Statue von Louis-Marie Grignion de Montfort im Petersdom. (Bild: Jordiferrer/Wikimedia Commons)

Weltkirche

«Es geht immer darum, sich den Men­schen zuzuwenden»

Am 31. Januar jährt sich der 350. Geburts­tag des Ordens­grün­ders Louis-​Marie Grig­nion de Mont­fort. Im Inter­view der Katho­li­schen Nachrichten-​Agentur (KNA) spricht der Supe­rior der deut­schen Dele­ga­tion der Montfortaner-​Patres Gerd-​Willi Ber­gers über den Ordens­grün­der, den klei­nen Mari­en­wall­fahrts­ort Mari­en­heide und müt­ter­li­chen Bei­stand durch die Gottesmutter.

Pater Bergers, Louis-Marie Grignion de Montfort dürfe nur wenigen ein Begriff sein. Was bewegte ihn, einen Orden zu gründen?
Pater Gerd-Willi Bergers: Sein Impuls war es, missionarisch tätig zu sein. Er wollte ins Ausland, hat dann aber als Missionar in Frankreich gewirkt, den Menschen gepredigt und war immer ansprechbar für ihre konkreten Sorgen und Nöte. Montfort ist eine sehr interessante Persönlichkeit, für seine Zeit war er ein kleiner Rebell. Weil er nicht ganz konform mit der offiziellen Kirchenlinie war, bekam er von seinen Bischöfen öfter ein Predigtverbot. Daraufhin ging er in die Armenhäuser und pflegte dort selbst kranke und sieche Menschen. Durch seine praktizierte Nächstenliebe hat er den Glauben auf seine Art gepredigt. Diesem Charisma unseres Ordensgründers fühlen wir uns auch heute bei unserem Engagement verpflichtet.

Sie dürfen in drei Sätzen Werbung für Ihren Orden machen: Warum sollte ein junger Mensch bei Ihnen eintreten?
Weil sich bei uns die Gottesliebe ganz eng mit dem konkreten Dienst am Nächsten verbindet. Leider haben wir derzeit in Deutschland und auch in den westlichen Ländern insgesamt keinen Nachwuchs. In Deutschland sind wir jetzt mit den indischen Mitbrüdern 13 Montfortaner. Dennoch habe ich Hoffnung, denn in anderen Teilen der Welt interessieren sich junge Menschen durchaus für unseren Orden. Insgesamt bereiten sich derzeit 165 Studenten auf ihren Ordenseintritt vor, die dann die 763 Montfortaner in weltweit 33 Ländern verstärken werden. Es ist schön zu erleben, dass Menschen aus den jungen Kirchen des Südens heute zu uns kommen, mit uns Gemeinschaften bilden, sich für die Menschen zu engagieren und damit auch die monfortanische Spiritualität lebendig erhalten.

Louis-Marie Grignion de Montfort hatte eine sehr gewinnende Art, Menschen für den Glauben zu gewinnen. Wie würde er heute in die Gesellschaft hineinwirken?
Es geht immer darum, sich den Menschen zuzuwenden; ihnen – auch in der Gemeinde – Räume zu schaffen, in denen sie Gott und anderen Menschen begegnen und ihren Glauben leben können. Entsprechend würde er einen guten Rahmen für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vor Ort gestalten und sich auch um Menschen am Rande der Gesellschaft kümmern. Die versteckte und offene Not ist hierzulande gross, das erleben wir auch bei unserem Wirken für die Menschen.

Die Erneuerung des christlichen Lebens war Montfort ein Anliegen. So eine Erneuerung wünschen sich viele auch heute angesichts der allgemeinen Kirchenkrise. Ist der Zug dafür nicht längst abgefahren?
Ich bin da zuversichtlich, denn die Kirche hat sich immer wieder erneuert. Einerseits soll man ja Gutes bewahren; zugleich fordert die aktuelle Krise den Glauben auch heraus. Wir diskutieren dadurch offener, ringen miteinander um den Glauben und auch über die Ausrichtung des Glaubens – für die Kirche eigentlich eine sehr spannende Zeit ...

Auch wenn viele Menschen heute nichts mehr mit der Kirche am Hut haben, sehnen sich doch viele nach Sinn und Spiritualität. Marianische Spiritualität ist ein Kennzeichen Ihres Ordens. Kann man damit heute noch jemanden hinter dem Ofen hervorlocken?
Durchaus. Wir haben hier in Marienheide eine kleine Wallfahrtskapelle mit einem Marienbild. Mich berührt immer wieder, dass eben nicht nur fromme Menschen dort innehalten. Unserem dort ausliegenden Anliegen-Buch entnehme ich, dass viele Leute mit ihren Sorgen zu Maria kommen und bei ihr einen Halt suchen. Wir Montfortaner glauben, dass Maria uns einen Weg zu Christus zeigen kann. Schon die Tatsache, dass Menschen ohne grossen Kirchenbezug unseren kleinen Wallfahrtsort aufsuchen und dort Kraft schöpfen, finde ich bemerkenswert. Das ist für uns auch eine Wegweisung, wie wir Maria den Menschen in unserer heutigen Zeit verkünden sollen: als mächtige Wegbegleiterin und Fürsprecherin.

