Für viele katholische Schweizer ist es eine Ehre, im Korps der Päpstlichen Schweizergarde zu dienen. Doch dieser Dienst ist auch anspruchsvoll und fordert viel von den jungen Männern. Swiss-cath.ch sprach mit dem Gardekaplan P. Kolumban Reichlin OSB und dem Leiter der Medienstelle und des Verbindungsbüro der Garde in der Schweiz, Stefan Wyer, über die Aufgaben und das Leben der Gardisten.
Wie haben die Gardisten den Tod und die Bestattung von Papst Benedikt XVI. erlebt?
Stefan Wyer: Auch in der Schweizergarde herrschte Trauer. Viele Gardisten hatten beim im Petersdom aufgebahrten Leichnam die Totenwache gehalten. Das bedeutete zwar zusätzlichen Aufwand, war aber für sie absolute Ehrensache. Nachdem Papst Franziskus in der Generalaudienz mitgeteilt hatte, dass sich der Gesundheitszustand des emeritierten Papstes verschlechtert, wurde seiner Einladung folgend auch bei der Garde für Benedikt XVI. gebetet und im Sinne eines stillen Gedenkens Opferkerzen für ihn angezündet. In Gesprächen mit den Gardisten war Benedikt XVI. in jenen Tagen oft ein Thema.
P. Kolumban Reichlin: Die Gardisten zeigten sich interessiert und absolut verfügbar und dienstbereit im Hinblick auf den Tod und die Verabschiedung von Benedikt XVI. Sie waren stolz darauf, diesen historischen Moment miterleben und dem emeritierten Papst mit der Totenwache und beim Beerdigungsgottesdienst einen letzten Ehrendienst erweisen zu dürfen.
Wie haben Sie selbst Tod und die Bestattung von Papst Benedikt XVI. erlebt?
P. Kolumban Reichlin: Über den Tagen des Heimgangs und Abschiednehmens von Benedikt XVI. lag allen damit verbundenen Vorbereitungen und den grossen Menschenmassen zum Trotz eine grosse Ruhe und ein tiefer Frieden. Es war erbauend zu erleben, wie dieser Verabschiedung unzählige Menschen in Dankbarkeit zusammengeführt hat.
Für die Gardisten bedeutete dies ein grosser Aufwand. Wie gingen sie mit der enormen Zusatzbelastungen um?
Stefan Wyer: Diese Tage waren für die Garde insofern «courant normal», als der Dienst wie gewohnt weiterging. Der Heilige Stuhl ist ja nicht vakant. Gleichzeitig herrschte ein gewisser Ausnahmezustand, da die Gardisten zusätzliche Dienste leisteten, etwa mit der Totenwache oder auch beim Requiem am 5. Januar auf dem Petersplatz. Für die Schweizergarde bedeutet ein solcher Ansturm erhöhte Aufmerksamkeit in Bezug auf die Sicherheit des Heiligen Vaters, Papst Franziskus, und zusätzlichen Ehrendienst. Darauf ist die Garde jedoch gut vorbereitet. Der Sicherheitsauftrag ist derselbe wie bisher, daran ändert sich nichts. Die Sicherheitsdispositive und die Einsatzpläne sind auf den Besucheransturm und auch die Präsenz hoher Persönlichkeiten aus der ganzen Welt ausgerichtet.
Die Gardisten haben prinzipiell ein grosses Pensum zu absolvieren. Wie können Sie als Gardekaplan sie dabei unterstützen?
P. Kolumban Reichlin: Durch ein offenes Ohr und durch kleine Zeichen der Dankbarkeit und der Wertschätzung, weil die Dienstbereitschaft und Verfügbarkeit dieser jungen Menschen 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche und 365 Tage im Jahr nicht selbstverständlich sind; das kann ein verbales Dankeschön, eine Süssigkeit für sie beim Postenbesuch, ein Bier auf der Terrasse des Kaplans oder auch mal ein Gelato oder ein Abendessen sein.
Erleben Sie, dass sich der Glaube der Gardisten während ihres Diensts in der Garde ändert?
P. Kolumban Reichlin: Jeder Gardist geht anders nach Hause, als wie er gekommen ist. Dieser Wandel betrifft ihre gesamte Persönlichkeit, ihr Lebens- und ihr Glaubensbewusstsein. Aber natürlich ist dieses Wachsen und Reifen im Leben und im Glauben individuell unterschiedlich ausgeprägt und geschieht letztlich bei uns allen in kleinen Schritten.
Inwiefern kann der Dienst in der Garde positiv zur Persönlichkeitsentwicklung beitragen?
P. Kolumban Reichlin: Der Dienst und das Leben in der Päpstlichen Schweizergarde sind in vielerlei Hinsicht eine Lebensschule. Die Gardisten werden in der Kaserne mit dem Leben in einer Grossfamilie konfrontiert, das ihnen die Erfahrung von Vertrautheit und seelischer Beheimatung ermöglicht, von ihnen aber auch persönliche Rücksichtnahme und Verzicht einfordert. Sie werden physisch und geistig gefordert, etwa durch die sprachliche und dienstliche Aus- und Weiterbildung. Sie lernen und leben Disziplin und Diskretion. Sie werden in Verhaltensregeln und Menschenkenntnis ausgebildet und darin geschult, wie man in schwierigen Situationen positiv und deeskalierend reagieren kann. Sie erleben vielfältige und mitunter auch herausfordernde Begegnungen und Beziehungen mit Vorgesetzten, mit den übrigen Mitgliedern des Korps, mit Vatikanmitarbeitenden, dem Heiligen Vater wie auch mit den zahlreichen Gästen, Pilgern und Touristen. Sie haben im Wachtdienst viel Zeit, sich den Fragen und Themen des Lebens und Glaubens zu stellen und sich selber sowie ihren persönlichen Weg in die Zukunft zu reflektieren. Und sie erleben an diesem Gnadenort die Gegenwart und Wirkkraft des Geistes Gottes auf mannigfaltige Weise. Wer in der Garde 26 Monate oder länger Dienst leistet, erlebt in dieser Zeit intensives, dichtes Leben, was unweigerlich die eigene Persönlichkeit prägt, und ihre Entwicklung fördert.
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