Bild zur Tagung «Eine zeitgemässe Kirchenentwicklung, Vison und Mission von Kirche vor Ort» des Bistums Chur. (Bild: Shutterstock)

Kirche Schweiz

Eine Kir­che 2.0 für das Bis­tum Chur

«Kir­che 2.0 nimmt Gestalt an», so das Fazit von Tho­mas Berg­a­min, Prä­si­dent der «Biber­brug­ger Kon­fe­renz», bei der tra­di­tio­nel­len «Dua­len Herbs­t­re­flek­tion». Anschei­nend ist dem Bis­tum Chur und der «Biber­brug­ger Kon­fe­renz» die Kir­che Jesu Christi nicht mehr gut genug.

Ausgangslage des Treffens war die herausfordernde Zukunftsperspektive des Bistums Chur: In rund zehn Jahren werden gemäss Medienmitteilung etwa 40 Prozent der in der «Seelsorge Wirkenden» das Pensionsalter erreichen. «Aufgrund dieser Situation wurde vor einem Jahr ein Prozess einer gemeinsam, synodal getragenen Pastoral- und Personalentwicklung eingeleitet.»
Was vor einem Jahr geschehen ist, wird leider nicht mitgeteilt. Es gibt zur «Pastoral- und Personalentwicklung» einzig eine Medienmitteilung vom 8. Februar 2024. Die dazugehörige Webseite kirchenentwicklung-chur.ch wird offensichtlich nicht aktualisiert, wird dort doch noch auf Veranstaltungen hingewiesen, die bereits vorbei sind (und weiterhin nur für kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kanton Zürich).

Zum Glück haben sich jetzt die «beiden Führungsgremien des dualen Systems» des Problems angenommen und die Ergebnisse der «ersten, umfassenden Mitarbeiterbefragung im Bistum Chur analysiert und reflektiert». Wer, wann, über was befragt wurde, wird allerdings nicht mitgeteilt. Aber die Medienmitteilung lässt die interessierten Leserinnen und Leser wissen: «Im Vergleich zum säkularen Arbeitsmarkt sind Mitarbeiter in der Kirche hoch motiviert, sich weiterzubilden und würden ihre Pensen auch erhöhen. Ausserdem ist die Kirche weiterhin ein sehr attraktiver Arbeitsplatz für Frauen. So steht es Schwarz auf Weiss.» Nun ja, dies steht vermutlich wirklich irgendwo «Schwarz auf Weiss», nur sind diese Dokumente den Normalsterblichen unter den Gläubigen nicht zugänglich.

Wir verwirklichen eine offene und transparente Kommunikationskultur.
(Punkt 1.4 der «Handreichung für eine synodale Kirche» des Bistums Chur)

Wer hat Entscheidungskompetenz?
«Mit diesen Erkenntnissen kann man arbeiten und die Weichen für die Kirche von Morgen stellen», so die Medienmitteilung weiter. Der Prozess der Pastoral- und Personalentwicklung stehe nun vor Grundsatzentscheidungen, die gemeinsam gefällt und getragen werden. «Kirche 2.0 nimmt Gestalt an», so das Fazit von Thomas Bergamin, Präsident der «Biberbrugger Konferenz».

Es ist zu vermuten, dass diese Grundsatzentscheidungen vom Bischofsrat und der «Biberbrugger Konferenz» «gemeinsam gefällt und getragen» werden sollen. Doch der Bischofsrat hat bekanntlich nur eine beratende Funktion: «Wo der Bischof es für angebracht hält, kann er zur besseren Förderung der pastoralen Tätigkeiten einen Bischofsrat einsetzen, der aus den Generalvikaren und den Bischofsvikaren besteht» (CIC can. 474 § 4). Im Bistum Chur haben daneben auch der Offizial, die Kanzlerin, die beiden Co-LeiterInnen der «Stabsstelle Personal», die Vertreterin des Diözesanen Pastoralentwicklungsteams sowie die Kommunikationsverantwortliche Einsitz.

