Das heutige Kapuzinerinnenkloster Wattwi. (Bild: Roland Zumbuehl, CC BY 3.0 via Wikimedia Commons)

Kirche Schweiz

Eli­sa­beth Spitz­lin – Pio­nie­rin der Kirchenreform

Vor und nach der Refor­ma­tion war die Dis­zi­plin in den Klös­tern nicht immer die beste. Das Kon­zil von Tri­ent ver­suchte hier Gegen­steuer zu geben, doch wur­den die Anord­nun­gen nicht über­all befolgt. Eine Aus­nahme war das Klos­ter Pfan­ne­regg. Hier führte Mut­ter Eli­sa­beth Spitz­lin die nötige Reform durch. Die Pfan­ne­reg­ger Reform erfasste die meis­ten nach der Refor­ma­tion ver­blie­be­nen fran­zis­ka­ni­schen Ter­zia­rin­nen­klös­ter der Schweiz und strahlte bis nach Deutsch­land, Öster­reich und ins Elsass aus. Ein wei­te­res Por­trät in unse­rer Serie über star­ken Frauen.

Das Kloster auf der Pfanneregg bei Wattwil SG ging auf eine Waldschwesternklause zurück und gehörte dem Orden der Franziskaner-Terziarinnen an. Es war von der Reformation in besonderer Weise betroffen, da zwei leibliche Schwestern des Züricher Reformators Huldrych Zwingli zur Gemeinschaft gehörten. Er konnte sie überreden, das Kloster zu verlassen. Mit ihnen verliessen 23 weitere Schwestern das Kloster. Nur acht Schwestern blieben in dem völlig ausgeplünderten Kloster in grosser Armut zurück.

Um 1545 kam Elisabeth Spitzlin in Lichtensteig SG zur Welt. Ihre Eltern waren während der Reformation katholisch geblieben und erzogen sie in diesem Glauben. Als Elisabeth 14 Jahre alt war, gaben sie ihre Eltern ins Kloster Pfanneregg, wo sie 1560 die einfache Profess ablegte. Seit der Reformation gab es nur wenig Ordensberufungen und der Fortbestand des Klosters war gefährdet. Mit gerade einmal 29 Jahren wurde Elisabeth zur Frau Mutter gewählt. Die Klosterdisziplin war nicht die beste: Schlendrian, Kleiderpracht und Eitelkeit prägten den Klosteralltag. Die Schwestern trugen komfortable Ordensgewänder und verschiedene Schmuckstücke. Die Schwestern selbst waren sich dessen nicht bewusst, hatten sie doch die Lebensweise von ihren Vorgängerinnen übernommen.

Beherztes Eingreifen eines Kapuziners
Eine Wallfahrt nach Einsiedeln im Jahr 1588 leitete die  grosse Wende ein. Mutter Elisabeth war mit dem ganzen Konvent nach Einsiedeln gepilgert, um dort den grossen Ablass anlässlich der Engelweihe zu empfangen. Unter den Beichtvätern waren auch Kapuziner, die erst seit kurzem in der Schweiz wirkten. Mutter Elisabeth ging zu Pater Ludwig von Sachsen zur Beichte, dem Guardian des Kapuzinerklosters in Stans. Er fragte sie, zu welchem Orden sie gehöre. Sie sei ein Kind des heiligen Vaters Franziskus, antwortete die Frau Mutter. Er zeigte auf seinen rauen, einfachen Habit und meinte: «Vergleicht euren Habit mit meinem und ihr werdet erkennen, dass ihr vom Geist des Ordens noch weit entfernt seid.» Er sprach klar und offen über die Diskrepanz zwischen einem Leben, das sich an der Spiritualität des heiligen Franziskus orientierte und dem tatsächlichen Leben im Kloster Pfanneregg. Seine Worte trafen sie mitten ins Herz und sie vergoss Tränen der Einsicht und der Reue. Sie zog sogleich Ringe, Armbänder und den silbernen Gürtel ab und verbarg sie in der Tasche. Sie gelobte Pater Ludwig Besserung. Fest entschlossen, die notwendige Reform durchzuführen, kehrte sie ins Kloster zurück. Ihre Mitschwestern teilten zunächst ihre guten Vorsätze, fielen aber bald wieder in die alten Gewohnheiten zurück.

