Ausgangslage des Treffens war die herausfordernde Zukunftsperspektive des Bistums Chur: In rund zehn Jahren werden gemäss Medienmitteilung etwa 40 Prozent der in der «Seelsorge Wirkenden» das Pensionsalter erreichen. «Aufgrund dieser Situation wurde vor einem Jahr ein Prozess einer gemeinsam, synodal getragenen Pastoral- und Personalentwicklung eingeleitet.»
Was vor einem Jahr geschehen ist, wird leider nicht mitgeteilt. Es gibt zur «Pastoral- und Personalentwicklung» einzig eine Medienmitteilung vom 8. Februar 2024. Die dazugehörige Webseite kirchenentwicklung-chur.ch wird offensichtlich nicht aktualisiert, wird dort doch noch auf Veranstaltungen hingewiesen, die bereits vorbei sind (und weiterhin nur für kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kanton Zürich).
Zum Glück haben sich jetzt die «beiden Führungsgremien des dualen Systems» des Problems angenommen und die Ergebnisse der «ersten, umfassenden Mitarbeiterbefragung im Bistum Chur analysiert und reflektiert». Wer, wann, über was befragt wurde, wird allerdings nicht mitgeteilt. Aber die Medienmitteilung lässt die interessierten Leserinnen und Leser wissen: «Im Vergleich zum säkularen Arbeitsmarkt sind Mitarbeiter in der Kirche hoch motiviert, sich weiterzubilden und würden ihre Pensen auch erhöhen. Ausserdem ist die Kirche weiterhin ein sehr attraktiver Arbeitsplatz für Frauen. So steht es Schwarz auf Weiss.» Nun ja, dies steht vermutlich wirklich irgendwo «Schwarz auf Weiss», nur sind diese Dokumente den Normalsterblichen unter den Gläubigen nicht zugänglich.
Wir verwirklichen eine offene und transparente Kommunikationskultur.
(Punkt 1.4 der «Handreichung für eine synodale Kirche» des Bistums Chur)
Wer hat Entscheidungskompetenz?
«Mit diesen Erkenntnissen kann man arbeiten und die Weichen für die Kirche von Morgen stellen», so die Medienmitteilung weiter. Der Prozess der Pastoral- und Personalentwicklung stehe nun vor Grundsatzentscheidungen, die gemeinsam gefällt und getragen werden. «Kirche 2.0 nimmt Gestalt an», so das Fazit von Thomas Bergamin, Präsident der «Biberbrugger Konferenz».
Es ist zu vermuten, dass diese Grundsatzentscheidungen vom Bischofsrat und der «Biberbrugger Konferenz» «gemeinsam gefällt und getragen» werden sollen. Doch der Bischofsrat hat bekanntlich nur eine beratende Funktion: «Wo der Bischof es für angebracht hält, kann er zur besseren Förderung der pastoralen Tätigkeiten einen Bischofsrat einsetzen, der aus den Generalvikaren und den Bischofsvikaren besteht» (CIC can. 474 § 4). Im Bistum Chur haben daneben auch der Offizial, die Kanzlerin, die beiden Co-LeiterInnen der «Stabsstelle Personal», die Vertreterin des Diözesanen Pastoralentwicklungsteams sowie die Kommunikationsverantwortliche Einsitz.
Die «Biberbrugger Konferenz» ist der Zusammenschluss aller Kantonalkirchen im Bistum Chur. Und hier haben wir bereits das erste Problem: Die Kantonalkirchen sind keine Kirchen. Das «Vademecum» der Schweizer Bischofskonferenz hält in 2.2 fest: «Im Bezug auf die Terminologie muss als Grundsatz gelten, dass staatskirchenrechtliche Körperschaften oder Einrichtungen nicht mit Begriffen bezeichnet werden, die in der Theologie oder im kirchlichen Recht bereits in anderem Sinne verwendet werden. Das grundlegende Beispiel dafür ist die Verwendung des Wortes ‹Kirche› und seiner Ableitungen, die nur für Institutionen der Kirche zutreffen und daher für solche auf Seiten der Körperschaften durchgehend vermieden werden sollen.»
Dies, weil diese «vom Staat geschaffene und nach seinen demokratischen Grundsätzen strukturierte Körperschaften» sind. «Zwar enthalten staatliche und staatskirchenrechtliche Rechtstexte in aller Regel Klauseln, welche die staatskirchenrechtlichen Organisationen darauf verpflichten, sich in den Dienst der katholischen Kirche zu stellen. Diese Organisationen werden dadurch aber nicht zu kirchlichen Rechtspersonen […] Die in staatskirchenrechtlichen Organisationen tätigen Gläubigen handeln dabei nicht im Namen der Kirche, sondern im eigenen Namen auf der Basis staatlichen Rechts.»
