Unsere Liebe Frau von Fatima. (Bild: © Mazur/catholicnews.org.uk/Flickr, CC BY-NC-ND 2.0)

Hintergrundbericht

Fatima oder die himm­li­sche Diplomatie

Gemäss den Berich­ten dreier Hir­ten­kin­der ist die Got­tes­mut­ter Maria am 13. Mai 1917, mit­ten im Ers­ten Welt­krieg, im por­tu­gie­si­schen Fatima erschie­nen. Ihre Bot­schaft war ein ein­dring­li­cher Auf­ruf zur Umkehr, zur Weihe Russ­lands und zum Gebet, ins­be­son­dere des Rosen­kran­zes. Doch die Pro­phe­zei­un­gen der Got­tes­mut­ter gin­gen weit über spi­ri­tu­elle Ermah­nun­gen hin­aus – sie gli­chen einer Mah­nung mit weit­rei­chen­den poli­ti­schen Implikationen.

Heute stellt sich die Frage: Welche ihrer Vorhersagen haben sich erfüllt, welche Bedrohung wurde abgewendet? Und warum bleibt Russland trotz des Zusammenbruchs des Kommunismus weiterhin in vielerlei Hinsicht ein besonderer Fall?

Die Prophezeiungen Fatimas: Krieg, Kommunismus und Verfolgung
Eine der eindrucksvollsten Fatima-Botschaften war die Ankündigung eines zweiten, noch verheerenderen Krieges. Bereits in der dritten Erscheinung am 13. Juli 1917 soll den Seherkindern offenbart worden sein, dass ein schlimmer Krieg beginnen werde, wenn die Menschen nicht aufhören, Gott zu beleidigen. Als 1938 ein aussergewöhnliches Polarlicht über Europa beobachtet wurde, deuteten dies viele als das angekündigte Zeichen. Nur wenige Monate später begann mit der Annexion Österreichs durch Hitler-Deutschland eine Eskalation, die schliesslich zum Zweiten Weltkrieg führte. Auch die Warnung vor der Ausbreitung des Kommunismus erwies sich als zutreffend. Nur wenige Monate nach der letzten Erscheinung ereignete sich die Oktoberrevolution in Russland. In den folgenden Jahrzehnten breitete sich der atheistische Marxismus-Leninismus aus, die Kirche wurde unter der Sowjetunion und anderen kommunistischen Staaten massiv verfolgt. Viele Gläubige wurden hingerichtet oder in den Gulag verschleppt, Kirchen zerstört oder geschlossen. Laut den Berichten der Seherkinder erkannte die Gottesmutter nicht nur die Gefahr, sondern bot auch eine Lösung an: die Weihe Russlands an ihr Unbeflecktes Herz.

Ein weiteres Element der Prophezeiung sorgte jahrzehntelang für Rätselraten: die Vision des «weiss gekleideten Bischofs», der unter Kugelhagel fällt. Dieses Bild war Teil des dritten Geheimnisses von Fatima, das jedoch lange Zeit unter Verschluss blieb. Sr. Lucia, die Seherin von Fatima, hatte festgehalten, dass das Geheimnis spätestens 1960 geöffnet werden sollte. Papst Johannes XXIII. entschied sich jedoch 1960 gegen eine Veröffentlichung, da ihm der Inhalt für die damalige Zeit nicht passend erschien.[1] Erst am 13. Mai 1981, als Papst Johannes Paul II. einem Attentat auf dem Petersplatz nur knapp entkam, wurde darin eine mögliche Erfüllung dieser Vision erkannt. Der Papst selbst führte seine Rettung auf die Gottesmutter von Fatima zurück und liess im Jahr 2000 das dritte Geheimnis veröffentlichen.

Nicht eingetretene oder abgemilderte Drohungen
Doch nicht alle Prophezeiungen haben sich in der erwarteten Form bewahrheitet – einige schienen sich nicht oder nur abgeschwächt zu erfüllen. Besonders auffällig ist die Ankündigung, dass «mehrere Nationen vernichtet» würden, falls die Welt nicht umkehrt. Zwar erlebte das 20. Jahrhundert verheerende Kriege und geopolitische Umbrüche, doch ein globaler Vernichtungskrieg oder das völlige Verschwinden von Staaten blieben der Welt erspart. Die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki im Jahr 1945 könnten als Warnzeichen gelten, doch die gefürchtete Apokalypse blieb aus.

1984 vollzog Papst Johannes Paul II. eine Weihe der Welt an das Unbefleckte Herz Mariens, in die er Russland explizit miteinschloss. Viele sehen darin die Erfüllung der Forderung von Fatima. Andere argumentieren, dass Russland sich nicht wirklich bekehrt habe: Zwar sei der Kommunismus gefallen, doch autoritäre Strukturen, religiöse Spannungen und geopolitische Konflikte bestehen weiterhin. Obwohl Papst Johannes Paul II. eine Weihe der Welt vollzog, gibt es weiterhin Diskussionen darüber, ob diese der spezifischen Forderung der Fatima-Botschaft entsprach.
Heute ist Russland kirchenpolitisch ein Sonderfall: Während sich die orthodoxe Kirche nach Jahrzehnten der Verfolgung wieder etablieren konnte, bestehen weiterhin Spannungen zwischen Ost und West und zwischen den christlichen Konfessionen. Diese anhaltenden Konflikte sind der Grund, dass die Weihe Russlands, wie es in der Fatima-Botschaft gefordert wurde, in manchen Kreisen umstritten bleibt.[2] Einige Ausleger sehen in den anhaltenden geopolitischen Spannungen einen Hinweis darauf, dass die volle Erfüllung der Botschaft von Fatima noch aussteht. Die Weihe Russlands und der Ukraine wurde durch Papst Franziskus 2022 vor dem Hintergrund geopolitischer Spannungen erneuert.