Sechs Monate später wurde Pater Ludwig von Stans nach Appenzell versetzt. Auf seiner Reise an den neuen Wirkungsort besuchte er das Kloster Pfanneregg. Er musste feststellen, dass nur Mutter Elisabeth ihr Leben geändert hatte, die anderen Schwestern hingegen von einer Reform nichts hören wollten. Pater Ludwig fertigte für Mutter Elisabeth einen Habit aus rauem Stoff an wie ihn die Kapuziner trugen. Dies kam bei den Franziskanern nicht gut an – sie machten ihr das Leben derart schwer, dass schliesslich der päpstliche Legat diesen mit der Exkommunikation drohen musste. Pater Ludwig schrieb Mutter Elisabeth regelmässig Briefe, um sie in ihrem Reformbestreben zu unterstützen. Durch ihr Vorbild und ihr Gebet bekehrten sich bis 1591 mit Ausnahme einer Mitschwester alle Ordensfrauen. Die Chronik hält fest, dass sich die «störrische» Schwester durch den Eifer von Pater Ludwig auch noch bekehrte. 1591 wurde der Konvent in ein Kapuzinerinnenkloster umgewandelt.

Das Leben der Schwestern war nun stark vom ursprünglichen Armutsideal des Franziskus geprägt. Mutter Elisabeth war mit sich selbst sehr streng, wie die Klosterchronik berichtet: «Sie wachte und betete ganze Nächte, fastete im Advent, in der grossen Fasten, an den Vigiltagen der Mutter Gottes-Feste und der heiligen Patrone bei Wasser und Brot ; sie trug unter ihrem Habit ein Untergewand aus grobem Stoff und um den Leib eine eiserne Kette mit grossen Knöpfen ; ihre Lagerstatt war das blosse Stroh ohne Sack und ohne Kissen.» Für uns heute ist diese Radikalität nur schwer nachvollziehbar, zeigt aber ihren unbedingten Willen zur Reform und zu einem radikalen Leben in der Nachfolge Christi. Die Gemeinschaft lebte in strikter Klausur sehr arm und war dabei von innerer Heiterkeit und tiefer Nächstenliebe geprägt.

Während Mutter Elisabeth für sich selbst keine Ansprüche stellte, war ihr für Christus nichts zu viel. Sie schmückte die von ihr neuerbaute Kirche von Pfanneregg mit schönen Altären, vielfältigen Paramenten, Alben und Kelchen. Da ihr die Eucharistie am Herzen lag, wusch sie unentgeltlich die Korporalien fast aller Kirchen im Toggenburg, ja noch mehr: So weit es ihr möglich war, bezahlte sie für die Instandsetzung von Monstranzen, Kelchen und Paramenten.

Mutter Elisabeth führte in ihrem Kloster und später in allen Reformklöstern das Offizium ein und legte grossen Wert auf das betrachtende Gebet. Am liebsten betrachtete sie das Leiden Christi, besonders die Dornenkrönung. Sie hinterliess in ihrem Testament die Verordnung, dass ihre geistigen Töchter täglich dieses Geheimnis durch zehn Vater unser und Ave Maria verehren sollten. Auch ihre Liebe zur Gottesmutter war gross; sie gab deshalb dem Kloster den Namen «Maria von den Engeln».
 