Die «Biberbrugger Konferenz» ist der Zusammenschluss aller Kantonalkirchen im Bistum Chur. Und hier haben wir bereits das erste Problem: Die Kantonalkirchen sind keine Kirchen. Das «Vademecum» der Schweizer Bischofskonferenz hält in 2.2 fest: «Im Bezug auf die Terminologie muss als Grundsatz gelten, dass staatskirchenrechtliche Körperschaften oder Einrichtungen nicht mit Begriffen bezeichnet werden, die in der Theologie oder im kirchlichen Recht bereits in anderem Sinne verwendet werden. Das grundlegende Beispiel dafür ist die Verwendung des Wortes ‹Kirche› und seiner Ableitungen, die nur für Institutionen der Kirche zutreffen und daher für solche auf Seiten der Körperschaften durchgehend vermieden werden sollen.»

Dies, weil diese «vom Staat geschaffene und nach seinen demokratischen Grundsätzen strukturierte Körperschaften» sind. «Zwar enthalten staatliche und staatskirchenrechtliche Rechtstexte in aller Regel Klauseln, welche die staatskirchenrechtlichen Organisationen darauf verpflichten, sich in den Dienst der katholischen Kirche zu stellen. Diese Organisationen werden dadurch aber nicht zu kirchlichen Rechtspersonen […] Die in staatskirchenrechtlichen Organisationen tätigen Gläubigen handeln dabei nicht im Namen der Kirche, sondern im eigenen Namen auf der Basis staatlichen Rechts.»

Damit ist klar, dass die Mitglieder der «Biberbrugger Konferenz» zwar mitberaten, aber nicht mitentscheiden dürfen. Das gilt auch für den Bischofsrat. Die Verantwortung liegt allein bei Bischof Joseph Maria Bonnemain. «Bei der Ausübung ihres apostolischen Amtes, das auf das Heil der Seelen ausgerichtet ist, erfreuen sich die Bischöfe der damit gegebenen vollen und uneingeschränkten Freiheit und Unabhängigkeit von jeglicher weltlichen Macht», heisst es im Konzilsdekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe (Christus Dominus 19).

Das Geheimnis um die «Kirche 2.0»
Weit schwerwiegender ist, worüber die Medienmitteilung schweigt: Was ist unter «Kirche 2.0» zu verstehen? Da diese Aussage von Thomas Bergamin explizit erwähnt wird, lässt darauf schliessen, dass diese «Kirche 2.0» ein Thema war.

Die Überalterung der Priester und weiterer kirchlicher Mitarbeiter ist eine Realität. Die entscheidende Frage ist, wie mit dieser Situation umgegangen wird. Die aktuelle Personalpolitik im Bistum Chur lässt Schlimmes ahnen: Ein Pfarrer wurde aufgefordert, die Stelle zu wechseln, obwohl weder er noch der Kirchgemeinderat dies wollten. Ein junger Priester muss für drei Jahre als «Fidei Donum»-Priester nach Afrika. Die Pfarrstelle für eine der grössten Pfarreien im Kanton Graubünden wurde weder ausgeschrieben noch gab es eine Pfarrwahlkommission; die Anstellung erfolgte hinter dem Rücken der Gläubigen. In einer Pfarrei im Kanton Zürich gab es zwar eine Pfarrwahlkommission, dieser wurde jedoch mitgeteilt, dass ihre Arbeit nicht notwendig sei, da das Bistum bereits entschieden hätte, wer Pfarrer wird. Die Liste liesse sich noch fortführen. Es zeigt sich, dass das Kirchenvolk nichts zu sagen hat und das Bistum aufgrund intransparenter Kriterien über Priester verfügt – man stelle sich vor, das Bistum würde einen Laientheologen zwingen, die Stelle zu wechseln!

Wir beteiligen Betroffene an Entscheidungen und machen die Beschlüsse verständlich. Gerade bei personellen Entscheidungen wie Besetzungen von Leitungspositionen achten wir gemäss den Rahmenbedingungen auf eine Verbindlichkeit der Partizipation und die Transparenz der Entscheidungswege.
(Punkt 1.6 der «Handreichung für eine synodale Kirche» des Bistums Chur)

Es ist zu befürchten, dass in einer «Kirche 2.0» unter dem Deckmäntelchen eines angeblichen Priestermangels Laien die Pfarreileitung übergeben und die Sakramentenspendung (Taufe, Ehe, Krankensalbung) erlaubt wird. Priester werden zu Dienstboten degradiert, die man zu besonderen Gelegenheiten für die Feier einer Eucharistiefeier holt – bei der sie gleich Hostien für mehrere Wochen konsekrieren sollen, um sie dann bei «Kommunionfeiern» verwenden zu können.

