Kardinal John McCloskey. (Bild :Popular Graphic Arts, Public domain via Wikimedia Commons)

Weltkirche

Ein US-​Amerikaner als nächs­ter Papst?

Das Kar­di­nals­kol­le­gium spie­gelt die Welt­kir­che wider. Die aktu­ell 252 Kar­di­näle stam­men von allen Kon­ti­nen­ten, wobei Europa mit 114 Kar­di­nä­len nach wie vor an der Spitze steht. Doch der Pro­zess der Inter­na­tio­na­li­sie­rung ist nicht neue­ren Datums: Bereits vor 150 Jah­ren wurde mit John McClos­key der erste Nicht­eu­ro­päer zum Kar­di­nal erhoben.

Im Dezember hat Papst Franziskus 21 neue Kardinäle aus allen Erdteilen ernannt. Viele von ihnen werden seinen Nachfolger wählen – wer weiss, aus welcher Weltregion dieser kommen wird? Denn die aktuell 137 Papstwähler kommen heute aus allen Kontinenten; sie tragen alle Hautfarben, leiten winzige oder riesige Ortskirchen.

Solche Fragen stellten sich vor 150 Jahren noch nicht. Damals waren die Verhältnisse homogen: Die Kardinäle waren wenige und kamen allesamt aus Europa, die meisten aus Italien. Und sie wählten mit schöner Regelmässigkeit einen Italiener zum Papst. Am 15. März 1875 jedoch geschah etwas Unerwartetes. Nicht nur, dass der fast 83-jährige Pius IX. (1846–1878) noch einmal elf neue Kardinäle ernannte – sondern dass unter ihnen zum ersten Mal auch ein Nichteuropäer war: der Erzbischof von New York, John McCloskey.

Blick über Italien hinaus
Hungersnöte, Kriege und andere Krisen in Europa führten dazu, dass Millionen Menschen im 18. und 19. Jahrhundert ihr Glück in Amerika suchten. Und viele, darunter katholische Iren, später Italiener und Polen, brachten ihre Religion mit. Die kirchlichen Strukturen wuchsen und verfestigten sich rasch. Als die USA nach dem Sezessionskrieg (1861–1865) mehr und mehr zu einer industrialisierten Wirtschaftsmacht aufstiegen, wurden die Rufe nach einem amerikanischen Kardinal laut.

Zur gleichen Zeit verlor der Papst in Rom durch die italienische Einigungsbewegung und Eroberung der Stadt seine politische Macht. Nach dem Untergang des Kirchenstaates 1870 trat Pius IX. stattdessen stärker als weltumspannendes Kirchenoberhaupt in Erscheinung. Sein Blick richtete sich auf die vergleichsweise jungen Ortskirchen in Afrika, Asien, Lateinamerika und eben auch in den USA. Es wird vermutet, dass der Kardinalshut für John McCloskey auch ein Dankeschön des Papstes war, da der New Yorker Erzbischof beim Ersten Vatikanischen Konzil 1870 die Dogmatisierung der päpstlichen Unfehlbarkeit unterstützt hatte.

Ein Unfall als Wendepunkt
McCloskeys Familie war Anfang des 19. Jahrhunderts aus Irland in die USA emigriert. John kam am 10. März 1810 in Brooklyn (New York) auf die Welt. Mit 16 Jahren verliess er das Seminar, um seiner Mutter auf der Farm zu helfen (der Vater war früh verstorben). Im Frühjahr 1827 versuchte er, ein Ochsengespann mit einer schweren Ladung Baumstämme zu ziehen, als der Wagen umkippte und er mehrere Stunden lang unter den Stämmen verschüttet liegen blieb. Er überlebte, doch litt er sein Leben lang unter den Folgen dieses Unfalls. Während seiner Rekonvaleszenz entschied sich John McCloskey für eine Berufung zum Priester und kehrte im September 1827 zur Ausbildung ins Priesterseminar Mount St. Mary's zurück. Später studierte er an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. John McCloskey empfing 1834 die Priesterweihe, setzte zunächst seine Studien in Rom fort und war dann in der Pastoral in New York tätig. Bereit an seinem 34. Geburtstag wurde er Koadjutorbischof von New York. 1847 wurde John McCloskey Bischof der neugegründeten Diözese Albany und 1864 Erzbischof von New York mit seinen damals schon 1,2 Millionen Katholikinnen und Katholiken.

Erzbischof McClosky liess neue Seminare, Kirchen (unter anderem die erste Kirche für dunkelhäutige Katholikinnen und Katholiken) und Schulen errichten und gründete zahlreiche Kinderhilfsorganisationen in New York und Umgebung. Er war ein beliebter und hoch angesehener Erzbischof.

Am 15. März 1875 wurde John McCloskey von Papst Pius IX. als erster US-Amerikaner und erster Nicht-Europäer zum Kardinal erhoben. Er wies ihm als Kardinalpriester die Titelkirche «Santa Maria sopra Minerva» zu.
 


Nach dem Tod seines Förderers Pius IX. eilte Kardinal McCloskey nach Rom, um an der Wahl des Nachfolgers teilzunehmen. Doch 1878 war es technisch noch unmöglich, die 7000 Kilometer von New York in knapp zwei Wochen zu schaffen. So traf der erste Kardinal aus Übersee erst ein, als seine Amtsbrüder schon Leo XIII. gewählt hatten.

Nachdem sich sein Gesundheitszustand 1885 dramatisch verschlechtert hatte und er ins Krankenhaus eingeliefert werden musste, starb Kardinal John McCloskey schliesslich am 10. Oktober 1885 im Alter von 75 Jahren. Bei der Totenmesse würdigte ihn der Erzbischof von Baltimore, James Gibbons, als «gütigen Vater, treuen Freund, wachsamen Hirten, furchtlosen Führer – und vor allem unparteiischen Richter». James Gibbons wurde wenige Monate später der zweite US-Kardinal der Geschichte – und die Kette wurde seither kaum unterbrochen – von wenigen Jahren im Zweiten Weltkrieg abgesehen.

In den USA werden Stimmen laut, die einen US-Kardinal als neuen Papst vorschlagen, ganz nach dem Motto «Make church great again». Müssig zu fragen, an welchen Kardinal sie dabei gedacht haben.


KNA/Redaktion


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  • user
    Anonymus (wieder mal) 09.03.2025 um 15:09
    Auch wenn der Schwärzeste der Schwarzen gewählt werden sollte (und hier sind jetzt weder zwingend „afrikanischstämmige“ noch „dunkelhäutige“ gemeint), muss besser schon vorher klargestellt werden:
    Was der Vatikan heutzutage lehrt, verträgt keine Kirche.