Ein Zeichen für unsere Zeit?
Die Erscheinungen von Fatima und ihre politischen Implikationen werfen eine entscheidende Frage auf: Ist die Gottesmutter eine Art himmlische Diplomatin, die in kritischen Momenten der Weltgeschichte eingreift? Während Skeptiker die Ereignisse als religiöse Interpretationen weltlicher Entwicklungen betrachten, sehen viele Gläubige in den Botschaften von Fatima einen göttlichen Plan für die Menschheit. Theologisch und kirchenpolitisch bleibt Fatima ein Schlüsselmoment im Ringen um das richtige Verständnis der Wechselwirkungen von Glaube und Weltgeschehen. Papst Benedikt XVI. warnte 2010 davor, Fatima nur als abgeschlossenes Kapitel zu betrachten – die Bedrohungen für die Kirche seien nach wie vor real. Der zunehmende Säkularismus, der Glaubensabfall, die moralische Krise und neue Formen der Christenverfolgung zeigen, dass die Botschaft von Fatima nichts von ihrer Relevanz verloren hat. Ob als Warnung oder als Verheissung: Fatima bleibt ein zentraler Bezugspunkt geistlicher und geopolitischer Reflexion. Vielleicht ist es genau diese Verbindung zwischen Himmel und Erde, die die Gottesmutter von Fatima zur wahren «himmlischen Diplomatin» macht – nicht nur in politischen Krisenzeiten, sondern auch angesichts der innerkirchlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Die moderne Welt entfernt sich zunehmend von der christlichen Wahrheit, und selbst in der Kirche gibt es Stimmen, die ihren übernatürlichen Charakter relativieren. Die Krise des Glaubens, der Verlust des Übernatürlichen in einer säkularisierten Theologie und die wachsende Unsicherheit innerhalb der Kirche könnten Hinweise darauf sein, dass Fatima weiterhin für viele Gläubige ein Bezugspunkt für die geistliche Erneuerung und ein kritischer Spiegel für die Kirche unserer Zeit bleibt.

 


[1] Vgl. www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_doc_20000626_message-fatima_ge.html

[2] Papst Johannes Paul II. hatte 1984 eine Weihe der Welt an das Unbefleckte Herz Mariens, einschliesslich Russlands, vollzogen. Diese Weihe wurde von Schwester Lucia, einer der Seherinnen von Fatima, als gültig anerkannt. Papst Franziskus betonte 2022 erneut, dass diese frühere Weihe gültig gewesen sei. Dennoch vollzog er am 25. März 2022 eine weitere feierliche Weihe Russlands und der Ukraine an das Unbefleckte Herz Mariens im Geiste der Fatima-Botschaft.


Mike Qerkini


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Bemerkungen :

  • user
    Stefan Fleischer 25.03.2025 um 19:26
    «Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit; / alle, die danach leben, sind klug.» lehrt uns der Psalmist. (Ps 111,10) Ja, «Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht / über alle, die ihn fürchten.» (Lk 1,50) Man sollte aber hier den zweiten Teil der Aussage nicht überlesen. An 22 Stellen der Schrift ist diese Bedingung erwähnt. Die Rede von der grenzen- und bedingungslosen Barmherzigkeit Gottes kann zwar auch richtig gemeint sein. Sie ist aber äusserst gefährlich, sowohl für das ewige Heil, wie auch für das zeitliche, nicht nur für das persönliche, sondern auch für das Heil der Welt, wie nicht zuletzt auch Fatima uns lehren will. Unsere Vorfahren wussten noch: «Gott straft schnell und gerecht!» Natürlich wurde diese Wahrheit oft als Drohbotschaft verwendet. Als sehr ernst zu nehmende Warnung ist sie jedoch heute nötiger denn je. Seien wir also klug und bringen wir die Gottesfurcht wieder ins Spiel, für uns selbst und in unserer Verkündigung. Sie braucht uns keine Angst zu machen. Sie ist im Prinzip nichts anderes als die Gott geschuldete Ehrfurcht. Sie will uns alle daran hindern, Gott nicht mehr wirklich ernst zu nehmen.
  • user
    Claudio Tessari 25.03.2025 um 15:43
    Die Weihe Russland und der Ukraine heute vor 3 Jahren wird auch von jenen anerkannt, welche vorher noch skeptisch waren, somit ist diese Diskussion beendet. Ich würde vorsichtig sein, mit der Aussage "Doch nicht alle Prophezeiungen haben sich in der erwarteten Form bewahrheite". Bei jeder Prophezeiung können wir durch Gebet und Opfer das Urteil auch abmindern. Dr. Hesemann hat diesbezüglich gute Vorträge gehalten. Vielen ist nicht bekannt, dass als der Heilige Papst Johannes Paul II, Russland 1984 weihte, ein Millitärstützpunkt der Sowijets in die Luft flog, der seine Raketen auf Europa gerichtet gehabt hat. Was wäre gewesen, wenn man mit Atomwaffen Europa beschossen hätte. Fatima ist sicherlich die wichtigste und aktuellste Botschaft der Geschichte. Praktisch alle "Demokratien" werden von Sozialisten regiert. Bischof Schneider hat vor kurzem in einem Interview gesagt: wir leben in einer postkommunistischer Zeit, Gender, LGBT, Abtreibung alles Ideolgoien, welche uns aufgezwungen werden.