sieben «Fällen» pro Jahr. Sein Fazit: «Alle 250 Jahre kommt in einer römisch-katholischen Kirchgemeinde eine potenzielle (unbewiesene) Straftat vor.»
Konkrete Massnahmen der Bischöfe
Die Auftraggeber der Studie sowie viele kirchliche Mitarbeitende zeigten sich beschämt und geschockt über die Ergebnisse. Noch im Rahmen der Medienkonferenz stellte Bischof Joseph Maria Bonnemain vier konkrete Massnahmen vor: Selbstverpflichtung zur Aufbewahrung der Akten; Schaffung verschiedener unabhängiger Meldestellen; standardisierte psychologische Abklärung für alle, die einen Dienst in der Kirche übernehmen oder einem Orden resp. einer Gemeinschaft beitreten wollen; Professionalisierung des Personalwesens.
Neun Monate später, am 27. Mai 2024, informierten die Auftraggeber der Studie über den aktuellen Stand der Aufarbeitung sexueller Missbräuche. Im Sinn einer Selbstverpflichtung haben sich alle Bistümer bereit erklärt, entgegen der Vorschrift von can. 489 § 2 CIC keine Akten zu vernichten, die im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen stehen oder den Umgang damit dokumentieren. Die Selbstverpflichtung der Ordensgemeinschaften steht noch aus. Des Weiteren soll ein nationales kirchliches Straf- und Disziplinargericht geschaffen werden. Unter der Leitung von Bischof Joseph Maria Bonnemain wird eine Arbeitsgruppe bis zum Herbst des laufenden Jahres einen Konzeptentwurf präsentieren. Anschliessend wird die Bischofskonferenz die erforderliche Genehmigung bei der Apostolischen Signatur in Rom beantragen.
Die in den Bistümern bestehenden Melde- und Interventionsstrukturen werden in diözesane Fallberatungsstellen übergeführt. Dabei wird mit einem «mehrjährigen Transformationsprozess» gerechnet. Meldestrukturen und Opferberatung sollen organisatorisch und personell klar getrennt werden; die kirchliche Opferberatung soll bei den staatlichen Opferberatungsstellen angedockt werden. Die Modalitäten sind noch mit der «Schweizerischen Opferhilfekonferenz» und der «Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren» auszuhandeln. Und zudem soll durch eine Assessment-Professionalisierung die Eignung für den pastoralen Dienst verbessert und die «Fehlerquote» markant gesenkt werden. Für 2025 sind für «bestimmte Gruppen auszubildender bzw. neu anzustellender Personen im kirchlichen Dienst» erste Assessments geplant.
Verschiedene staatskirchliche Körperschaften übten nach der Veröffentlichung der Pilotstudie Druck auf ihren jeweiligen Bischof auf. Das Kirchenparlament des Kantons Luzern preschte als erste vor und hiess im November 2023 nur den halben Bistumsbeitrag gut. Die andere Hälfte erhält Bischof Felix Gmür erst, wenn er die Forderungen des Kirchenparlaments erfüllt hat.
Angebliches «Katholisches Spezifikum» bricht in sich zusammen
Doch die Studie hatte sich nicht mit ungenauen, unbewiesenen Angaben und pauschalen Vermutungen begnügt, sondern ortete auch ein «katholisches Spezifikum» des Missbrauchs. Dieses sieht sie zunächst in der «Macht». Es bedürfe einer grundsätzlichen Perspektivenverschiebung «hin zu einer systematischen Betrachtung des Zusammenhangs zwischen sexuellen Missbräuchen und Machtverhältnissen». Daneben sieht sie das «katholische Spezifikum» in der katholischen Sexualmoral; dazu gehören auch der Zölibat, die Ablehnung der Homosexualität als Sünde, ja sogar das Sakrament der Beichte. Diese Themen müssten thematisiert und in einigen Aspekten angepasst werden, «da sie einen wichtigen Teil des Manipulationspotenzials innerhalb der kirchlichen Strukturen ausmachen».
Diese Aussagen waren für viele kirchliche Mitarbeiter und katholische Medien der willkommene Vorwand, um unter dem Deckmantel der Bekämpfung der angeblichen systemischen Ursachen der Missbräuche Reformen einzufordern. Die Litanei ist bekannt: Änderungen der «Machtstrukturen», Abschaffung des Zölibats, Gleichberechtigung von Frau und Mann (Stichwort: Priesterweihe der Frau). Daraus entstand auch die Bewegung «Reformen jetzt».
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Das Fazit lautet somit: Bei 50% Priesterinnen innerhalb der kath. Kirche, hätten wir gut 40% weniger Missbrauchsfälle.