Sie sagen, dass auch kirchenfernere Menschen mit ihren Anliegen zu Maria der kleinen Wallfahrtskapelle kommen. Wie erklären Sie sich das?
Die Beziehung zur Gottesmutter Maria ist oft sehr persönlich und individuell, wohl auch, weil sich Menschen einen mütterlichen Beistand in ihrem Leben wünschen. Gerade in Zeiten, wo sich Menschen nach göttlicher Nähe sehnen, suchen Menschen die Kapelle auf. Sie entdecken dort die Nähe der Gottesmutter und spüren ein Stück Geborgenheit. Deshalb sind Orte wie diese Kapelle so wichtig, selbst wenn man dort nur ein Kerzchen anzündet. Es ist ein Zeichen, dass sich Menschen da anvertrauen und eine Stütze erfahren.

Marianische Frömmigkeit klingt dennoch sehr sperrig und altbacken ...
Der Begriff sollte nicht abschrecken. Das Magnificat beispielsweise – der Lobgesang Marias – ist eigentlich sehr zeitgemäss. Seine provokativen Verheissungen könnten eine enorme Sprengkraft entfalten gegen die vielen Formen von Unrecht und Unterdrückung in der Welt. Es ermutigt, jenen, die am Rande sind, Hilfestellung zu leisten, Armen und Ausgegrenzten zu dienen und die Welt so ein Stück besser und gerechter zu machen. Und aus der Psychologie wissen wir ja, dass Engagement für andere glücklich macht ...

Sie sprechen diesen individuellen Aspekt von Marienfrömmigkeit oder überhaupt von Frömmigkeit an. Kann das auch ein Weg auch für die Kirche insgesamt sein, Menschen wieder für diesen tragenden Grund im Leben zu sensibilisieren?
Ich denke, wir müssen als Kirche vorsichtig sein und dürfen Menschen nicht vereinnahmen. Was für mich zählt, sind gute Taten, die Christusbegegnung im Nächsten. Und die wird millionenfach gelebt, auch ausserhalb der Kirche. Mein Ziel ist es weniger, die Leute zurück in die Kirche zu bringen, als sie zu ermutigen, sich solidarisch für andere, die Schöpfung und das Leben überhaupt einzusetzen. Für mich gehören diese Engagierten mit zur Kirche, auch wenn sie keine Kirchensteuer zahlen oder nicht jeden Sonntag zum Gottesdienst kommen: Aber sie handeln zutiefst christlich. Natürlich freut es mich, wenn sie durch Gemeindeleben, Sakramente und Gottesdienste neue Impulse bekommen und sich für ihr Leben und Wirken für andere gestärkt fühlen. Darin sehe ich heute unser Anliegen als Kirche.

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Die Kongregation der Montfortaner wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Frankreich von Ludwig-Maria Grignion (1673–1716) gegründet. Als Volksmissionar erreichte er viel für die Erneuerung des christlichen Lebens in seiner Zeit. Wegen seiner Vorliebe für die Armen erhielt er in Anlehnung an seinen Geburtsort den Beinamen «der gute Pater von Montfort». Daraus wurde später sein Name «Montfort» und auch die Bezeichnung für seine Nachfolger: «Montfortaner», «Montfort-Missionare» beziehungsweise «Montfortaner Patres».
Derzeit sind rund 736 Montfortaner in 33 Ländern tätig. Man findet sie in den Elendsvierteln südamerikanischer Grossstädte wie Sao Paulo, Bogota und Port au Prince, unter den Indianern im Amazonasgebiet, in den Diasporagebieten Nordeuropas, in Indien, Indonesien, auf den Philippinen, Neuguinea, Afrika und anderswo.

 


KNA Katholische Nachrichten-Agentur


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Bemerkungen :

  • user
    Stefan Fleischer 31.01.2023 um 12:57
    «Auch wenn viele Menschen heute nichts mehr mit der Kirche am Hut haben, sehnen sich doch viele nach Sinn und Spiritualität.»
    Sinn und Spiritualität, das ist es, was die Menschen, ob bewusst oder unbewusst, von der Kirche erwarten. Viele haben genug von unserer heutigen Überbetonung von Wohlstand und Vernunft. Ein Gott, dem man «Augenhöhe» begegnen kann, ist - auch das bewusst oder unbewusst - für viele irgendwie irreal, kein wahrer Gott, eher ein Psychopharmakon gegen den Weltschmerz. Eine «heile Welt hier und jetzt» haben die meisten schon längst als Illusion durchschaut. Gegen die Realität des Bösen in der Welt gibt es nur ein Mittel, die Umkehr, die Rückkehr zu Gott und zu Christus unserem Herrn und Erlöser.
    Die moderne Verkündigung hat die Volksfrömmigkeit unserer Vorfahren in Verruf gebracht. Dabei war und ist diese jene starke Stütze für die Gottesbeziehung, nach der wir einfachen Gläubigen, wir armen Sünder, uns in tiefsten Herzen sehnen. Maria, wir rufen zu Dir!