Symbolbild. (Bild: Mufid Majnun/Unsplash)

Pro Life

England/​Wales: Damm­bruch für die Suizidbeihilfe?

Nach wochen­lan­ger Debatte hat das Unter­haus in Lon­don mit 330 zu 275 Stim­men einem umstrit­te­nen Gesetz­ent­wurf zum assis­tier­ten Sui­zid zuge­stimmt. In Kraft tre­ten kann es aller­dings noch nicht.

Die Abgeordneten des britischen Unterhauses haben für eine Legalisierung der Sterbehilfe votiert. Der Gesetzentwurf der Labour-Abgeordneten Kim Leadbeater sieht vor, dass unheilbar Kranken in England und Wales unter Bedingungen Sterbehilfe geleistet werden darf. Konkret soll der assistierte Suizid nur erwachsenen Todkranken, deren Lebenserwartung weniger als sechs Monate beträgt, zugänglich sein. Zudem ist eine Genehmigung durch zwei Ärzte und einen Richter erforderlich. Bisher gilt Suizidbeihilfe als Straftat, die mit bis zu 14 Jahren Haft geahndet werden kann.

Die Debatte über den Entwurf hatte in den vergangenen Wochen die Schlagzeilen in Grossbritannien beherrscht. Sowohl die Labour-Regierung als auch die konservative Opposition hoben den Fraktionszwang auf, was das Resultat der Unterhaus-Abstimmung schwer vorhersehbar machte.

Mit dieser Abstimmung ist jedoch nur eine von mehreren Hürden im parlamentarischen Verfahren genommen. Bis zu einem Inkrafttreten des neuen Gesetzes sind weitere Beratungen notwendig, bei denen Änderungsanträge eingebracht werden können. Auch das Oberhaus muss noch zustimmen.

Ärzte und Behindertenverbände dagegen
Der «Sonderausschuss für Gesundheit und Soziales» des britischen Unterhauses hatte am 29. Februar 2024 seinen Bericht zum assistierten Suizid veröffentlicht, in welchem er die Beibehaltung des Verbots des assistierten Suizids in Grossbritannien empfahl. Er forderte stattdessen die Aufstockung der finanziellen Mittel für Palliativ- und Sterbebegleitung.

Führende britische Ärzte hatten im Vorfeld die «British Medical Association» aufgefordert, dafür zu sorgen, dass sich Ärzte nicht in irgendeiner Weise an der Beihilfe zum Suizid beteiligen müssen. Eine Umfrage im Jahr 2020 zeigte: Die meisten Ärzte und eine noch grössere Mehrheit der Berater wollen weder an der Verschreibung von Präparaten für den assistierten Suizid noch an der Durchführung von Euthanasie beteiligt sein.

Auch Behindertenverbände hatten sich vehement gegen die Legalisierung der Sterbehilfe gewehrt.

Kirchen kämpfen weiter gegen assistierten Suizid
Justin Welby, Erzbischof von Canterbury und geistliches Oberhaupt der anglikanischen «Church of England», warnte vor den Folgen einer Legalisierung. So könnten sich alte Menschen zum Suizid gedrängt fühlen, weil sie Angehörigen nicht zur Last fallen wollten. Überdies drohe eine Ausweitung des Gesetzes auf Personen ohne unheilbare Erkrankung.

Schon im Vorfeld hatten sich verschiedene katholische Bischöfe gegen den Gesetzesentwurf ausgesprochen. Unmittelbar nach der Abstimmung zeigte sich John Wilson, Erzbischof von Southwark (London) zutiefst betrübt und besorgt. «Dies ist zwar noch nicht der letzte Schritt auf dem Weg zur Verabschiedung dieser Gesetzgebung, aber es stellt eine seismische und besorgniserregende Verschiebung in der Herangehensweise unserer Nation an die Fürsorge für die Schwächsten unter uns dar.» Mitgefühl, richtig verstanden, bedeute, den Leidenden beizustehen und ihre Würde bis zum natürlichen Ende ihres Lebens zu achten. Es bedeute nicht, den Tod zu beschleunigen, auch nicht im Angesicht von Schmerz oder Verzweiflung. «Die Erfahrungen anderer Länder, in denen der assistierte Suizid eingeführt wurde, sind eine ernste Warnung. Versprochene Schutzmassnahmen werden mit der Zeit ausgehöhlt, sodass ältere, behinderte und schwerkranke Menschen Gefahr laufen, ihr Leben als Belastung für andere zu empfinden. Der subtile und manchmal auch offenkundige Druck, der dadurch entsteht, bedroht das Gefüge einer Gesellschaft, die auf der Fürsorge und dem Schutz der Schwächsten aufgebaut ist.»

