Kamel vor der Krippe in der Pfarrkirche St. Josef in Unteriberg SZ. (Bild: Roland Graf/swiss-cath.ch)

Kommentar

Ein Plä­do­yer für das Kamel

Wäh­rend eini­gen Jah­ren spielte sich am Drei­kö­nigs­tag in der Sakris­tei eines Alters– und Pfle­ge­hei­mes in etwa die glei­che Szene ab. Bevor der Pfar­rer in die Sakris­tei ging, warf er in der Kapelle einen Blick auf die Krip­pen­szene mit dem Jesus­kind, Maria und Josef. Einige Hir­ten und Schafe und die Hei­li­gen Drei Könige waren da. Was fehlte? Das Kamel.

In der Sakristei lief dann der Dialog zwischen Pfarrer und Sakristanin in etwa so ab. Auf die Bemerkung «Bei der Krippe fehlt das Kamel», kam die obligate Antwort: «Es hat zu wenig Platz.» «Dann müssen die Hirten und die Schafe eben etwas enger zusammenstehen.» Nach einigem Hin und Her holte die Sakristanin widerwillig das Kamel aus dem Schrank und schob begleitet von einem leisen Murren die Schafe und Hirten beiseite, damit das grosse Kamel doch noch seinen Platz einnehmen konnte – sehr zur Freude des Pfarrers.

In der Pfarrkirche führt die Platznot sogar dazu, dass die Hirten am Dreikönigstag ganz verschwinden müssen und nur noch zwei Schafe in der Nähe des Stalles grasen, damit das Kamel behäbig vor der Krippe seinen Platz einnehmen kann.

Weshalb setzte sich der Pfarrer so nachdrücklich für die Präsenz des Kamels ein? Dafür sprechen etliche Gründe, denn der Ruf des Kamels ist bekanntlich nicht besonders gut, sonst würde man es nicht als Schimpfwort gebrauchen: «Der oder die ist ein Kamel», hört man gelegentlich oder einer unliebsamen Person wird gleich ins Gesicht geschmettert: «Du bist ein Kamel!»

Bei all dem geht vergessen, dass das Kamel etliche Vorzüge hat, welche den drei Königen auch zugutekamen: Kamele können über lange Wege grosse Lasten tragen. Die übliche Traglast beträgt 150 Kilo. Für kurze Distanzen können es sogar bis zu 450 Kilo sein.
Kamele können während zehn Tagen ohne Wasser auskommen, selbst wenn es heiss ist. Wenn sie dann die Gelegenheit bekommen, ihren Durst zu löschen, können grosse Kamele in drei Minuten bis zu 200 Liter Wasser zu sich nehmen.
Kamele sind viel besser als ihr Ruf, schlecht gelaunte und störrische Tiere zu sein. Im Gegenteil: Sie sind geduldig, gut gelaunt und – man höre und staune – intelligent.
Was liegt also näher, sich für dieses Tier einzusetzen und ihm auch einen Platz in der Nähe der Krippe zuzugestehen? Und noch etwas: Wenn wir uns wieder einmal nicht im Griff haben sollten und unsere Nächsten als Kamele bezeichnen, sollten wir daran denken, dass das arme Tier dafür wirklich gar nichts kann.


Roland Graf
swiss-cath.ch

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Dr. Roland Graf ist Pfarrer in Unteriberg und Studen (SZ). Er hat an der Universität Augsburg in Moraltheologie promoviert und war vor seinem Theologiestudium als Chemiker HTL tätig.


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    ser AD 07.01.2025 um 16:58
    Die Kamele kommen etymologisch oder semantisch vom Buchstaben gimel, arabisch jamal, was auch Kamel heisst und in der Form danach aussieht. Davon abgeleitet ist das griechische Gamma, aber nicht das dänische gammel für alt.

    Erst später wurde der harte Guttural C an die dritte Stelle im lateinischen Alphabet gerückt und das G von seinem ursprünglich dritten auf den siebten Platz degradiert. Ontologisch macht das aber keinen Unterschied.

    Von Bedeutung dürfte die Theologie der Kamele sein: Die Wasserhalter stehen für den Heiligen Geist, welchen die Könige oder Magier oder was sonst mit sich führen sollen. So wie der Heilige Geist Paraklet Beistand heisst, ist auch das Kamel als Wüstentier Beistand der Menschen - und spirituell gesehen der Diakon. Er hat keine operative Bedeutung als denn, das physische Leben zu garantieren.

    Das Kamel muss also an die Krippe kommen, weil in Jesus die drei göttlichen Personen zusammen sind; daneben Joseph für den VAter, Jesus für den Sohn und das Kamel scheinbar neben den Schuhen für den Heiligen Geist.

    Wie ER in Ewigkeit von Vater und Sohn hervorgeht (Konstantinopel 381), kommt er in der Zeit zu Vater und Sohn hinzu und konstituiert die Kirchengemeinschaft.
    • user
      Michael 07.01.2025 um 17:27
      Blinde Führer seid ihr, ihr siebt Mücken aus und verschluckt Kamele. (Mt 23,24)
      Ein guter Vorsatz für das Neue Jahr: Keine Kamele verschlucken.