Kathedrale St. Florin in Vaduz. (Bild: trolvag/panoramio)

Weltkirche

Ein Pro­vi­so­rium oder für die Ewigkeit?

Vor 25 Jah­ren, am 2. Dezem­ber 1997, errich­tete Papst Johan­nes Paul II. durch die Apos­to­li­sche Kon­sti­tu­tion «Ad satius con­su­len­dum» das Erz­bis­tum Vaduz. Ein Ent­scheid, über den nie­mand vor­her unter­rich­tet wor­den war.

Das Territorium des Erzbistums Vaduz umfasst das Staatsgebiet des Fürstentums Liechtenstein und hat seit dem 4./5. Jahrhundert seine historischen Wurzeln in der Geschichte des Bistums Chur. Der Gedanke eines eigenen Bistums Liechtenstein war nie ernsthaft diskutiert worden. Als es unter dem Churer Bischof Wolfang Haas zu immer grösseren Spannungen kam, führte der Sondergesandte des Vatikans, Erzbischof Karl-Josef Rauber, ab 1991 mit verschiedenen Personen Gespräche, so auch mit dem Landesfürsten Hans-Adam II., dem damaligen Regierungschef Mario Frick und Bischof Haas. Alle drei lehnten die Idee einer Bistumsgründung ab. Als Erzbischof Rauber nach anderen Lösungen suchte, wurde er als Nuntius für Ungarn nach Budapest versetzt. Albert Fischer vermutet in seinem Buch «Das Bistum Chur», dass die Versetzung einen direkten Zusammenhang mit der Bistumsfrage hatte.

Am 28. November 1997 übergab Nuntius Oriano Quilici (1997–1998) der Aussenministerin von Liechtenstein, Andrea Willi, ein an den Fürsten adressiertes Schreiben (dieser war landesabwesend). Quilici erklärte, dass Liechtenstein von Papst Johannes Paul II. zum Erzbistum erhoben und Bischof Wolfgang Haas zum ersten Erzbischof ernannten worden sei. Weder die Regierung noch die kirchlichen Mitarbeitenden oder Bischof Haas waren vorgängig über diesen Schritt informiert worden. Die Mitteilung über die Errichtung des Erzbistums erfolgte offiziell am 2. Dezember 1997.

In einer ausserordentlichen Dekanatsversammlung wurde eine Stellungnahme erarbeitet und mit 18 zu 6 Stimmen verabschiedet: Es bestehe kein Handlungsbedarf für ein eigenes Bistum, zudem würde die nötige Infrastruktur für ein Bistum fehlen und sprach von einem «überstürzten Entscheid ohne klares Konzept». Der Forderung nach einer Sistierung des Entscheids kam Rom nicht nach. Auch auf die Proteste der liechtensteinischen Regierung und auf eine von 8000 Menschen unterzeichnete Petition ging der Papst nicht ein.1

Die Frage nach der Zukunft
Erzbischof Haas bezeugte seinen guten Willen zu einer konstruktiven Zusammenarbeit, doch der Widerstand war und ist gross. Bereits am 2. Februar 1998 wurde der «Verein für eine offene Kirche» quasi als «Gegenkirche» gegründet. Ob der Grund für die Gründung der Erzdiözese in den Spannungen im Bistum Chur lag oder in «ihrem geografischen Erscheinungsbild ebenso wie in ihrer besonderen Geschichte und herausgehobenen Stellung auf ziviler, kultureller, gesellschaftlicher und religiöser Ebene» wie es in einer Mitteilung der zuständigen Apostolischen Nuntiatur heisst, kann nicht abschliessend beurteilt werden. Tatsache ist, dass viele das Erzbistum Liechtenstein mit Erzbischof Haas gleichsetzen. Somit überrascht es nicht, dass im Zusammenhang mit dem bevorstehenden 75. Geburtstag von Wolfgang Haas und dem damit verbundenen Rücktrittsgesuch die Frage nach dem Weiterbestand des Erzbistums gestellt wird. Es gibt Spekulationen, wonach das Gebiet des Erzbistums Liechtenstein entweder wieder Chur angegliedert werden soll oder auch an St. Gallen oder an eine deutsche Diözese.

Erzbischof Haas sah sich gezwungen, ein Hirtenwort zu veröffentlichen. Daraus ist ersichtlich, dass er sich der Spannungen wohl bewusst ist, diese aber an bestimmte Generationen gebunden sieht. «Für viele, vor allem für die jüngere Generation in unserem Land, der ich bei verschiedenen Gelegenheiten, vornehmlich bei Firmungen, begegnen durfte und darf, ist dies hingegen kein Thema.» Und in Bezug auf die Zukunft des Bistums schreibt er: «Bei realistischer Einschätzung weiss ich, dass unser Erzbistum als stabile, personunabhängige Teilkirche errichtet wurde und dass dies nicht in Frage gestellt ist.» Er ergänzt, dass es ausschliesslich Sache der höchsten Autorität, also des Papstes, sei, Teilkirchen zu errichten.
Mit dem sicherlich bewusst gesetzten Wort «personenunabhängige Teilkirche» gibt er seiner Meinung Ausdruck, dass das Erzbistum unabhängig von seiner Person betrachtet werden soll.

Wer die Berichterstattungen in den Medien verfolgt, erkennt schnell, dass es in der Diskussion letztendlich gar nicht um die Frage geht, ob ein Erzbistum Liechtenstein sinnvoll ist, sondern um die Spannung von konservativen und progressiven Strömungen in der Katholischen Kirche. Wäre Erzbischof Wolfgang Haas ein Verfechter des Frauenpriestertums und der Abschaffung des Zölibats, würde die Frage nach einem Weiterbestehen des Erzbistums vermutlich gar nicht gestellt.