Dieses Szenario ist nicht aus der Luft gegriffen. Bei Bischof Bonnemain muss man leider damit rechnen. Er ist ja der Meinung, dass Gott «kein Herrscher und kein Richter» ist. Gott «ist nicht ein Befehlshaber, sondern der, der bereit ist, den Menschen zu gehorchen. Ich wage sogar zu sagen, er lässt sich von uns Menschen befehlen und bestimmen.»[1] Mit dem Begriff «uns Menschen» dürfte er vor allem sich selbst gemeint haben.

Vielleicht lässt sich Gott ja von Bischof Bonnemain resp. vom Bischofsrat und der «Biberbrugger Konferenz» vorschreiben, wie seine Kirche auszusehen hat? Im synodalen Bistum Chur scheint alles möglich – besonders mit der Unterstützung durch die «Biberbrugger Konferenz».

 


[1] Homilie an der Diakonenweihe vom 24. Oktober 2023.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

E-Mail

Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin.


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    Schwyzerin 15.11.2024 um 18:07
    Die Urteile der weltlichen Richter sind für diese falsche Titelbezeichnung der KANTONALKIRCHE. Der Bischof ist aber für die Kirche zuständig und nicht die weltlichen Richter. Um Klarheit zu schaffen sind diese Titel solcher Körperschaften vom Bischof abzuerkennen. Wir können nur beten und hoffen, dass der Bischof seine Verantwortung gegenüber der Kirche in diesem Sinne wahrnimmt.
  • user
    Martin Meier-Schnüriger 15.11.2024 um 13:09
    Besten Dank für den spannenden Artikel! Besonders gefreut hat mich, dass endlich wieder einmal jemand das "Vademecum" erwähnt, das, würde es in die Tat umgesetzt, ein erspriessliches Miteinander von Kirche und staatskirchlichen Körperschaften garantieren würde. Leider scheinen jedoch unsere Bischöfe Angst vor ihrem eigenen Mut bekommen zu haben, den sie bei der Ausarbeitung des "Vademecums" ausnahmsweise gezeigt hatten, und haben ihr eigenes Werk stillschweigend begraben. Und heute, im Zeitalter des Synodalismus, ist das "Vademecum" ohnehin aus Rang und Traktanden gefallen. Schade!
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    Michael 15.11.2024 um 06:00
    Die zitierte Bemerkung des hochwürdigsten Herrn Bischofs ist tatsächlich spannend. Gott, sagt also der Bischof, sei nicht ein Befehlshaber, sondern Einer, Der bereit ist, den Menschen zu gehorchen. Hat Gott nicht sogar den Aussagen der Alten Schlange Folge geleistet? "Keineswegs werdet ihr sterben" - und siehe, da sind Seelen, die ewig leben. Hat Gott nicht sogar dem Tod Zeit gegeben, sich zu entfalten bis zum Jüngsten Tag? Aber "Gott hat den Tod nicht gemacht" (Weish 1,13) "Und doch hat die Weisheit durch ihre Früchte Recht bekommen" (Mt 11,19)
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    Schwyzerin 14.11.2024 um 14:35
    Katholiken können aus der Kirchgemeinde austreten und gleichzeitig katholisch bleiben. Ein Austritt aus der Kirchgemeinde reicht beiweitem nicht aus, um das Schiff Petri wieder auf Kurs zu bringen. Was wir brauchen ist ein heiligmässiger Bischof im Bistum Chur, der das Evangelium Jesus Christus verkündet und es nicht vedreht und irreführt, wie in der Homilie vom 24. Oktober 2023 des Bischof Bonnamain. Für die Bekehrung des Bischofs von Chur können wir nur mit Gebet begegnen. Hingegen sind die Priester verpflichtet die Gläubigen von den Liberalen zuschützen. Ein Austritt aus der Kirchgemeinde und Kantonalkirche schützt ein Gläubiger nicht von den Liberalen. Das ist nun einmal eine Tatsache. Aus diesem Grund hat eine Tempelreinigung erste Priorität!
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      Daniel Ric 15.11.2024 um 06:50