Bischof John Sherrington, der innerhalb der Bischofskonferenz für den Lebensschutz zuständig ist, schrieb in seinem Statement: «Wir sind enttäuscht, dass die Abgeordneten für den Gesetzesentwurf gestimmt haben. […] Wir sind der Meinung, dass dieser Gesetzesentwurf prinzipiell fehlerhaft ist und ausserdem bestimmte Klauseln enthält, die Anlass zur Sorge geben.» Konkret geht es um die Klauseln, «die Ärzte daran hindern, ihre Verweigerung aus Gewissensgründen ordnungsgemäss auszuüben, die Hospize und Pflegeheime, die sich nicht an assistiertem Suizid beteiligen wollen, unzureichend schützen und es Ärzten erlauben, Gespräche über assistierten Suizid zu initiieren.» Für Bischof Sherrington ist die Verbesserung der Qualität und der Verfügbarkeit von Palliativmedizin der beste Weg, um das Leiden am Ende des Lebens zu lindern. «Wir bitten die katholische Gemeinschaft, dafür zu beten, dass die Abgeordneten die Weisheit haben, diesen Gesetzentwurf in einer späteren Phase abzulehnen.» Der Bischof spielte damit auf das Jahr 2015 an, als ein analoger Gesetzesentwurf in zweiter Lesung abgelehnt worden war.

Die Sprecherin der Lebensschutzorganisation «Right To Life UK», Catherine Robinson, zeigte sich kämpferisch: «Wir werden nun unsere Anstrengungen verdoppeln, um sicherzustellen, dass wir diesen Gesetzentwurf in jeder Phase bekämpfen und dafür sorgen, dass er zum Schutz der Schwächsten verhindert wird.»
 

Quellen
https://www.imabe.org/bioethikaktuell/einzelansicht/aerztekammer-soll-handeln-britische-mediziner-wollen-nichts-mit-assistierten-suiziden-zu-tun-haben

https://committees.parliament.uk/publications/43582/documents/216484/default/

https://www.rcsouthwark.co.uk/news-events/news/vote-on-assisted-suicide-represents-seismic-and-concerning-shift-says-archbishop/

https://www.cbcew.org.uk/assisted-suicide-bill-second-reading/

https://righttolife.org.uk/news/campaigners-redouble-efforts-to-defeat-dangerous-assisted-suicide-bill


KNA/Redaktion


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    Stefan Fleischer 02.12.2024 um 10:08
    Eine Bekannte hat mir so nebenbei erzählt, dass ihr die Ärzte vor manchen Jahren einmal nur noch 2-3 Monate zu leben gaben. Grund war eine Krebserkrankung. Ihr Wille und ihre Disziplin hätten bewirkt, dass sie heute noch ohne diesbzüglich grössere Probleme lebt. Auch Ärzte können irren.
    • user
      Meier Pirmin 02.12.2024 um 12:09
      @Fleischer. Der Hinweis erinnert mich an eine volkskundliche Gewährsperson, die trotz Krebs ein hohes Alter erreichte, jedoch im Verlauf der Behandlung mal den Hausarzt wechselte. Sie traf ihn später in St. Moritz, der sie nicht gleich erkannte, aber sagte: "Sie ähneln sehr einer verstorbenen Patientin von mir." Die Anekdote spricht Bände. In der älteren Medizin ist übrigens, gerade dann, wenn man gegen eine Krankheit wenig ausrichtete, die Prognose, wie lange ein Patient noch leben, äusserst wichtig, war sogar Bestandteil der theoretischen und praktischen Ausrichtung. Hippokrates schreibt oft: "Am 8. TAGE" bzw. nach 8 Wochen usw. "starb der Kranke", oft das Ende einer Krankengeschichte.