Die Reform strahlt aus
Das Kloster hatte durch die Reform eine grosse Ausstrahlung gewonnen; die Chronik berichtet, dass zwischen 1592 bis 1609 sechsundzwanzig Schwestern eintraten. Der Zuwachs der Klostergemeinschaft und die Einführung der vom Tridentinischen Konzil geforderten Klausur machten einen Neubau des Klosters nötig. Das Kloster unterstand dem Fürstabt von St. Gallen, der aber die Zustimmung verweigerte; er befürchtete, dass durch die dafür notwendigen Bettelreisen die Schwestern ihren guten Geist wieder verlieren könnten. Die Kapuziner rieten deshalb den Schwestern, sich direkt an den päpstlichen Nuntius in Luzern zu wenden. Dieser befürwortete den Neubau und gab ihnen die Erlaubnis, in der Schweiz und auch im Ausland für das Kloster zu sammeln. Da das Kloster durch seine Reform einen guten Ruf hatte, flossen die Spenden reichlich.
Zur gleichen Zeit versuchten die Schwestern in Rom zu erreichen, dass sie nicht mehr dem Fürstabt, sondern den Kapuzinern unterstanden.[1] Als dies dem Fürstabt zu Ohren kam, war er selbstverständlich verärgert. In der Folge wurden von 1609 bis 1612 keine Novizinnen mehr aufgenommen, keine Profess gefeiert und auch keine Visitation mehr durchgeführt. Der Abt versuchte sogar zweimal, sie als Oberin abzusetzen. Dies scheiterte am einmütigen Widerstand der Schwestern. Dieser Streit überschattete die letzten Lebensjahre von Mutter Elisabeth Spitzlin, die am 24. August 1611 an der Pest starb. Nebst ihr verloren 22 weitere Ordensschwestern des Klosters ihr Leben durch die Pestwelle. Erst ihrer Nachfolgerin gelang es, den Konflikt mit Abt Bernhard zu lösen.

Der Wandel im Kloster Pfanneregg blieb auch ausserhalb des Toggenburgs nicht verborgen und der gute Ruf der Schwestern verbreitete sich bis über die Landesgrenzen hinaus. Von überall her kamen Anfragen an die Schwestern, andere Klöster zu reformieren. Die päpstliche Nuntiatur in der Schweiz unterstützte diese Reformbewegung ausdrücklich. Vom Kloster Pfanneregg aus wurden die Klöster Altstätten, Hundtobel, Luzern, Notkersegg, Steinertobel und Wonnenstein reformiert. Von diesen erfasste die Reformbewegung  weitere Klöster. Im Laufe des 17. Jahrhunderts führte die spirituelle Ausstrahlung der Pfanneregger Reform auch zur Gründung mehrere Kapuzinerinnenklöster in Deutschland, Österreich und im Elsass.
 

Das Kapuzinerinnenkloster Wattwil wurde 2010 aufgelöst. Die sieben verbliebenen Schwestern zogen in verschiedene andere Kapuzinerinnenklöster. Heute beherbergt das Kloster das internationale pastorale Projekt «Fazenda da Esperanca».

 

Quelle

Alois Scheiwiler, Elisabetha Spitzlin : ein Beitrag zur Gegenreformation in der Schweiz, in: Zeitschrift für schweizerische Kirchengeschichte 11 (1917).

 


[1] Dieser hatte das Visitationsrecht erst 1579 vom Provinzial der Strassburger Barfüsserprovinz übernommen.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

E-Mail

Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin.


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Bemerkungen :

  • user
    Martin Meier-Schnüriger 30.03.2025 um 14:14
    Ein Blick in die Kirchengeschichte zeigt: In Zeiten des Niedergangs sind es nicht selten die Klöster, die den wahren Glauben am Leben erhalten. Ob Mittelalter, frühe Neuzeit oder Moderne - die echten Reformen, d.h. Rückkehr zum ursprünglichen Ideal, gingen meistens von Klöstern aus. Umgekehrt peilten alle kirchenfeindlichen Bewegungen die Ausrottung des klösterlichen Lebens an, letztlich ohne Erfolg! Das kann uns Mut machen, dass auch heute nicht synodaler Relativismus die Kirche zu Grunde richtet, sondern der Geist der heiligen Ordensgründer(innen) sie zu neuer Blüte führt.