Was bei all diesen Spekulationen um eine mögliche Wiedereingliederung ins Bistum Chur nicht vergessen werden darf: Sowohl das Bistum Chur wie auch das Erzbistum hatten in den letzten 25 Jahre seine je eigene Geschichte. Was unsanft getrennt wurde, kann nicht einfach wieder zusammengefügt werden.
 

Geschichte
Das Territorium des Erzbistums Vaduz umfasst das Staatsgebiet des Fürstentums Liechtenstein und hat seine historischen Wurzeln in der Geschichte des Bistums Chur, zu dem das Gebiet seit dessen Anfängen (4./5. Jh.) gehörte. Der Klerus gehörte von 1370 bis 1717 dem Kapitel (Dekanat) «unter der Landquart» an, danach bis 1816 dem Dekanat Walgau. Bei der Abtrennung der vorarlbergischen und tirolischen Bistumsgebiete blieb das Territorium des Fürstentums Liechtenstein beim Bistum Chur und wurde ohne eine nachweisbare formelle Urkunde zum Bischöflichen Landesvikariat erhoben. Am 31. Juli 1842 wurde die Kuratie Vaduz gegründet. 1850 erfolgte die Gründung des liechtensteinischen Priesterkapitels.
Als nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil das Bischöfliche Ordinariat in Chur die Dekanate neu gliedern wollte, lehnte das liechtensteinische Priesterkapitel 1970 die geplante Zusammenlegung mit Glarus ab. Es wurde als eigenes Dekanat zusammen mit den Dekanaten Glarus und Graubünden dem neu errichteten Generalvikariat «Graubünden, Liechtenstein und Glarus» zugeordnet.
Am 2. Dezember 1997, errichtete Papst Johannes Paul II. durch die Apostolische Konstitution «Ad satius consulendum» das Erzbistum Vaduz.

Das Erzbistum Vaduz erstreckt sich über eine Fläche von 160 km2 bei einer geografischen Länge von max. 24,56 km und einer Breite von max. 12,36 km. Der Höhenunterschied bewegt sich zwischen 430 und 2599 M. ü. M. Gemäss Volkszählung 2015 zählt das Fürstentum Liechtenstein 37 622 ständige Einwohnerinnen und Einwohner. Davon sind 27 599 (73,4 %) Katholikinnen und Katholiken.

 

1 Vgl. Albert Fischer, Das Bistum Chur, Band 2. Seine Geschichte bis zur Gegenwart, Konstanz 2019, 151–160.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

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Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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    Martin Meier-Schnüriger 10.12.2022 um 14:04
    Die damalige Gründung des Erzbistums Vaduz war ein rein kirchenpolitischer Entscheid, allen anderslautenden Begründungen zum Trotz. Das Erzbistum Vaduz nun wieder abzuschaffen, wäre ein spätes Eingeständnis dieses Umstandes. Personelle Fragen mittels Gründung und Abschaffung von Diözesen lösen zu wollen, kann ja wohl nicht der Regelfall sein.
  • user
    Don Michael Gurtner 02.12.2022 um 21:05
    Der Schaden (die Abtrennung des Erzbistums) ist nun einmal angerichtet, da soll man keinen zweiten Schaden (die Wiederangliederung) hinzufügen.
    In 250 Jahren würde es vielleicht einmal Sinn machen, aber vorerst nicht.
    Denn es wäre eine erneute Demütigung des hervorragenden Erzbischofs von Liechtenstein, die er nicht verdient hat.
    Zwar weiß jeder weshalb man das Gebiet damals abgetrennt hat, aber man muß es nicht durch eine Bistumsauflösung nochmals eigens betonen und sozusagen wiederholen um aller Welt nochmals zu sagen.

    Ich bin der festen Überzeugung, und habe es oft und oft selbst feststellen können, daß bis heute daß segensreiche Wirken von Exzellenz Haas seine goldenen Spuren im Bistum Chur hinterlassen hat.
    Anstatt wie tollwütig ständig wie besessen, auch noch nach einem viertel Jahrhundert, auf den Erzbischof medial und verbal auf ihn einzuschlagen, würde es sich anschicken, ihm endlich einmal für seine großartigen Verdienste zu danken und sie anerkennend zu würdigen.
    Heute werden die guten Früchte eingefahren -sofern sie nicht vorzeitig vernichtet wurden!-, die er vor 30 Jahren ausgesät hat, und für die er oft nur Spott, Haß und Verachtung erntete.
    Das Bistum Chur und auch Vaduz können stolz sein auf viele gute, von Exzellenz Haas geweihte Priester, die es anderswo nicht mehr gibt - und die man leider oft nur als "Hypothek" sieht.
    Würde Liechtenstein wieder an Chur fallen (alles andere wäre noch sinnloser), so würde Chur zumindest nochmals eine gute Dosis frommer, gläubiger Priester bekommen.
    Ob dies allerdings zur Freude aller wäre steht auf einem anderen Blatt verzeichnet...
    Persönlich jedenfalls bin ich Exzellenz überaus dankbar für seine verdienstvolle Arbeit und die Glaubenstreue, sehe seine gute Aussaat und kann nur sagen: mir ist er gewiß zu einem Vorbild geworden, dem es nachzustreben gilt.
    Wenn manche ihn dafür kritisieren oder bisweilen sogar feindselig regelrecht hassen, so ziehe ich auch daraus meine Schlüsse....