Es ist nicht das erste Mal, dass der Schweizer Presserat die kath.ch-Redaktion wegen Verstössen gegen elementare Grundsätze des Pressekodex rügen musste. Bereits mit Entscheid vom 25. Januar 2022 (Nr. 78 / 2021) sah der Schweizer Presserat u.a. die Verletzung des Wahrheitsgebotes durch kath.ch als erwiesen an. Dieses Mal erfolgte die Rüge wegen «unlauterer Methoden bei der Informationsbeschaffung und Verletzung des Schutzes der Privatsphäre» (Entscheid Nr. 22 / 2023).
Was war passiert? Am 14. November 2022 erschien auf kath.ch ein Interview von Sarah Stutte mit dem Initiator und Hauptdarsteller der populären Fernsehreihe «Tschugger», David Constantin. Noch am gleichen Tag intervenierte die Produzentin der Serie bei der Interviewerin und beanstandete, dass das Interview nicht für kath.ch gegeben worden sei, sondern für das Film-Fachmagazin «deadline-magazin.de», sie solle das Interview umgehend vom Netz nehmen. Die deutsche Sarah Stutte versuchte sich mit dem Hinweis auf ein «Missverständnis» herauszureden und verschanzte sich im Übrigen hinter ihrem Landsmann und kath.ch-Chefredaktor Raphael Rauch. Dieser lehnte eine Löschung des Interviews ab. Daraufhin intervenierte auch der Rechtsdienst des Schweizer Fernsehens SRF als Auftraggeber der Serie bei kath.ch und verlangte ebenfalls die Löschung des Interviews – vergeblich.
Am 5. Dezember 2022 reichte David Constantin Beschwerde beim Schweizer Presserat ein. Er wies u.a darauf hin, die Autorin habe ihm verheimlicht, dass sie Redaktorin bei kath.ch ist und dieses Interview auch auf kath.ch veröffentlichen wollte. Dieses Verhalten erfülle den Tatbestand der unlauteren Informationsbeschaffung gemäss Punkt 4.5 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten.»
Der Schweizer Presserat hiess die Beschwerde von David Constantin vollumfänglich gut. Dies insbesondere deshalb, weil sich die Autorin Sarah Stutte lediglich als «freie Journalistin» ausgegeben hatte, welche das Gespräch für das «deadline-magazin.de» führe. Chefredaktor Rauch seinerseits versuchte sich damit herauszureden, er bzw. kath.ch könne für dieses Interview nicht verantwortlich gemacht werden, denn die Autorin habe es als «freie Mitarbeiterin» geführt. Der Schweizer Presserat stellte demgegenüber klar: «Das Medium, das ein Interview, einen Artikel, einen Beitrag veröffentlicht, ist für diesen vollumfänglich verantwortlich. Es widerspräche dem Prinzip der journalistischen Verantwortung ebenso wie der Funktion einer Chefredaktion, wenn diese nur für diejenigen Aspekte einer Berichterstattung zuständig wäre, die sie selber in ihre Entstehung direkt begleitet hat.»
Ebenso verurteilte der Schweizer Presserat die Weigerung der kath.ch-Redaktion, dem Begehren auf Löschung des Interviews nachzukommen: «Die Pressefreiheit erlaubt keine wie auch immer geartete Verletzung des Persönlichkeitsschutzes... Dass das Copyright bei der Autorin liegt, trifft zu, spielt aber keine Rolle, weil sie es versäumt hat, den Interviewten korrekt über den Publikationsort zu informieren, womit sie, wie oben ausgeführt, gegen Richtlinie 4.5 verstiess. Insofern war das Anliegen des Beschwerdeführers nach Löschung des Gesprächs begründet und durch den Schutz der Privatsphäre, die Ziffer 7 der ‹Erklärung›, und damit durch das grundsätzliche Recht am eigenen Wort gedeckt.»
Dieses neuerliche Verdikt des Schweizer Presserates wiegt schwer, denn der nunmehr erstellte Vorwurf der unlauteren Informationsbeschaffung ist gerade für ein Medienportal wie kath.ch fatal.
Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der neue Chefredaktor von kath.ch, Charles Martig, in Reaktion auf die Beanstandung der Schweizer Bischofskonferenz in einem Anflug von Realsatire behauptet hatte: «Die Redaktion von kath.ch arbeitet nach wie vor (sic) nach journalistischen Qualitätsstandards wie Fairness, Transparenz und Wahrhaftigkeit. Sie orientiert sich dabei am Rahmenstatut der katholischen Medienzentren. Zudem bilden die Richtlinien des Schweizer Presserates den Rahmen der journalistischen Arbeit von kath.ch.»
Für die Krönung dieses Mega-Fakes war selbstredend der bisherige Chefredaktor Raphael Rauch besorgt: Im Jahresbericht 2022 des Schweizerischen Pressevereins begründete er die Anstellung der aus dem grossen Kanton eingesickerten kath.ch-Mitarbeiterin Sarah Stutte damit, dass diese kath.ch mit ihrer «Wallis- und Filmkompetenz bereichert» habe. Die «Wallis-Kompetenz» seines Nachfolgers, des Wallisers Charles Martig, scheint er offenkundig als defizitär eingeschätzt zu haben.
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