Damit ist klar, dass die Mitglieder der «Biberbrugger Konferenz» zwar mitberaten, aber nicht mitentscheiden dürfen. Das gilt auch für den Bischofsrat. Die Verantwortung liegt allein bei Bischof Joseph Maria Bonnemain. «Bei der Ausübung ihres apostolischen Amtes, das auf das Heil der Seelen ausgerichtet ist, erfreuen sich die Bischöfe der damit gegebenen vollen und uneingeschränkten Freiheit und Unabhängigkeit von jeglicher weltlichen Macht», heisst es im Konzilsdekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe (Christus Dominus 19).
Das Geheimnis um die «Kirche 2.0»
Weit schwerwiegender ist, worüber die Medienmitteilung schweigt: Was ist unter «Kirche 2.0» zu verstehen? Da diese Aussage von Thomas Bergamin explizit erwähnt wird, lässt darauf schliessen, dass diese «Kirche 2.0» ein Thema war.
Die Überalterung der Priester und weiterer kirchlicher Mitarbeiter ist eine Realität. Die entscheidende Frage ist, wie mit dieser Situation umgegangen wird. Die aktuelle Personalpolitik im Bistum Chur lässt Schlimmes ahnen: Ein Pfarrer wurde aufgefordert, die Stelle zu wechseln, obwohl weder er noch der Kirchgemeinderat dies wollten. Ein junger Priester muss für drei Jahre als «Fidei Donum»-Priester nach Afrika. Die Pfarrstelle für eine der grössten Pfarreien im Kanton Graubünden wurde weder ausgeschrieben noch gab es eine Pfarrwahlkommission; die Anstellung erfolgte hinter dem Rücken der Gläubigen. In einer Pfarrei im Kanton Zürich gab es zwar eine Pfarrwahlkommission, dieser wurde jedoch mitgeteilt, dass ihre Arbeit nicht notwendig sei, da das Bistum bereits entschieden hätte, wer Pfarrer wird. Die Liste liesse sich noch fortführen. Es zeigt sich, dass das Kirchenvolk nichts zu sagen hat und das Bistum aufgrund intransparenter Kriterien über Priester verfügt – man stelle sich vor, das Bistum würde einen Laientheologen zwingen, die Stelle zu wechseln!
Wir beteiligen Betroffene an Entscheidungen und machen die Beschlüsse verständlich. Gerade bei personellen Entscheidungen wie Besetzungen von Leitungspositionen achten wir gemäss den Rahmenbedingungen auf eine Verbindlichkeit der Partizipation und die Transparenz der Entscheidungswege.
(Punkt 1.6 der «Handreichung für eine synodale Kirche» des Bistums Chur)
Es ist zu befürchten, dass in einer «Kirche 2.0» unter dem Deckmäntelchen eines angeblichen Priestermangels Laien die Pfarreileitung übergeben und die Sakramentenspendung (Taufe, Ehe, Krankensalbung) erlaubt wird. Priester werden zu Dienstboten degradiert, die man zu besonderen Gelegenheiten für die Feier einer Eucharistiefeier holt – bei der sie gleich Hostien für mehrere Wochen konsekrieren sollen, um sie dann bei «Kommunionfeiern» verwenden zu können.
Dieses Szenario ist nicht aus der Luft gegriffen. Bei Bischof Bonnemain muss man leider damit rechnen. Er ist ja der Meinung, dass Gott «kein Herrscher und kein Richter» ist. Gott «ist nicht ein Befehlshaber, sondern der, der bereit ist, den Menschen zu gehorchen. Ich wage sogar zu sagen, er lässt sich von uns Menschen befehlen und bestimmen.»[1] Mit dem Begriff «uns Menschen» dürfte er vor allem sich selbst gemeint haben.
Vielleicht lässt sich Gott ja von Bischof Bonnemain resp. vom Bischofsrat und der «Biberbrugger Konferenz» vorschreiben, wie seine Kirche auszusehen hat? Im synodalen Bistum Chur scheint alles möglich – besonders mit der Unterstützung durch die «Biberbrugger Konferenz».
[1] Homilie an der Diakonenweihe vom 24. Oktober 2023.
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
https://www.bistum-chur.ch/allgemein/predigt-bischofs-bonnemains-zur-diakonweihe/