      Ich glaube ebenfalls nicht, dass ein Austritt alleine genügt, um die Kirche wieder aufblühen zu lassen. Ich warne aber auch davor, ausschliesslich einzelne Bischöfe als Problem der Kirche darzustellen. Wir haben in der Schweizer Kirche die Tendenz, einzelne Priester und Bischöfe als Superhelden darzustellen und andere als Bösewichte zu verunglimpfen, was ich problematisch und unchristlich finde. Beispielsweise finde ich die Homilie von Bischof Bonnemain gar nicht so schlimm. Natürlich wäre es problematisch, wenn der Bischof damit meint, Gott passe seine Gebote den Wünschen der Menschen an. Diese Auslegung würde ich natürlich ebenfalls ablehnen. Wenn aber damit gemeint ist, dass Gott auf die Menschen und ihre Wünsche hört, ist dies ein Gottesbild, welches ich sehr biblisch und christlich finde. Es gibt hierzu sehr schöne Stellen im Alten und Neuen Testament, die dies veranschaulichen. Hier zeigt sich die ganze Grösse des christlichen Gottesbildes, das sich von anderen Religionen unterscheidet. Wir glauben an einen Gott, der mit uns ist und dem nicht daran gelegen ist, den Menschen zu unterjochen. Aber um noch einmal auf den Teilaustritt aus der Kirchgemeinde zu sprechen zu kommen: Ich persönlich glaube, dass wir in der Deutschschweizer Kirche mit institutionellen Problemen zu kämpfen haben, die institutionell gelöst werden müssen. Entzieht man gewissen Menschen, die der Kirche schaden, das Geld, werden mehr Freiräume geöffnet für die Katholiken, die Gutes in der Kirche bewirken wollen und können. Natürlich wäre ein Super-Bischof schön, der es alleine vermag, die Neuevangelisierung einzuleiten. Aber weder Bischof Haas noch Bischof Huonder noch Bischof Bonnemain waren oder sind diese Super-Bischöfe. Auch Kardinal Kurt Koch war kein solcher, vom jetzigen Basler Bischof ganz zu schweigen. Daher hoffe ich eher auf engagierte Laien, die durch weise Entscheide der hiesigen Kirche neue Impulse geben. Vor allem ist jeder einzelne Katholik in der Pflicht, durch sein Leben den christlichen Glauben zu bezeugen. Dies nicht nur in der Kirche beim Gebet und Besuch der Heiligen Messe, sondern auch im Alltag durch Taten der Nächstenliebe.
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    Daniel Ric 14.11.2024 um 12:38
    Im Bistum Basel haben wir bereits die Zustände, die hier als Schreckensszenario geschildert werden. Das Resultat sind viele Kirchenaustritte, entleerte Kirchen und schwindendes Wissen über den Glauben. Die Bistumsverantwortlichen in Chur sollten von diesem Negativbeispiel lernen und sich hüten, den gleichen Weg zu gehen. Allen Laien möchte ich raten, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und diejenigen Kirchgemeinden, die sich nicht mehr an das Lehramt halten, durch einen Austritt zu schwächen. Man kann aus der Kirchgemeinde austreten und trotzdem katholisch bleiben, wie das Bundesgericht festgestellt hat.
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    T.L.D 14.11.2024 um 08:06
    Ist die Homilie des Bischofs Bonnemain vom 24. Oktober 2023 irgendwo zu finden?
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    Schwyzerin 13.11.2024 um 17:55
    Die Kirche 2.0 vom Bischof Joseph Maria Bonnemain von Chur ist die Maria 2.O. Denn Maria 2.O will nicht die Kirche von Jesus Christus. Das geht aus den Thesenanschlag von Maria 2.0 hervor. Die Kirche 2.0 ist eine Kirche von unten und somit eine falsche Kirche. Die Kantonalkirche ist keine Kirche, wie der heutige Beitrag von Rosemarie Schärer klar stellt. Kirche 2.0 ist missbräuchlich und irreführend. Solange aber Diözesanpriestern in der Kantonalkirche verbleiben, werden die Liberalen die Kirchen weiterhin besetzen. Die Kirche muss insbesondere von den Liberalen gereinigt werden. Das ist bis heute noch nicht geschehen.